Kirchhofer, Strategie und Wahrheit | frameset

Sarah Fieldings Governess (1749): Leidenschaften und Geschlecht in der Erziehungsinstitution

Einübung in die Wahrheit über die Leidenschaften

Sarah Fieldings 1749 erschienener Roman The Governess: or, Little Female Academy über das kleine Mädchenpensionat der Mrs. Teachum und seine neun zwischen acht und vierzehn Jahren alten Schülerinnen will dazu beitragen, daß seine jungen Leserinnen "in any of the Stations of Life alotted to the Female Character" (S. Fielding, Governess, xi) glücklich werden. Der Roman will diesen Beitrag aber nicht durch eine systematische Aufarbeitung aller möglichen Situationen leisten, in denen die Mädchen sich in ihrem späteren Leben finden können. Vorgeführt wird vielmehr die Einübung in bestimmte Verhaltensweisen, die in einer jeweiligen Situation zur Quelle der Zufriedenheit werden können. Diese Einübung geschieht im Rahmen der unterhaltsamen und instruktiven Gestaltung der gemeinsamen Freizeit in einer kleinen Gruppe von Mädchen unterschiedlichen Alters unter Aufsicht einer Autoritätsperson.

Auf die Regeln, die solchen Freizeitgestaltungen ihren Platz zuweisen, wird größter Wert gelegt. Die nach pädagogischen Gesichtspunkten (Instruktivität und Unschädlichkeit) ausgesuchten Geschichten, zu deren Lektüre man sich in einer Laube trifft, werden, auch wenn es gerade am spannendsten ist, folgsam unterbrochen, wenn die Tagesordnung der Schule anderes vorsieht. Einmal ist es Essenszeit: "there Mrs Teachum told Miss Jenny that the Bell rung for Dinner; on which she was obliged to break off" (S. Fielding, Governess, 69). Dann wird es abends zu spät:

It being now come to the latest Hour, that Mrs Teachum thought proper for her little Scholars to stay out in the Air, she told Miss Jenny, that she must defer reading the remaining Part of her Story till the next day. Miss Jenny always with great Chearfulness obey'd her Governess, and immediately left off reading, and said she was ready to attend her [...] (S. Fielding, Governess, 77)

Oder der Unterricht ruft:

[...] they were returning to the Arbour, when they met Mrs Teachum, who informed them their Dancing-Master was just arrived, and they must attend him; but in the Evening they might finish their Story.

They were so curious [...] to know what was to become of the Princess, that they could have wished not to have been interrupted; but yet without one Word of Answer, they comply'd with what their Governess thought most proper [...] (S. Fielding, Governess, 88)

In ihrem immer bereiten Gehorsam können die Figuren des Romans ihren Adressaten als Vorbilder dienen.

Eine Nutzanwendung aus dem Dargestellten für ein kindliches Publikum sieht der Roman nicht nur in dieser Hinsicht vor. Der Text ist in Abschnitte eingeteilt, die zum (Vor-)Lesen in Fortsetzungen einladen. Auch das Preface lädt explizit zum Ebenensprung ein:

Before you begin the following Sheets, I beg you will stop a Moment at this Preface, to consider with me, what is the true Use of Reading; and if you can once fix this Truth in your Minds, namely, that the true Use of Books is to make you wiser and better, you will then have both Profit and Pleasure from what you read. (S. Fielding, Governess, xiii)

Das Werk wendet sich an versammelte Kinder und will selbst auf unterhaltsame Weise zu der Erkenntnis führen, die dann detailliert vorgeführt wird.

The Design of the following Sheets is to prove to you, that Pride, Stubbornness, Malice, Envy, and, in short, all manner of Wickedness, is the greatest Folly we can be possessed of; and constantly turns on the Head of that foolish Person who does not conquer and get the better of all Inclinations to such Wickedness. Certainly, Love and Affection for each other makes the Happiness of all Societies; and therefore Love and Affection (if we would be happy) is what we should chiefly encourage and cherish in our Minds. (S. Fielding, Governess, xv)

Diese Lektion findet sich immer wieder in den vorgelesenen Geschichten.1 So endet das lange Märchen von der Prinzessin Hebe mit den Worten: "she [...] enjoy'd that only true Content and Happiness this World can produce; namely, A peaceful Conscience, and a quiet Mind" (S. Fielding, Governess, 91). Was jeweils vermittelt wird, ist ein bestimmtes Wissen über die Leidenschaften, das die Schülerinnen zur Grundlage ihres Handelns und ihrer Selbstkontrolle machen sollen. Die angenehmen Empfindungen sind mit moralischer Güte und mit Wohlwollen gegen die Mitmenschen gekoppelt, die eigensüchtigen Leidenschaften dagegen sind mit unlustvollen Gefühlen verbunden.2

