Menantes, Satyrischer Roman (Hamburg: Benjamin Wedel, 1705).  


 

Satyri-|rischer| ROMAN,| In| Unterschiedlichen, lustigen, lä-|cherlichen und galanten| Liebes-Begebenheiten.| von| Menantes.| [Linie]| HAMBURG,| [Linie]| Verlegts Benjamin Wedel.| 1706*



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Vorrede.
Hochgeneigter Leser.

EHe demselben die Ursach melde, warum einen Satyrischen Roman von siebenzehn Bogen* in den Druck gegeben, so befinde mich verbunden, meine auffrichtige Meynung von den Satyren zu entdecken. Diese sind nichts and-|<[iii]>ers, als eine Durchziehung der Laster der Welt, welche man an statt einer ernsthafften mit einer lächerlichen und ungeheuchelten Manier abzuschildern bemühet ist; und weil in der Liebe die grösten und possierlichsten Schwachheiten vorgehen, so kan es einem wohl selten an Materie in Satyrischen Romanen mangeln. Nun ist der Fehler, anderer Leute Thorheiten zu tadeln, und seine eigene dabey nicht zu erkennen, uns mehrenteils so sehr, als die ungereimte Eigen-Liebe angebohren, alle zeit mehr als andere Leute seyn wollen; und aus dieser Qvelle|<[iv]> unserer verdorbenen Neigungen entspringen die meisten Satyren. Demnach können wir nicht läugnen, daß es eine so üble als gefährliche Profession: Denn ob wohl einige in den Gedancken stehen, ein Mensch, der an allen was zu tadeln finde, und dem nichts könne recht seyn, müsse viel Verstand besitzen, und sey dadurch Estims-würdig: So urtheilen dergleichen Leute dennoch falsch, und wird mir keiner abstreiten könen, daß weniger Verstand, schlimm, als gut zu seyn erfodert wird. Das Hertz, so von Natur zum Bösen geneigt, arbeitet bey|<[v]> schlimmen Erfindungen um desto mehr an geschickten und Sinnreichen Redens-Arten, seine Schalckheit auszudrücken; und ein mittelmässiger Verstand, der durch ein übles Hertz unterstützet ist, kan der ohne dis zum bösen inclinirten Welt leicht ein Blendwerck vor die Augen machen, als ob er was wunderwürdiges in sich hege: da hingegen ein edles und tugendhaftes Gemüht mehr Schwierigkeiten findet, durch lauter gute und auf des Nechsten Ruhm gegründete Sachen zu gefallen, weil die meisten nur was schlimmes von andern wün-|<[vii]>schen, üm durch frembde Untugenden ihre eigene, wiewohl offt wenige Qvalitäten schätzbahrer zu machen.

Demnach ist es so wenig rühmlich, Satyren zu schreiben, als einem Autori, der sich auff diese Profession mit so grossem Vergnügen und Fleiß leget, vorteilhafftig: Denn wenn man, was das erste anbelangt, von den meisten Satyren, die Lüge, Verläumdungen, und kurtzweilige Einfälle absondert, wird man sehr wenig gründliches und recht verständiges darinnen finden; und|<[vii]> der Nutzen, den die Herren Verfasser daraus ziehen, bestehet mehrentheils darinnen, sich welche neue Feinde und Verfolgungen mit grosser Scharfsinnigkeit zu wege zu bringen. Meinem allerbesten Freunde habe also öffters bey seiner Poesie die Erinnerung vorgelesen:

 

Hat deine Muse noch Satyren nicht vermieden?

Ein schlimmes Handwerck ist, Verläumdungen zu schmieden,

In Garten dieser Kunst, wo sonsten Rosen blühn,

Aus fremdem Augen sich den Dorn ins Hertze ziehn,

Vor Blumen, die Gedult und Sanfftmuht auf uns streuen,

An Neider-Nesseln sich in Strafen zu erfreuen.

An andern böses sehn, hat offt die Frucht gebracht:

Selbst weinen, daß dabey ein Schlimmer Leser lacht.

 

Viel besser ist demnach, wenn man ja von andern Leuten schrei-|<[ix]>ben wil, nichts als Lob-Reden zu verfertigen, und die allergrösten und offenbahrsten Laster, die hundert mahl begangen worden, eine kleine Ubereilung zu nennen, und sie mit der allgemeinen und vor nichtswürdige Leute trostreichen Maxime zu entschuldigen: daß niemand ohne Fehler und der allervollkommenste ihrer nur wenig habe. Und was mittelmässige Thorheiten anbetrifft, so vergleiche man deren Besitzer der Sonnen, welche nicht auffhöret, das gröste Licht der Welt zu seyn, ob sie gleich einige Flecken an sich hat: Ich versichere, man wird dadurch mehr Freunde finden, als|<[x]> ein Tugend-Liebender verlanget.

Ja giebt es an vielen Orten Weiber-Stipendia,* dadurch manchem ehrlichen Kerl unter die Armen gegriffen wird: so ist nicht zu zweifeln, daß durch sothane Defension der menschlichen Schwachheiten ein Scribent eine jährliche Pension, wie der Pabst einen sehr reichen Tribut von den Galanterie-Häusern in Rom, und endlich ein so treffliches Begräbniß, wie der berühmte Frauen-Lob von allerhand Sorten von Leuten erhalten werde.|<[xi]>

Gleichwohl lernt mir mein Spiegel einen Menschen kennen, der die üble Eigenschafft durch alle so vernünftige Reflexiones nicht abgewehnen kan, alles bey seinem rechten Nahmen, eine Katze, eine Katze, einen verliebten Wurm einen Narren, und eine H - - eine Maitresse zu nennen. Er weiß zwar wohl, daß man eher was schlechtes als gutes erkennen kan, und daß bey lächerlichen und durchhechlungs-würdigen Sachen andern die Augen zu öffnen, noch lange vor keinen so grossen Verstand geschätzet werde, als recht gute und schöne Eigenschafften an etwas zu entdecken; indem solche weit rarer und viel schwerer zu finden: Aber eben dieses, weil solche rar und schwer zu finden, hat ihn bewogen, sich so lange mit schlimmen zu behelfen, bis die schönen Qualitäten der verliebten und galanten Welt mit weniger Müher werden zu erkennen seyn.