Auf die Fähigkeit der Schülerinnen, eigenständig das vermittelte Wissen über die Leidenschaften anzuwenden, wird großer Wert gelegt. Es geht darum, die wesentlichen Lehren von der unterhaltsamen Verpackung zu trennen und sie für das eigene Verhalten wirksam werden zu lassen: "In order therefore to make what you read of any Use to you, you must not only think of it thus in general, but make the Application to yourselves" (S. Fielding, Governess, 37), prägt Mrs. Teachum ihren Schülerinnen ein. In diesem Sinne wird auch das Märchen von der Prinzessin Hebe exemplarisch interpretiert:

The Princess, you see, could have no Happiness till she returned again to her Obedience, and had confessed her Fault. And tho' in this Story all this is brought about by Fairies, yet the Moral of it is, that whenever we give way to our Passions, and act contrary to our Duty, we must be miserable. (S. Fielding, Governess, 93)

Für eine gewisse Bandbreite an möglichen Textsorten ist gesorgt. Voraussetzung ist die Bildung der Lese- und Interpretationsfähigkeit. So lesen die Schülerinnen auch einmal ein Theaterstück, und Mrs. Teachum ist weit davon entfernt, sie dafür zu tadeln:

[...] I like that you should know something of all kinds of Writings, where neither Morals nor Manners are offended; for if you read Plays, and consider them as you ought, you will neglect and despise what is light and useless, whilst you will imprint on your Minds every useful Lesson that is to be drawn from them. (S. Fielding, Governess, 101)

Auch das Theaterstück demonstriert die schon aus dem Vorwort bekannte Gleichsetzung von Soziabilität mit Glück auf der einen Seite, Eigensucht mit Unglück auf der anderen. Jenny Peace formuliert sie vorsichtig ("Folly, Wickedness, and Misery, all three, as constantly dwell together, as Wisdom, Virtue and Happiness do", S. Fielding, Governess, 104) und Mrs. Teachum elaboriert didaktisch:

'Tis very true [...] but this Moral does not arise only from the happy Turn in favour of the virtuous Characters in the Conclusion of the Play, but is strongly inculcated, as you see all along in the Peace of Mind that attends the Virtuous, even in the midst of Oppression and Distress, while the Event is yet doubtful, and apparently against them; and, on the contrary, in the Confusion of Mind which the Vicious are tormented with, even whilst they falsly imagine themselves triumphant. (S. Fielding, Governess, 104)

Der Roman gibt sich schließlich insgesamt als Illustration dieser Moral, die er unermüdlich einschärft. Denn alles beginnt im Garten der Schule, als allen der besondere Güteerweis eines Apfels zuteil werden soll, mit einem großen Streit darüber, wer den größten Apfel bekommt. Mrs. Teachums Dazwischentreten beendet zwar die körperliche Auseinandersetzung, doch die Versöhnung, die sie herbeiführt, ist eine erzwungene und verdankt sich ihrer Autorität als Schulleiterin. Sie kommt nicht aus den Herzen der Streitenden: "there remained a Grudge and Ill-will in their Bosoms" (S. Fielding, Governess, 6). Die generelle und aufrichtige Versöhnung, die den Sündenfall der Apfelkontroverse im Garten geradezu zur felix culpa werden läßt, führt die älteste Schülerin Jenny Peace herbei, indem sie ihre Mitschülerinnen einzeln zu der Einsicht bringt, daß sie selbst an ihrem eigenen Unglück schuld sind, indem sie durch Neid-, Eifersuchts- und Rachegefühle ihre innere Ruhe wie die Harmonie der Gemeinschaft zerstören.

Einsicht und Bekenntnis

Daß die Streitenden zu besserer Einsicht gekommen sind, bekunden sie mit dem Eingeständnis ihres Unrechts und dem Bekenntnis zur neuen Soziabilität und inneren Ruhe. Exemplarisch ist eine Szene zwischen Jenny Peace, der älteren, einsichtsvollen, und Sukey Jennett, einer elfjährigen eigensinnigen Schülerin, die folgendermaßen überschrieben ist: "A Dialogue between Miss Jenny Peace and Miss Sukey Jennett; wherein the latter is at least [sic] convinced of her own Folly in being so quarrelsome; and, by Example, all her Companions are brought to see and confess their Fault" (S. Fielding, Governess, 6).

Der Dialog beginnt damit, daß Miss Sukey Jennett jede Einmischung in Fragen ihres Benehmens zurückweist und Jennys Anspruch auf größere Vernünftigkeit die Anerkennung verweigert: "Indeed, Ma'am, I shall not answer you. I know that you only want to prove, that you are wiser than me, because you are older. [...] I don't like to have more than one Governess; and if I obey my Mistress, I think that is enough" (S. Fielding, Governess, 6). Doch Miss Sukeys Insistenz auf Kompetenzabgrenzungen und Nichteinmischung kann sich angesichts der Macht der Wahrheit, die Miss Jennys Diskurs innewohnt, nicht aufrechterhalten:

[...] as Miss Jenny was in the Right, and had Truth on her Side, it was difficult for Miss Sukey to know what to answer. For it is impossible, without being very silly, to contradict Truth: And yet Miss Sukey was so foolish, that she did not care to own herself in the Wrong; tho' nothing could have been so great a Sign of her Understanding. (S. Fielding, Governess, 7)

Miss Jenny hat Takt genug, nicht auf einer sofortigen Konversion zu bestehen. Sie begnügt sich fürs erste damit, der Widerstrebenden ins Gewissen zu reden:

Nothing will shew your Sense so much, as to own that you have been in the Wrong: Nor will any-thing prove a right Spirit so much, as to confess your Fault. All the Misses will be your Friends, and perhaps follow your Example. Then you will have the Pleasure of having caused the Quiet of the whole School; your Governess will love you; and you will be at Peace in your Mind [...] (S. Fielding, Governess, 8)

Miss Sukey hat trotz dieser Vorteile, trotz der wesentlich größeren Effizienz der ihr vorgeschlagenen Verhaltensweise, Schwierigkeiten mit der Unterordnung, ja der Demütigung, die das Eingeständnis ihres Unrechts mit sich bringt. Die Demonstration der eigenen geistig-moralischen Reife, die Zuneigung aller Mitschülerinnen und der Autoritätsperson, das Verdienst um das reibungslose Funktionieren der Schule und nicht zuletzt die eigene Seelenruhe sind nur um einen Preis zu erwerben: die öffentliche Selbsterniedrigung im Eingeständnis des eigenen Unrechts. Ein qualvolles nächtliches Selbstgespräch etabliert unter bitteren Tränen die Einsicht in das Unrecht ihres eigenen Verhaltens unabweisbar. Gezeichnet vom Widerstreit zwischen Unrechtsbewußtsein und Scham tritt sie am nächsten Morgen wieder in den Kreis ihrer Mitschülerinnen: "She knew it would not be possible to resist [Miss Jenny's] Arguments; and yet Shame for having been in Fault overcame her" (S. Fielding, Governess, 9).

Nun genügt der einfühlsamen Beobachterin bereits genau diese Erscheinung als Kundgabe der Zerknirschung und des Besserungsentschlusses. Bereits der Anblick, den Miss Sukey bietet, ist Eingeständnis des Unrechts:

As soon as Miss Jenny saw Miss Sukey with her Eyes cast down, and confessing, by a Look of Sorrow, that she would take her Advice, she embraced her kindly; and, without giving her the Trouble to speak, took it for granted, that she would leave off quarrelling, be reconciled on her School-fellows, and make herself happy.

Miss Sukey did indeed stammer out some Words, which implied a Confession of her Fault; but they were spoke so low they could hardly be heard [...] (S. Fielding, Governess, 9)

Miss Sukeys Anblick und die wenigen, kaum hörbar gestammelten Worte sind in diesem Moment schon genug: Gegen inneren Widerstand spricht sie vor der Mitschülerin, die sie zu diesem Geständnis veranlaßte, ihr eigenes Unrecht aus und erreicht so eine Läuterung, die in einer versöhnlichen Umarmung offenkundig gemacht wird.

Sozial und institutionell stabilisierende Bekenntnisse und die Wahrheit der Leidenschaften

"In the same manner", heißt es im Anschluß an Miss Sukeys Konversion, "did this good Girl, Jenny, persuade, one by one, all her School-fellows to be reconciled to each other with Sincerity and Love" (S. Fielding, Governess, 9). Der je individuellen Intervention von Jenny Peace gelingt also, was den generellen und auf Autorität gestützen Maßnahmen der Schulleiterin versagt blieb: die wirkliche Versöhnung der Kontrahentinnen miteinander. Indem jede einzelne Schülerin die Bedürfnisse der anderen als legitim vorauszusetzen lernt, treten die Mitglieder der kleinen Gemeinschaft in einen neuen Typ von Beziehung zueinander. Nun strebt man die Erreichung eigener Ziele nicht gegen die Interessen der anderen, sondern im größtmöglichen Einklang mit diesen Interessen an. Miss Jenny Peace ist die Gelenkfigur, die dieser Art von Machtbeziehungen nicht nur zum Durchbruch verhilft, sondern die auch von ihrer Stellung her für ihr Funktionieren wesentlich ist.