Ausserdem könte seine Art zu schreiben damit gerechtfertiget werden, daß von seinem Nächsten dieses nichts böses sagen heist, was man mit Grunde der|<[xii]> Wahrheit und Verstand sagen kan, sondern es heist, ihm dasjenige böse nur zu entdecken, welches er an statt des Guten zu besitzen sich angelegen seyn läßt; und ein Autor der in seinen Schrifften keinen andern als diesen Vorsatz hat, wird weder boßhafft noch übel Satyrisch seyn, und indem er alle Welt in einer edlen Art zu leben unterrichtet, untugendhaffte auf keine andere Manier beleidigen, als die in lustigen Erfindungen geschickte Holländer viele närrische Originale, deren Portrait sie mit so natürlichen Farben in ihren possierlichen Schildereyen entworfen.

Vor das andere würde können eingewendet werden, daß man in recht Satyrischen Büchern nur die Laster, aber nicht die Personen durchzustriegeln suche, und es einem Scribenten, der die Fehler der Menschen corrigiren wolle, fast unmöglich sey, nicht Bildnisse zu machen, die nicht welchen lebendigen Originalen gleichen solten. Allein wie es eine Boßheit, jemanden öffentlich und unschuldig zu beschimpfen, so ist es auch keine Tugend, von einem Autore zu glauben, er habe ein|<[xiii]> gewisses Absehen gehabt, welche Personen besonders anzugreiffen. Wer in Conversation alle Worte auf die Wag-Schaale leget, und nach seinem Gefallen übel ausdeuten will, verdienet den Ruhm eines unnützen Zänckers; Und die bey Moralischen und Satyrischen Tractaten die Personen wollen errahten haben, welche man darinnen lasterhafft aufgeführet, sind malicieuse Gemühter, die an den Zweiffel, daß sie wohl irren könten, sich gar nicht kehren, und durch ihre Nasenweise Erklärung Leute beschimpffen, an die der Autor wohl selten gedacht. Menschen haben nicht das Recht, von der Intention oder Gedancken zu urtheilen, denn solches hat sich eine höhere Weißheit vorbehalten.

Allein weil zu befürchten, alle diese Gegen-Gründe möchten von vielen, denen die Medisance mit der Fatalité von Ohrfeigen und Reprimanden zugleich angebohren, sonder Consideration verworfen werden; und ich mit denen Personen, die sich vieler Fehler schuldig wissen, und deswegen alle Satyren mit Augen vol-|<[xiv]>ler Mißtrauen ansehen, annoch ein sehr grosses Mittleiden trage: So habe nur einen Satyrischen Roman von 17. Bogen verfertigen wollen, da sonst mit einem noch einmahl so grossem würde auffgewartet haben

Hochgeneigter Leser

Dessen
Dienstfertigster

Menantes.



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Satyrischer
R O M A N.

TAum hatte Tyrsates,* der auf Abendtheur im Lande herum zog, die schöne und fruchtbare Gegend erreichet, wo die Saale sich mit der Schiffreichen Elbe vermählet,* als von den Meißnischen Gräntzen ein Murmeln oder Gethöne sich in den Lüfften hören ließ, das ihm sein gleichsam fliegendes Pferd in Zaum zu halten bewog. Er gab diesem ungewöhnlichen und lamentablen Geräusche aufmercksames Gehör, konte aber nicht ersinnen, ob es eine Heerde außgerissener Bienen-Schwärme oder etliche tausend ausgestöhrte Wespen Nester wären, die bey den angehenden Ernde-Tagen sich in die herum liegende Obstgärten theilen wolten, oder was es sonst bedeuten möchte; darum ritte er allmählig und in Gedancken an dem Lust-reichen Saal-Fluß hinauf.

Unverhofft hörte er aber jemanden klagen: Hier sitz ich unglückseeliger, und vermische meine Thränen mit diesem Strohm, der ich in dem Schooß der annehmlichsten Person länger ruhen können! Ach daß ich nicht alle Mittel zu ihrer Genesung angewendet, und sie in|<2> einer Zeit sterben lassen, da Brust und Lippen die süßesten Früchte zu tragen begunten, und die Ernde ihrer Rosen-vollen Jugend erst angieng! Nun muß ich statt der vorigen Caressen den traurigen Klang der Klocken zu ihrem Begräbniß hören. Ach daß ich meine Ohren vor dem betrübten Thon verstopffen könte, der aus Salaugusta* hieher schallet! Doch dein Wünschen ist vergebens, und was dich am meisten kräncket, so weiß ein jederman: Daß du an ihrem Tode schuld.

Damit schwieg dieser unglückseelige Verliebte still, und setzte den Tyrsates in nicht geringes Erstaunen, daß das Summen der Luft das Begräbnüß-Geläute einer erblasten Schönen seyn solte, die ihr Amant, wie es schiene, selber üms Leben gebracht.

Er machte sich schon wunderliche Gedancken darüber, und weil er bey so ängstlichen Klagen besorgte, er möchte aus Verzweiffelung, die sehr verliebten Leuten gar oft zustosse, sich endlich in den Thränen der Saale ersäuffen, sprang er vom Pferde, und machte sich aus angebohrner Gutartigkeit zu demselben mit geschwinden Schritten.

Dieser noch unbekannte Amant mochte jemanden hinter sich vermercket haben, denn er tauchte ein Schnuptuch sofort ins Wasser, wischte damit die Augen und Wangen ab, und sagte laut:
 

So fließt ihr letzten Thränen hin,

Und saget: wer ich vor gewesen.