Schon die entscheidende Wende zum allgemeinen Guten wird nicht innerhalb einer Machtbeziehung herbeigeführt, in der die Abhängigkeit der einen Person möglichst groß ist, sondern im Gegenteil gerade im Rahmen einer Beziehung, die nur ein ganz geringes Machtgefälle aufweist. Auch wenn Jenny die älteste ist und das Vertrauen von Mrs. Teachum genießt, ist sie doch nur zwei bis drei Jahre älter als Sukey und streng genommen nur ihre Mitschülerin. Sie bewegt andere, weil sie über größere Einsicht verfügt. Sie hat die Wahrheit über die Leidenschaften und den rechten Umgang mit ihnen auf ihrer Seite.

Als Jenny Mrs. Teachum von der erfreulichen Sinnesänderung der Schülerinnen berichtet und um Erlaubnis für die gemeinsame instruktiv-unterhaltsame Freizeitgestaltung bittet, erhält sie dementsprechend eine leicht privilegierte Stellung zugewiesen3: "Mrs Teachum not only gave Leave, but very much approved of this Proposal; and desired Miss Jenny, as a Reward for what she had already done, to preside over these Diversions, and to give her an Account in what manner they proceeded" (S. Fielding, Governess, 19).

Der entscheidende Vorteil eines geringen hierarchischen Gefälles liegt nun darin begründet, daß in einem solchen Verhältnis die Individuen, auf deren Handeln eingewirkt werden soll, sich nicht dieselbe starke Zurückhaltung wie in der Gegenwart einer Autoritätsperson auferlegen. Mit der Einführung dieser kleinen Hierarchie gewinnt Mrs. Teachum auch einen verläßlichen Zugriff auf die Aktivitäten ihrer Schülerinnen in den schulfreien Zeiten, den ihre Autorität allein ihr nicht (oder nur mit wesentlich mehr Aufwand und dem Einsatz von Zwang) sichern könnte: Sie ist immer über alle Vorgänge informiert, da sie von Jenny Peace vor und nach den Zusammenkünften Bericht erhält. Die persönliche Anwesenheit der Schulleiterin wäre eher hinderlich, und es ist ein weiterer Fortschritt, wenn sie persönlich auftreten und ihrer Autorität gewiß sein kann, ohne daß sie sie tatsächlich einsetzen muß.4

Mrs Teachum had so much Judgment, that, perceiving such a ready Obedience to all her Commands, she now endeavour'd, by all means she could think of, to make her Scholars throw off that Reserve before her, which must make it uneasy to them for her ever to be present whilst they were following their innocent Diversions: For such was the Understanding of this good Woman, that she could keep up the Authority of the Governess in her School, yet at times become the Companion of her Scholars. (S. Fielding, Governess, 77)

Der neue Typ von Gemeinschaft ist nun in wesentlich höherem Maße als der alte darauf angewiesen, daß keine Schülerin versuchen wird, das Zusammenleben zu stören. Alle haben eingesehen, daß die Gemeinschaft so am besten funktioniert. Es ist jetzt diese Einsicht, die gewährleistet, daß die Schulleiterin sich auf Jennys sanfte Macht stützen kann, statt kraft ihrer eigenen Autorität die Abläufe steuern zu müssen.

Damit erhält aber die Einsicht und Einübung der Schülerinnen in den rechten Umgang mit den Leidenschaften eine weitere Dimension. Nicht nur kann sie die zukünftige Zufriedenheit in den verschiedenen Situationen, in die sie das Leben stellen wird, ermöglichen. Sie ist zugleich die Grundlage dafür, daß die Freizeitgestaltung, ja das gesamte Zusammenleben in der Schule reibungslos abläuft. Der neue Stellenwert der je individuellen Einsicht in die Wahrheit der Leidenschaften zeigt sich schon darin, daß das Vermitteln dieser Einsicht im Mittelpunkt der Instruktion stand, die jeweils aus den gemeinsamen Lektüren zu ziehen war. Er zeigt sich aber noch viel eindringlicher in der Tatsache, daß ein bedeutender Anteil der gemeinsamen Freizeitgestaltung der Kinder jetzt davon eingenommen wird, daß sie — wieder nach dem Vorbild Jennys — ein umfassendes Bekenntnis ihrer eigenen Lebensgeschichte unter Hervorhebung ihrer ehemaligen Hauptlaster und -leidenschaften bis hin zu ihrer Konversion im Anschluß an den Streit um den größten Apfel ablegen. Es kommt zum öffentlichen und rituellen Nachholen der inauguralen Konfessionen, dieses Mal in einem gesicherten sozialen Rezeptionsfeld, zu dessen Stabilität die Bekenntnisse gerade beitragen.

Nachdem Jenny Peace sich durchgesetzt und eine allgemeine herzliche Versöhnung herbeigeführt hat, bedarf es eigentlich nicht mehr des Nachweises, daß sie nicht aus Dominanzstreben, sondern aus lauteren Motiven handelte. Doch erzählt sie ihren Mitschülerinnen zur deren Befestigung in der neuen Soziabilität und der neuen Denkungsart, der sie entspringt, die Geschichte ihres bisherigen Lebens.

Now [...] that I am sure you are convinced what I have said and done was not occasioned by any Desire of proving myself wiser than you, as Miss Sukey hinted while she was yet in her Anger, I will, if you please, relate to you the History of my past Life; by which you will see in what manner I came by this Way of Thinking [...] (S. Fielding, Governess, 12)

Jenny Peaces Bericht über die beherzigenswerten Lehren ihrer früh verstorbenen Mutter wird zum Modell für andere Schülerinnen, die ebenfalls allen über ihren inneren Werdegang und ihre Fortschritte in der Verinnerlichung des Wissens über die Leidenschaften geben sollen:

[...] I must beg that every one of you will some Day or other, when you have reflected upon it, declare all that you can remember of your own; for, should you not be able to relate anything worth remembering as an Example, yet there is nothing more likely to amend the future Part of any one's Life, than the recollecting and confessing the Faults of the past. (S. Fielding, Governess, 12)

So kommt es zu einer Verschränkung der bereits charakterisierten instruktiven Lektüre mit den persönlichen Bekenntnissen früherer moralischer Unzulänglichkeiten, die alle in den glücklichen Moment der Konversion durch die Intervention Jennys münden. Häufig werden gar Darstellungen bestimmter Untugenden in den Geschichten zum Anlaß für das zerknirschte Bekenntnis einer bestimmten Schülerin, vor der Hinwendung zur neuen Soziabilität einem besonderen Laster verfallen und deswegen unendlichen inneren Qualen ausgesetzt gewesen zu sein. Erst mit der Einsicht und dem nun öffentlich nachgeholten Eingeständnis der Verfehlung sei sie zur Ruhe gekommen.

So löst beispielsweise eine Bemerkung von Jenny Peace nach der Lektüre der Geschichte von "Caelia und Chloe" die Erzählung der nächsten Lebensgeschichte aus:

[...] Miss Jenny begged them to observe from this Story, the miserable Effects that attend Deceit and Treachery: For, continued she, you see you could not refrain from Tears, only by imagining what Chloe must feel after her Wickedness [...]: Nor could she enjoy one Moment's Peace, till by confessing her Fault, and heartily repenting of it, her mind was restored to its former Calm and Tranquillity. (S. Fielding, Governess, 52)

Daran schließt sich bruchlos an:

[...] Miss Lucy Sly was most sensibly touched with this Story, as Cunning had formerly intirely possessed her Mind; and said [...] she would now recount to them the History of her Life, as this Story was a proper Introduction to it. (S. Fielding, Governess, 52)

Der sprechende Name verrät bereits, daß Falschheit und Verschlagenheit hier die zu bekennenden Fehler sind, und belohnt wird die Selbstdiskursivierung mit einem Lob für die "free Confession of her Faults" (S. Fielding, Governess, 54).

Das Bekenntnis, so zeigen die Geschichten wie die Lebensberichte, hat eine doppelte Funktion: Bei einer besonderen Verfehlung reinigt es und stellt die Ruhe und soziale Verträglichkeit wieder her, die die Verfehlung vorübergehend gestört hatte; generell, als Rechenschaftsbericht über das bisherige Leben, dient es der eigenen Befestigung in einem erreichten Zustand der Tugend und der inneren Ruhe und dementsprechend der Versicherung der Gemeinschaft, daß keine weitere Störung zu erwarten ist. Diese Erwartung ist ihrerseits wieder dadurch begründet, daß das Individuum ein bestimmtes Wissen über die Leidenschaften als wahr akzeptiert, das individuelle und allgemeine Zufriedenheit aneinander knüpft. In diesem Sinne bekundet etwa Miss Nanny Spruce:

[...] I am very happy now in having no Thoughts but what my Companions may know; for since that Quarrel, and Miss Jenny Peace was so good as to shew me what I'm sure I never thought of before, that is, that the Road to Happiness is by conquering such foolish Vanities, and the only way to be pleased is to endeavour to please others, I have never known what it is to be uneasy. (S. Fielding, Governess, 97 f.)