Doch laßt ihr muntren Augen lesen,

Daß ich nun wieder meine bin|<3>
 

Damit wendete er sich mit einem frischen Anblick nach Tyrsates, und erweckte in selbigem eine grosse Verwunderung, daß eine verliebte Seele in dem Augenblick weinen und in dem andern lachen könne.

Ich wolte bey meinem Herrn, fieng Tyrsates an, meine Condolentz wegen des sie betroffenen Trauer-Falls gleich ablegen, als die wunderbahre Veränderung mich veranlasset, vielmehr eine freudige Gratulation über ihre in solcher Begebniß erwiesenen Großmuth abzustatten.

Die Gratulation, antwortete der Amant, solte mir von ihrer Höflichkeit angenehmer als eine Condolentz seyn, ob ich gleich die erste nicht sonderlich verdiene, weil meine Trauer vor keiner großen Wichtigkeit, und solche bey ihrer Gegenwart nicht zu verbannen, ein grosser Fehler wäre.

Wofern meine Person zu der Gemüths-Ruhe der Verliebten was beytragen könte, erwiderte Tyrsates, würde ich bey aller Welt mehr beliebt seyn, als so; allein so schreibe viel ihrer Gefälligkeit zu, und solte ihre itzige Conduite fast eine kluge Verstellung nennen, indem der Verlust eines geliebten Frauenzimmers bey tausenden der allerschmerzlichste.

Zwar schmertzlich, versetzte der andere, aber von keiner langen Dauer denn ein durchgebrochener Damm überschwämmt zwar alles, verläuft sich aber bald; und der Himmel gebe mir vor anderes Unglück dergleichen Todes-Fälle viel, so wird das natürliche Feuer, welches durch die Blicke eines annehmlichen Gegen-|<4>standes alsobald in volle Flammen geräth, endlich je mehr und mehr erkalten, und mich zu einer edlen Gleichgültigkeit in der Conversation mit Frauenzimmer gewehnen.

Tyrsates rühmte zwar diesen artigen Wunsch, wurde aber bey sich in der Meynung gestärcket, daß er an dem Tod seiner Geliebten Schuld sey, weil er selbigen so bald vergessen könne; und da er sich aus dem gantzen Handel nicht zu finden wuste, bat er um geneigte Eröffnung seiner Liebes-Begebenheit. Er erhielte sein Suchen gar leicht, indem der andere aus einem geheimen Triebe Tyrsates zu lieben verbunden war, und aus seinem gantzen Wesen schloß, daß sie von einerley Gemühts-Art seyn würden.

Sie liessen sich beyde auf einem mit frischen Graß bewachsenen Hügel auf dem Ufer der Saale nieder, alwo sie Salaugusta gerade im Gesicht hatten, und der Unbekandte wolte eben seine Rede anfangen, als des Tyrsates Diener mit grossem Geschrey herzu gelauffen kam: es sey ein grosses Abendtheuer vorhanden, und wo sie wolten Beschützer Jungfräulicher Keuschheit seyn, müsten sie keinen Augenblick versäumen. Beyde erachteten vor ihre gröste Schuldigkeit, einem so bedrängten Kleinode zu Hülfe zu kommen, liessen sich also geschwind von dem Diener hinführen, wo eine so schmertzhafte Opferung solte geschehen.

Der Diener, der vorangieng, kroch endlich in ein kleines Lust-Gehöltze hinnein, und war kaum sechs Schritte fortgeschlichen, als er stille stund, und mit dem Hände-Wincken zu verstehen gab, daß die|<5> der Hülfe benöhtigte Schönheit nicht weit von hier sey. Tyrsates und der Unbekandte hielten nicht vor rahtsam, sich zu verbergen, da ein Entsatz der belägerten Lucretien geschehen solte, und wunderten sich allein, warum man kein bey Stürmen gewöhnliches Geschrey hörte, wenn der Feind so nahe. Dahero muthmasseten sie, die Vestung würde in letzten Zügen liegen, und avancirten des Dieners Wincken ohngeachtet. Allein die Stimme einer seufzenden Person bewegte sie zum still stehen, um die Worte zu vernehmen, die sie sonder Zweiffel mit euserster Hertzens-Angst hervor brachte:

Ach ungerechter Himmel! Der du ein Schutz der leidenden seyn wilst; Warum hast du den Menschen so ungleiche Sinnen eingeflösset, daß, da sie einander solten zum Vergnügen geschaffen, sie eines des andern Hencker seyn müssen. Hast du darum dem Frauenzimmer so schwache Kraft verliehen, um sie den grausamsten Anfechtungen der Männer desto eher zu unterwerfen, so bin ich die Allerunglückseligste, weil ich eben an einen unbarmhertzigen Tieger und keinen Menschen gerathen. Ach Castrato! Wie gehet ihr mit mir um.

Sie wolten hierauf gleich hinzu rennen, weil sie aber den so genannten Castrato auch reden hörten, meinten sie aus seiner Antwort um so viel eher zu schliessen, wie strafwürdig er sey.

Redet doch einmal, als eine Dame, die in der Welt zu leben weiß. Wenn der Himmel daran schuld, daß er mir so ungleiche Sin|<6>nen gegeben, was klaget ihr denn über mich. Ja wenn ich der grausamste bin, so erweiset euch als die Großmühtigste, um alles dasjenige gedultig auszustehen, worzu euch die unveränderliche Regungen meinem Hertzens zwingen.

Bedencket doch nur, wolte sie antworten, er aber fiel ihr in die Rede: Ey was Bedencken, ich habe lange genug darauf gedacht, und nun thut ihr am besten, wenn ihr daraus ein Vergnügen macht, was eine Unmöglichkeit zu ändern. So meint ihr Grausamer denn erwiederte sie mit zorniger Stimme daß ich meine Ehre umsonst verschencken soll? Meine Ehre ist so kostbar, als die eurige, war seine Gegenrede, und die Zeit nicht unnütz zu verschwenden, so muß ich thun, was meine Vergnügung erfodert. O verfluchter Barbar! O ihr Sterne!