Vom katholischen Beichtstuhl über das stille Bekenntnis nach dem Muster des Frömmigkeitshandbuchs bis hin zu seiner vielfältigen Verwendung in der Onania diente das Bekenntnis dazu, eine je spezifische Beziehung zwischen Subjekt, Wahrheit und Leidenschaft herzustellen. Auch in diesem Text entfaltet es eine spezifische Wirkung. Es verbürgt die Wahrheit des Wissens über die Leidenschaften, das der Roman vermitteln will. Es ist die Form, in der die einzelnen Schülerinnen die Wahrheit über ihre Identität aussagen. Und es ist ein öffentliches und gemeinschaftbegründendes Ritual, welches das Funktionieren des Zusammenlebens und damit auch das Funktionieren des Mädcheninternats als Institution unterstützt.

Aus diesem Grund besteht auch ein institutionelles Interesse an der Dokumentation der Bekenntnisse:

Mrs Teachum had a great Inclination to hear the History of the Lives of all her little Scholars: But she thought, that being present at those Relations might be a Balk to the Narration, as perhaps they might be ashamed freely to confess their past Faults before her; and therefore, that she might not be any Bar in this Case to the Freedom of their Speech, and yet might be acquainted with their Stories (tho' this was not merely a vain Curiosity, but a Desire by this means to know their different Dispositions), she called Miss Jenny Peace in to her Parlour after Dinner, and told her, She would have her get the Lives of her Companions in Writing, and bring them to her; and Miss Jenny readily promised to obey her Commands. (S. Fielding, Governess, 40)

Nicht eitle Neugier, sondern der Wunsch, Einsichten in die individuelle Veranlagung ihrer Schülerinnen zu bekommen (und sie so besser lenken und leiten zu können), läßt Mrs. Teachum an den Bekenntnissen interessiert sein. Wieder wäre ihre Gegenwart ein Hemmnis für die Offenherzigkeit der Sprecher, und daher ist die anschließende Niederschrift durch Jenny Peace das geeignete Mittel, um Kontrolle und optimale Informiertheit der Schulleiterin zu sichern.

Daß die Bekenntnisse deutliche Zeichen der Nachahmung des Vorbilds von Jenny Peace tragen, tut ihrem Nutzen keinen Abbruch. In der Bereitschaft, diesem Vorbild nachzueifern, sieht die Schulleiterin im Gegenteil das hoffnungsvollste Anzeichen dafür, daß die Schülerinnen die Lektion gelernt haben, daß nur allseitige Beglückung jedem einzelnen den ruhigen Genuß eines geteilten Glücks beschert:

Mrs Teachum, when she had perused them, was much pleased; and said, that she perceived, by the manner in which her Scholars had related their Lives, how much they were in Earnest in their Design of Amendment. 'For (continued she) they have all confessed their Faults without Reserve; and the untowardly Bent of their Minds, which so strongly appear'd before the Quarrel, has not broke out in these their little Histories; but, on the contrary, they all seem, according to their Capacities, to have endeavoured at imitating your Stile, in the Account you gave of your own Life. (S. Fielding, Governess, 111)

Der Ernst, mit dem die Mädchen nach Jennys Vorbild sich ein Bekenntnismodell zueigen gemacht haben, bezeugt gerade die Integrationsbereitschaft, die ihnen vorher fehlte. Was die Schulleiterin an den Bekenntnissen schätzt (und was, wie gezeigt, den jungen Lesern ebenfalls zur Nachahmung empfohlen wird), ist weniger die Qualität der Einsichten, die für die Bekennenden selbst im Vordergrund steht, als vielmehr die Bereitschaft, sich einem Diskursivierungsritual zu fügen, das das Versprechen von persönlichem Glück und sozialer Anerkennung über den Imperativ vorbehaltloser Versprachlichung des eigenen Selbst miteinander verknüpft und zugleich die Bereitschaft des Individuums zur Beförderung des allgemeinen Glücks bekundet.