Diese Worte hatte sie kaum ausgestossen, als unsere beyde Beschützer der Tugend durch das Gebüsch drungen, und dem Orte zu eilten, wo der Jungfräuliche Ehren-Schänder zu finden. Sie sahen auch bald einen gehen, der vermuthlich vor sie die Flucht zu nehmen suchte, darum, weil sie das Frauenzimmer unweit davon auf der Erden knien sahen, liefen sie aus Lob-würdiger Rache mehr jenem nach, als daß sie bey dieser stillstehend eine schöne Probe ihres edlen Gemüths solten aus den Händen lassen.

Das Glück wolte, daß sie ihn erreichten, dahero waren ihm ihre entblößte Degen alsofort auf der Brust, mit der Bedrohung, sich gefangen wieder|<7> zurück nach dem von ihm so grausam verfolgten Frauenzimmer zu begeben, oder dem Augenblick das Ende seines Lebens zu erwarten. Dieser stutzte gewaltig über einen so unvermutheten Anfall, und weil bey solcher Gefahr der geschwindeste Endschluß am besten, fing er an: Daß er endlich, weil er gezwungen würde, ihrem Verlangen eine vollkommene Gnüge thun wolte, doch möchten sie ihm hernach nicht beymessen, wenn eine unglückliche Heyrath draus erfolgte.

Das Gesicht und die Mine dieser Person kam ihnen gescheuter als eine so verkehrte Antwort vor, darum fragten sie ihn: Wo er mit so ungeräumten Reden hinaus wolte; und ob er bey Erwartung der seine Ubelthat wegen verdienten Strafe sie noch darzu vexiren suchte? Nicht vexiren, antwortete er, sondern an statt, daß sie ihn einer Ubelthat beschuldigten, möchten sie doch erwegen, was aus einer solchen widrigen Beywohnung kommen könte? er sey nicht weniger von Adel, als sie, gebohren: es würde ihm nach geschehener Sache so wenig möglich seyn, sich alsofort zu einer völligen Heyrath zu entschliessen, als seines Vaters Consens hierzu zu erhalten; wenn nun, teutsch heraus zu sagen, aus solcher gezwungenen Lust vor der Zeit etwas erfolgte, was wurde beyden Geschlechten nicht vor eine Unehre zuwachsen?

Tyrsates und sein Gefehrte sahen einander über diese Reden lachend und verwundrend an, und wusten nicht, ob sich dieser dem Ansehen nach nicht unverständi-|<8>ge Cavalier mit Fleiß närrisch stellte, oder was es sonst bedeuten möchte: Wenn mein Herr, gab Tyrsates mit gemäsigter Stimme hierauf, itzo so nachdencklich wegen der daraus entstehenden Folge ist, warum war er denn vorhin so hitzig, und wolte dem flehenden Fräulein durchaus kein Gehöre geben? Seine Hitze, war seine Gegen-Rede, bestünde in einem höchst Lob-würdigen Eyfer, seine und ihre Keuschheit nicht zu verletzen.

Ich solte fast schliessen, versetzte des Tyrsates Gefehrte, daß mein Herr die Gewohnheit der alten Heydnischen Priester in Africa an dem Frauenzimmer in Teutschland zu exerciren suchte, denn jene brachten denen geweyhten Jungfern den schönen Aberglauben bey, keine Keuschheit oder Jungferschaft sey schätzbar, welche sie mit ihren allerkeuschesten Opffer-Messern nicht vorher berühret. Allein allen so thörichten Schertz bey seite gesetzt, so wird ein so unedles Vorhaben den Glantz seines Geschlechtes völlig verdunckeln, wenn wir es der Schuldigkeit nach am gehörigen Orte angeben. Sintemahl es tadelhaft, eine Dame durch Schmeicheleyen zu bereden, ihr allerkostbarstes Kleinod, ohne welches sie unter die Menschen nicht zu rechnen wurdig, gutwillig zu verschencken, geschweige sie dieses unvergleichlichen Schatzes mit Gewalt zu berauben, und sie vor aller Welt zu Schanden zu machen. Ja hat er nicht geglaubet, daß heute zu Tage lauter Lucretien in dem Frauenzimmer stecken,|<9> die nach gebüßter Lust den mörderischen Dolch mit ihrem Blute bespritzen?

Der Beschuldigte würde über diese letzteren Worte eine Auslegung gemacht haben, wo er nicht an beyden ihren ernsthaften Minen wahrgenommen, daß sie würcklich in den falschen Gedancken stünden, er habe das Fräulein nothzüchtigen wollen. Darum hub er nun mit ermuntertem Gesichte an: Ich bin glückselig, zwey so brave und honette Cavaliers angetroffen zu haben, deren Tugend vollkommener, als mir selbige Anfangs aus Irrthum vorkam. Denn erstlich glaubte gäntzlich, sie wären auf des Fräuleins Geheiß in diesem Gehöltze versteckt gewesen, um mich zu was unanständiges zu zwingen; allein nunmehro erkenne das Gegentheil, und werde die Wahrheit meiner Rede, ihnen den Augenblick darlegen, wofern sie mir zu folgen belieben.

Tyrsates und der andere schüttelten den Kopf, und gaben einen starcken Zweifel dadurch zu erkennen, indem die Worte des Fräuleins: Ob er so grausam, daß sie ihre Ehre umsonst verschencken solte, ja ihr Geschrey und ihr Geschlecht selber ein anders behaupteten. Doch weil sie der Cavalier, ihm sachte zu folgen, ersuchte, willfahrten sie ihm endlich mit der größten Neugierigkeit.

Wie sie eine Ecke fortschlichen, hörten sie das Fräulein abermahl klagen, demnach krochen sie sämtlich hinter einem dicken Busch in der Nähe, alwo sie eben die Worte vernahmen: Denn es ist unmöglich, daß sich die Natur mit solcher Kalt|<10>sinnigkeit abspeisen läst. Ach unglückseeliger Stand! und du armseelige Fulvia, die du unter dem verhaßten Zeichen der Jungfrau gebohren! Nun lachet der Lentz deiner Jahre! die Blühten sind heraus gebrochen; Die Rosen brennen vor Hitze, und du verzweifelter Castrato würdigest sie nicht abzupflücken! Meinest du wohl, daß man sie ohne die grausamste Marter kan verwelcken oder ihre Blätter ausfallen lassen? Hast du wohl ein Frauenzimmer jemahls gesehen, die so Heldenmüthig gewesen, ihre Jungfernschaft, wie ich, bis ins neunzehende Jahr zu behalten? Ach möchtet ihr kaltsinnigen und höltzerne Männer nur empfinden, was ein Frauenzimmer in diesen Jahren sey, wie würdet ihr um unsere Gunst lechzen! wie wohl würdet ihr unsere Minen und Blicke verstehen, und es nicht so weit kommen lassen, daß wir wieder allen Wohlstand gezwungen, euch fußfällig, und, O Grausamkeit, vergebens um die Vergnügungen unserer Flammen bitten müsten? Besorgest du Marmor-Säule, es dürfte aus einer hitzigen Umarmung was entstehen, so ist ja mein Stand und Reichthum dem Deinigen gleich, und du hast mich ehmals selber gerühmet, daß ich schön und Liebens-würdig sey! bist du aber ein so genandter Tugendhafter Grillenfänger, so bedencke, wie wenig dieses einem rechtschaffenen Cavalier anstehet, und wie es gleichwol wider dein Gewissen, wenn ich hernach aus Verzweiffelung meine Ehre einem andern und umsonst aufopfere.|<11>

Sie seufzete hierauf so tief, daß es einen Stein in der Erden hätte erbarmen mögen; wie dann auch Tyrsates Gefehrte zu einem Mitleiden bewogen wurde, und nicht unterlassen konte, mit in die Höhe geschlagenen Händen jedoch sachte zu Castrato zu sagen: O Himmel! ist es so mit dem guten Fräulein bewandt! O so ist mein Herr noch strafwürdiger als zuvor, denn in tausend Jahren ist kaum ein eintziges Exempel so geschehen, und man wil den Cavalieren zum Nachtheil es ausschlagen, da man den Anfang zu einer höchstrühmlichen Gewohnheit machen solte!

Ihr Sterne! fing Tyrsates gleichfals an, wo habt ihr mich hingeführet! Ja wohl ein rechtes Abendtheuer, das uns der Diener angewiesen! Sol keine jemahls, als dieses Fräulein seyn gesehen worden, die so Heldenmüthig gewesen, ihre Jungferschaft bis ins neunzehende Jahr zu erhalten? Welche seltsame Nachricht von einem Frauenzimmer!

Daraus kan man eben schliessen, antwortete Castrato, daß die Gewohnheit, den Manns-Personen am ersten die Caressen zu erweisen, bey dem Frauenzimmer hiesiger Orten nicht erst darf eingeführet werden, denn sie gehet schon im vollen Schwange, und darum werde ich wegen meiner ehrbahren Aufführung gegen das Fräulein Fulvien gantz nicht zu tadeln seyn: Denn wenn das Frauenzimmer die sonst gewöhnliche Freyheit der Manns-Personen annimmt, müssen wir ja nothwendig die vor al-|<12>ters gebräuchliche Sittsamkeit des Frauenzimmers uns angewehnen, weil es sonst allzu bund dürfte hergehen.

Gedult! hub das Fräulein wieder an, ich bin lange genug honnet gewesen; ich habe der Natur nach ihren uns eingepflantzten Regeln gehorsamen wollen; weil es aber nichts hilft, so frage endlich nichts darnach, ich wil zu Fräulein Causabona gehen, und ihre Mittel - - Verfluchter Castrato, du bist Schuld daran.

Hiermit sprang sie behend auf die Füsse, und eilte durch Büsch und Hecken so geschwind, als ob sie mit den Rehen um Egydi in die Wette laufen wolte.

Man konte ihr nicht lange in den Gesträuchen nachsehen, und bekümmerte sich endlich auch wenig um ihre Klagen, da keine grössere Noth als diese vorhanden. Nur war Tyrsates neugierig, des so genandten Fräuleins Causabona ihre Conduite zu wissen, weil sie Mittel vor die Ungedult haben solte.

Castrato bezeigte bey dieser Frage sein Erstaunen im Worten, so man vorher aus seinem Gesichte lesen konte. Unmöglich kan diß Fräulein, sagte er, Fulvien Hülfe schaffen; sie hat sich in dem Nahmen verirret. Denn Messieurs, die von Causabona ist ein Frauenzimmer, die, ich wil keiner nicht zu nahe reden, vor eine solche Keuschheit passirt, dergleichen sich Leute von achzig Jahren nicht zu entsinnen wissen. Sie ist dasjenige, was man von vielen Seculis her an|<13> Damen, die Grausamkeit genennet: Man darf in ihrer Gegenwart nur eine Sylbe von Lieben fahren lassen, um die verächtlichste Mine von der Welt zu kriegen: Ein Cavalier, den alle Schönheiten vor gefährlich achten, und jeder Cavalier beneiden muß, wird von ihr mit so einer kaltsinnigen Manier in discursen unterhalten werden, als ob er vielweniger Reitzungen vor sie als ein Frauenzimmer besäß. Und trifft sie ohngefehr einen an, der von der edelsten Liebe ausserordentlich wohl zu urtheilen und sie heraus streichen weiß, selbigem bringet sie solche Gründe bey, warum sie kein Vergnügen darinnen finden könne und sie also fliehe, daß er fast selber auf die strenge Meinung gerahten muß, ein so schönes Wesen sey gäntzlich zu verachten. Kurtz: Ihre Aufführung beweiset eine so harte Keuschheit, daß die Tugendhaftesten Eltern ihre Mannbahre Töchter vor ihrer Conversation warnen, weil sie selbigen einen Eckel vor das Heyrathen machet. Wie solte sie nun dem Fräulein Fulvien einige Mittel gewehren, deren Hitze viel zu groß, als so verdrüßliche Sitten-Lehren anzunehmen? Sie muß sich demnach ohnfehlbar in dem Nahmen geirret haben; und wenn Messieurs mir die Ehre ihrer Visite ein paar Tage in Salaugusta gönnen, warum inständig bitte, werden sie Gelegenheit bekommen, aus ihrer Conversation mit mir ein gleiches zu schliessen.|<14>