Geständnisform und Geschlechtlichkeit

Mrs. Teachums Schülerinnen sind, mit Ausnahme der vierzehnjährigen Mrs. Jenny, zwischen acht und elf Jahren alt. Sie haben damit noch nicht das Alter erreicht, das in den Zuschriften an die Onania in der Regel als Einstiegsalter genannt wird. Die Onania selbst hat auf der anderen Seite zu Mädchenpensionaten einiges zu sagen. Schon in seinem Vorwort schreibt der Verfasser im Rahmen einer Klage über die unheilvolle Omnipräsenz des Lasters der Selbstbefleckung beschwörend:

[...] would all Mistresses of Schools [...] (those of Boarding-Schools especially) have a watchful Eye upon the Conduct of their pretty Scholars, and pry more narrowly into their Behaviour, in their secret Retirements, the many sad Consequences spoke of in Page 12, 13, 14, 15, 20, 21, 22, and 23, following, might be prevented, which to my own Knowledge, several of them, through such Wantonness, have brought upon themselves; I having been several times consulted with about retrieving such Abuses, by their sorrowfully astonished Parents [...] (Onania iv f.)

Mrs. Teachums Interesse für die Freizeitaktivitäten ihrer Schülerinnen und ihre Sorge um deren moralisch nützliche Beschäftigung erscheint vor diesem Hintergrund als vorbildlich. Dasselbe gilt für ihre Bemühung, Informationen über ihre Schützlinge zu sammeln, die nicht durch die Präsenz einer Autoritätsperson verfälscht sind.

Den Schülerinnen fällt hier wie dort die Rolle zu, ein Bekenntnis abzulegen.

[...] though the seeming Modesty of those fair Pupils before their Superiours, may give no room for their being thought guilty of such Practices, I am credibly inform'd, it is now become as frequent amonst Girls, as Manufriction is amongst Boys; and a Gentleman of great Distinction, (my good Friend) whose Veracity I can depend upon, has told me some Years since, that the Governess of one of the most eminent Boarding-Schools we then had, did, with Tears in her Eyes, inform his Lady, that She had surpriz'd and detected some of her Scholars, (to her great Astonishment and Concern) in the very Fact: and who upon Examination confess'd, that they very frequently practis'd it, cum Digitis & aliis Instrumentis, and that chiefly those of them from the Age of about 15 or upwards. (Onania v)

Der Verfasser ist bemüht, die Aufmerksamkeit von Schulleitern auf das Problem der Onanie zu lenken. Mit Überwachung und Wissensvermittlung sollen diese ihre Schützlinge vor dem lebenslangen Unglück, das die Masturbation über die Körper der ihr Verfallenen bringt, von der ewigen Verdammnis einmal ganz abgesehen, bewahren. Nach einiger Zeit erhält er Zuschriften mit Erfolgsmeldungen.

[...] being a Schoolmaster, and having several Times surpriz'd both my Boarders and other Scholars at the Practice which your Book justly reprehends, I read to them as occasion offer'd, those Paragraphs, wherein you so wisely and truly condemn the Enormity thereof; insomuch that together with the Letters, shewing the sufferings of many Youth [sic] thereby, I have Reason to believe it has deterr'd them all, even to a single Boy, from that Practice for the future. My Spouse has a Sister in the same City where I dwell, that keeps a Boarding-School for Girls; and she having told her several Times, with concern, of some vile Practices that way in the elder Girls, who she has caught, I got another of the Onania's and sent it her by my Wife, first turning down the Parts of the Book that relate to that Sex, and which I hear has had a very good Effect, as it has drawn them into a Confession of that abominable Crime with Tears, and Resolutions to abandon it for the future. [...] (Onania 163)

[...] I heartily wish it may have with all, the same Success it has had with the Youth of both Sexes under Mine and my Sister's Care. (Onania 164)

Ein anderer Schulleiter nähert sich in seiner pädagogischen Praxis noch mehr den Verhältnissen in Mrs. Teachums Schule an, indem er das Wissen der Onania zum Gegenstand einer überwachten nicht-kurrikularen Aktivität seiner Schüler macht:

I have, by the Method I have taken, effectually prevented that foul Practice in my School; and the better to inculcate the Danger of it in the Minds of the Youth under my Care, I have collected the Injuries and sad Instances you have taken Notice to have accrued thereby; together with the wholsome Admonitions therein laid down, and turn'd them into Latin, the more to be observ'd; and do oblige the Head of every Form to Read Audibly to the rest, such a Part as I appoint, twice in every Week, to raise a detestation in them of it; and I could wish that every other School-Master in the City and Country would do the like. (Onania 162)

Hier wie in The Governess fällt einem leicht privilegierten Schüler die Rolle zu, den Mitschülern Texte vorzulesen, aus denen sie Warnungen und Lehren für das ganze Leben gewinnen sollen. Die lateinische Übersetzung dürfte muttersprachlichem Leichtsinn vorbauen und dient selbstverständlich der zusätzlichen Bildung.5

Der Aufweis dieser aufeinander beziehbaren Elemente soll nicht die unübersehbaren Unterschiede in Zustandekommen, Inhalt und Rezeptionskontext zwischen den beiden Texten verwischen. Gemeinsam ist ihnen aber der massive Einsatz des Bekenntnisses sowie die Tatsache, daß im Bekenntnisakt eine je spezifische Wahrheit der Leidenschaften ausgesagt wird, um deren Verbreitung es dem Text insgesamt zu tun ist. Schließlich lassen sich die Texte an ähnliche lokale Zentren von Macht-Wissen anschließen. Sollte ein Kind von einer Autoritätsperson bei der Onanie ertappt werden, so können die in der Governess vorgeformten Geständnisprozeduren aktiviert werden. Umgekehrt lassen sich die Sozialisierungsmuster, die Unterrichts- und Überwachungsstrukturen, die die Governess vorführt, wie die zitierten Briefe von Schulleitern belegen, auch in Onaniefragen verwenden.

Insgesamt sollte aus der Betrachtung der durchaus heterogenen Kontexte — Seelsorge, Pädagogik, Geschlechterrollen und -konzeptionen — nicht nur deutlich werden, in welcher Weise sich die Elemente des Frömmigkeitshandbuchs aufgenommen finden. Es ging auch darum, jeweils herauszuarbeiten, wie Bekenntnis, Wahrheit, Keuschheit usf. je ganz spezifische Faktoren in bestimmten Situationen darstellen, wie sie Aktionen ermöglichen und die Basis für Interventionen formen. Wenn in einem gegebenen Zusammenhang auf bestimmte Elemente des Frömmigkeitshandbuchs zurückgegriffen wird, so geschieht dies nicht im Zuge von überpersönlich und gesamtkulturell ablaufenden Entwicklungen, an denen das Individuum oder der einzelne Text teilhaben oder denen sie sich widersetzen können. Jeder Einsatz von Unterweisung, Keuschheitshandlungen und Bekenntnisform geschieht, weil er an der Stelle, wo er stattfindet, einen zumindest teilweise erwünschten Effekt erzeugt, um dessentwillen er vorgenommen wird. So zeigten die Analysen auch die Modifikationen, die sich einstellen, und die Möglichkeiten, die eröffnet werden, wenn Elemente aus dem Ausgangskontext 'Frömmigkeitshandbuch' in neue Zusammenhänge treten. Charakteristisch bleibt, daß sie in allen Fällen dazu führen, daß Geschlecht und Leidenschaften unter dem Aspekt ihrer Wahrheit problematisiert werden.


  1. Die Lektion wird noch ergänzt durch die Bemerkung, daß die Freundschaft einen nicht blind für die Mängel des Freundes machen darf und daß man Freunde, die einen zur Pflichtverletzung verführen wollen, als falsche Freunde unbedingt zu meiden hat (vgl. Governess xv).
  2. Die gleiche Sorge um die kindliche Einübung in die rechte Beherrschung der Leidenschaften findet sich in anderen zeitgenössischen Büchern für die Jugend. So schreibt John Newbery in dem 1744 erschienenen Pretty Little Pocketbook: "Happiness and Misery have their Source from the Passions [...] Subdue therefore your Children's Passions; curb their Tempers and make them subservient to the Rules of Reason. And this is not to be done by chiding, whipping, or severe Treatment, but by Reasoning and mild Discipline [...]" (p. 9 f.). Eine 1756 erschienene anonyme Adaptation der Werke Richardsons für die Jugend beginnt mit folgender Vorbemerkung: "It is universally allowed by all moralists, that the most important part of education is implanting in the minds of youth, maxims of religion and virtue, and teaching the young inexperienced heart to govern its passions. To answer this purpose, it is necessary to show, that only the path of virtue leads to pleasure, tranquility, and honour; [...] that a mind unruffled by turbulent passions can alone enjoy the sweets of peace [...]" (The Paths of Virtue Delineated [...], p. iii).
  3. Als Jenny am Ende des Buchs die kleine Schule verläßt, um zu einer aus dem Ausland zurückgekehrten Tante zu gehen, wird Mrs. Teachum ihre Nachfolgerin bestimmen: "She will direct who shall preside over your innocent Amusements in my Place" (Governess 123).
  4. Vgl. a. Governess 102.
  5. Es wurde bereits vermerkt, daß auch die Whole Duty of Man 1680 als Officium Hominis der lateinlernenden Jugend zur Verfügung gestellt wurde.