Sie nahmen beyde diese Einladung mit grossen Höflichkeit an, und versicherten, wie die Bekandtschaft eines Tugendhaften Cavaliers ihnen desto angenehmer seyn würde, je seltsamer sie sich angefangen. Von des Fräulein Causabona ihrer Conduite raisonnirten sie dergestalt: Daß eine allzuübermässige Tugend zu einem Laster würde; doch wäre dieses ein artiges Beyspiel: Daß wie viel Frauenzimmer in der Wollust, also auch eins in der Keuschheit ausschweifte, und nothwendig von der mittlern oder rechtmäßigen Sorte, auch einige seyn müsten, indem die Gemühter an allen Orten untermengt, und sich bey drey oder vier schlimmen noch ein gutes fände.

Castrato bemühte sich gleich den andern Tag, das Fräulein Causabona in eine angestellte Compagnie mit zu kriegen; und ihre Weigerung, weil sie vernommen wie einige fremde Cavaliers mit dabey seyn würden, gab den Unsrigen folgends Anlaß, des Castrato Abbildung ihres Gemüths schon guten Theils vor wahr zu halten. Sie kam auch nicht eher, bis etliche Freundinnen von ihr zu ihr fuhren, und sie durch ihr unabläßiges Bitten darzu bewegten.

Von Person war sie nicht übel gemacht, und hatte eine Mine, die was grosses und dabey ein gleichgültiges Wesen anzeigte. Dieses bestätigte noch darzu ihre Aufführung, worinnen sie eine sehr gemäßigte Höfligkeit brauchte; und bey allen Discoursen, die von der Liebe nur das geringste in sich hielten, ließ sie so eine verächtliche Art blicken, daß man wohl sahe, wie|<15> sie diejenigen vor halbe Kinder oder halb-gescheute Leute nur tractirte, die eine sonst so edle Passion rühmten.

Der bishero dem Tyrsates unbekandt gewesene Cavalier wurde von einem Frauenzimmer verrahten, daß es der Baron Selander von Amalienburg sey. Tyrsates machte ihm hierauf ein neu Compliment, weil er ihn schon per renommeé gekandt; welches Selander kurz beantwortete, und nach der schon gemachten Vertraulichkeit ihm eröffnete, wie er Plaisir hätte, dem Fräulein Causabonen einen Liebes-Antrag zuthun, um zu versuchen, ob ihr Hertz durch gar nichts zu bewegen.

Es geschah mit solcher Geschicklichkeit und so wohl a propos, daß ein ander Frauenzimmer, so unempfindlich sie auch seyn mögen, nicht würde gleich gültig geblieben, oder zum wenigsten einem so braven Cavalier vor die honnetste Versicherung verbindlicher gewesen seyn: Allein hier betete er einen Felsen an, wo alle Gründe, die Liebe verhaßt zu machen, so hervor gesucht wurden, daß Selander glaubte, er würde viel eher Eisen zu Wachs, als einen solchen Sinn durch die allerzärtlichsten Verpflichtungen erweichen können.

Es war aus Schertz angefangen, also solte es auch dergestalt vollführet werden; Denn Selander, welcher ein Meister im simuliren, sagte ihr, wie sie ihm endlich alles weitere Gehör von der Liebe abschlug: Daß er üm einer so schönen Ursach willen, sich dem grausamsten Gram und Schmertzen aufopfern, als ohn solcher, nemlich sie zu lieben, leben wolte.|<16>

Sie mochte nun einwenden, daß sie nimmermehr eine solche Schwachheit von einem dem Ansehen nach so geschickten, als verständigen Cavalier vor wahr halten, und sie ihn eher um sich leiden könte wenn er ein theuer Gelübde thäte, an eine zärtliche Liebe niemahls mehr zu gedencken: So nahm Selander dennoch eine solche Stellung an sich, dadurch die klügste so leicht sollen betrogen, als zum Mitleiden bewogen werden.

Vieles anwesende Frauenzimmer merckte die Passion an Selander, die er nicht gäntzlich wolte cachirt halten; Und welche wurden eyfersüchtig, einige aber von dem Meriten dieses Herren so gerühret, daß sie aus Vertraulichkeit mit Causabonen, ihn gütiger zu tractiren, und dieses Glück nicht auszuschlagen, riehten. Denn, sagten sie, wo nicht so gleich von jeden Blicken, wie Stroh vom Feuer zu brennen eine Tugend, so sey es hingegen ein grosses Laster, die allerschönste Gelegenheit zu lieben, aus einer nie gebilligten Härtigkeit, abzuschlagen. Dergleichen Vorbitten aber wurden gar kurtz von ihr abgefertiget, indem sie mit einer fast hönischen Art, und so laut, daß es Selander und Tyrsates hören konten, denjenigen einer grossen Ubereilung beschuldigte, der mit seinem Verstand über eine solche verliebte Thorheit nicht herrschen könte, und so gar, üm so kindischen Begierden zu favorisiren, sich in einen sclavischen Stand der Ehe zu begeben gedächten.

Es setzte gleichwohl eine Verwunderung unter unsern beyden in der Welt ziemlich bekandten|<17> Cavalieren, daß dieses die eintzige unüberwindliche Festung unter den Frauenzimmern seyn solte, da die meisten die Chamade* schlagen, wenn man die erste Sturm-Leiter, ich meine verliebte Minen, angeworfen, und nicht wenige die Thore öffnen, da man keinen Durchzug verlangt. Und sie machten sich nun einen Ehrgeitz, einen Accord von dieser Schönheit zu erhalten, den sie aus Liebe sonst nie würden gebeten haben.

Starcke Eichen fallen nicht auf einen Schlag, und weil manches Frauenzimmer die Kunst sich zu verstellen ungemein gelernet, encouragirte sie ein kleiner Zweifel, ob es Causabona nicht endlich näher geben dürfte, bey andrer Gelegenheit sie mit ihrer Amour zu gewinnen.

In dem Audientz-Cabinet der Gedancken, ich meine im Bette, glossirten diese beyde Herren schon trefflich auf was vor politische Manier sie zu ihren Entzweck gelangen möchten. Wie aber da öfters tausend Sachen aufs Tapet kommen, die so bald sie resolvirt, von tausend andern wieder verworfen werden: So wurde die Nacht mit solchen Rathschlägen zugebracht, dadurch ein eintziger Zufall des Tages einen curiosen Strich machte.

Castrato hatte ihnen versprochen, sie in einen schönen Garten zuführen, in welchem sie vielleicht noch mehr schönes Frauenzimmer in dem schönen Salaugusta antreffen würden. Es war sonderbahr, daß Castrato Selandern vor einem fremden, und in dieser Stadt nicht wohlbekandten Cavalier hielte; da er doch wiewohl zu seinem Chagrin die|<8> Connoisance vieler Damen gehabt. Allein es mochte vielleicht daher kommen, daß Selander andere Compagnie, als Castrato gesuchet, und in kurtzer Zeit zwar ein Glück genossen, darum sich andere lang und vergeblich bemühen, aber auch so unglückseelig gewesen, daß er es in vielen Jahren nicht grösser werden können.

Selander stellte sich deswegen gegen Castrato etwas fremd, und rühmte die schöne Gegend um Salaugusta, als ob er sie zum ersten mahl gesehen.

Sie passirten einen offenen Garten vorbey da der erste Blick in solchen schon so annehmlich, daß Tyrsates die Curiosität blicken ließ, ihn zu besehen, wenn Castrato Kenntniß mit den Besitzern hätte. Castrato konnte nicht verwehren, daß ihm nicht eine kleine Röhte ins Gesicht stieg; und weil er bey sich abnahm, es möchten es auch die andern observirt haben, gestunde er aufrichtig, daß es der Fräulein Fulvien ihr Garten sey, welche sie gestern in eine so seltene Verwirrung gebracht.

Hier fingen sie nochmahls über die gestrige Begebenheit an zulachen, und der Appetit, ihn zu bestehen, war durch die Neugierigkeit vermehret, was Fulvia vor Minen machen würde, wenn sie eine so unverhoffte Visite bekäme. Weil nun Castrato merckte, wie ihr Plaisir an so etwas grösser, als sein Vorsatz ihre Gesellschaft zu fliehen; So zog er die Complaisance seinem eigenen Bedencken vor, und führte sie hinein.

Der Garten war unsern Cavalieren zwar schön, allein weil sie ihn mit keiner lebendigen Schön-|<19>heit besetzt fanden, und doch glaubten, daß der Garten nicht offen seyn würde, wo niemand darinnen; So giengen sie nach den Garten Hause zu. Doch dieses war auch verschlossen, und die grosse Stille minderte das vorhergemachte Vergnügen, Fulvien zu sprechen, daß sie wieder zurück kehren wolten, indem sie gar niemanden da vermuhteten.

Selander und Castrato giengen schon voraus, da der curiöse Tyrsates die Treppe des Garten-Hauses hinauf schlich, und sich mit dem Gesichte an eine Ritze lehnte, die die Hitze der Sonnen in der Thür gemacht. Die andern sahen sich kaum um, als sie gewahr wurden, daß er die Hände zum Zeichen eines besondern Abendtheuers in die Höhe hub, und sie mit Wincken und Geberden nöthigte, sich gleichfals gantz sachte herbey zufügen.

Damit ließ er einen nach den andern an seine Stelle treten, und setzte beyde in solch Erstaunen, das fast grösser, als das seine war. Ihre Verwunderungsvolle Blicke forschten unter sich, was bey einem so nie erlebten Handel zuthun, und die Verwirrung über einem in aller Welt nie vermuhteten verzweifelten Streich, war unter ihnen so groß, daß sie sich eine gute Zeit nicht entschliessen konten, sondern immer von neuem durch die Spalte der Thür guckten.

O ihr Götter! fieng Castrato sachte an, „was sehe ich? Causabona! Sind das die Mittel vor die Ungedult!“ wir müssen anpochen sagte Tyrsates; und so bald war es auch gethan, worauf, wie sie durch die Ritze beobachteten, Causabona und Fulvia, die|<20> auf einem Ruh-Bette lagen, wie der Blitz ineinander fuhren.

Sie konten sich leicht vorstellen, daß bey dem ersten anpochen man nicht aufmachen würde, darum fuhren sich noch zwey, drey, und mehrmahl fort; und da auch dieses nichts helfen wolte, rufte Castrato: „Ihr liebsten Kinder macht doch auf, man hat uns schon gesagt, daß ihr drinnen seyd.“

Sie konten gar eben die erbitterte Mine sehen, mit welcher sich Causabona zusammen raffte: „Nu wer ist dann da?“ fing sie anzufragen, „dero ergebenster Diener“, antwortete Castrato, „welcher um Perdon bittet, daß er sie aus ihrer Ruhe gestöhret, und doch das Glück möchte haben, bey einer so charmanten Person zu seyn.“

„Dieses Compliment solte mich veranlassen“, gab sie drauf, „ihnen nicht aufzumachen, denn sie wissen, was ich vor eine grosse Liebhaberin bin, von so charmanten und liebsten Kinder Tittuln.“ „Ich wil denn um Vergebung bitten“, versetzte Castrato, „wenn ich werde hineinkommen; voritzo aber ersuche gantz gehorsamst, mich doch nicht als einen armen Exulanten länger hausen stehen zu lassen.“

Causabona eröffnete hierauf die Thür; Machte aber eine besondere ernsthafte Mine, da sie Tyrsates und Selandern erblickte. So unverhoffte Gäste! war ihre Rede. Unsere beyden Cavalier machten die höflichste Entschuldigung, wenn sie solche von ihrer Ruh gestöhret; und schützten vor, „daß wer einmahl die Conversation eines so unvergleichlichen|<21> Frauenzimmers genossen, nicht zu sehr zu verdencken, wenn er solche hernach auch mit einer unanständigen Kühnheit suchte.“

Sie gab sich eine Air, die dasjenige noch mehr exprimirte, was sie mit gleichgültigen Worten sagte, denn sie erwiederte: „Sie solte glauben, daß ihre Conversation solchen Cavalieren nicht eben angenehme, die mit verliebten Douceuren und Verpflichtungen gantz überhäuft, und von ihrem widrigen Naturell und wenigen Geschicklichkeit keine Satisfaction deswegen erhalten könten.“

Selander versetzte gar artig: „Man ęstimire solch Frauenzimmer um desto höher, die nicht Liebenswürdig wolten seyn, sondern es wider dero willen, und so geschickt wären, sich wegen der Liebe auch ausser Cavalieren durch sich selber zu befriedigen.“ Allein um den Ziel näher zu kommen, worauf diese beyde Fräulein im wachenden Schlaf ihre Seuftzer gerichtet, so erwartete Selander ihre Antwort nicht, sondern fuhr im Fragen fort: „Ob sie wohl geruhet, und was vor artige Träume eine so artige Person gehabt.“ „Mit Verliebten bin ich zum wenigsten nicht geplagt“, gab Causabona mit einer spröden Mine drauf.

„Und dennoch“, erwiederte Selander, „hab ich diese Nacht von ihnen einen nachdencklichen Traum gehabt, der mich das Gegentheil überzeuget, denn sie kamen mir in der Leibhaften Gestalt des Cupido vor welcher den Köcher umgürtet, und einen scharfen Pfeil dem Fräulein Fulvien recht ins Hertz stachen. Ich beklagte mich, daß es ja wider die Natur, daß|<22> ein Frauenzimmer das andere dergestalt verwunde.“ Sie gaben mir aber selber zur Antwort: „Daß die Pfeile in dero Augen nur vor die Manns-Personen, dergleichen aber als ich gesehen, vor ein Fräulein wären, mit der sie mehr Compassion als die Manns-Personen hätten.“

Uber ein so schalckhaftes Gleichnis, dadurch ihnen Selander die Wahrheit vollkommen gesagt, musten sich Tyrsates und Castrato in die Zunge beissen, um nicht überlaut zu lachen; Causabona hergegen zog die Stirn zusammen, und verkehrte die Augen trefflich; und Fulvia schiene wegen oftmahliger Veränderung der Farben, natürlich, als ob sie in ihrem Gesichte eine kalte Schaale von Butter-Milch und Erd-Beeren repręsentiren wolte.

Hierbey mag sich ein kluger und erfahrner Leser selber abbilden, was vor eine lustige Comœdie es mit diesen beyden ungewöhnlich keuschen Frauenzimmern gegeben: Wir können nicht mehr sagen, als daß, wenn niemahls Träume eine natürliche Deutung gehabt, dieser vollkommen von dergleichen Art gewesen, in dem Selander, den im Schlaf gesehenen Pfeil bey Causabonen unverhofft mit der Hand rencontrirte, den sie vielleicht zu sich gesteckt, um sich über die Liebe zu moquiren, und mit solchen Sachen gleichsam wie mit Kinder-Possen umzugehen.

Nachdem sie nun Couleuren genug an diesen Fräuleins gesehen und billig besorgen musten, es möchte ihre längere Gegenwart ein Fieber verursachen, welches sie doch dergleichen Tugendhaften Personen nicht gönnten, retirirten sie sich mit bon Grace,|<23> wie man sagt, dabei Selander bey Causabonen die Affection ausbat, ihr in ihrem Zimmer aufzuwarten.

Causabona würde dergleichen Suchen ohnfehlbar vor eine Verletzung ihrer Keuschheit genommen haben; wenn sie bey dem Zufall nicht geurtheilet: ein weiteres Verstellen sey übel à propos, und werde diese Cavaliere nur veranlassen, desto besser aus der Schule zu schwatzen, und eine solche neue Lucretia bey der Welt anders als vorhero bekandt zu machen. Dahero erlaubte sie solches mit so einer confusen Freundlichkeit, daraus man wohl sahe, wie sie nunmehro fast vor eine Gnade achtete, was sie vorhero so hochmühtig ausgeschlagen.

Die Nacht darauf setzte es bey Selandern und Tyrsates gantz andere Glossen, als sie die vorige gemacht, denn nunmehro wusten sie, durch was vor einen Schlüssel in die Vestung der Liebe bey Causabonen einzubrechen. Das artigste war, daß sie den andern Morgen eine Supplique bey der Venus im Nahmen der sämtl. Cavalier- und Ritterschaft eingeben, darinnen sie den unbilligen Eingriff des Frauenzimmers ins Männliche Amt, und dergleichen Ausschweifungen mehr beklagten.

Allein diese kurtzweilige Arbeit, dadurch sie so abscheuliche Laster mit lachendem Munde durchgezogen, verwandelte sich bald in eine ernsthafte Betrachtung der unanständigen Wollüste dieser Welt.

„Ach!“ fieng Tyrsates an, „der hat thöricht geurtheilet, daß die Wollust die Menschen verderbe, welche in ihrem rechten Gebrauch bey unserm|<24> mühseeligen Leben, was die Würtze bey der Speise ist; Sondern die Menschen verderben die Wollust. Ansich ist die Wollust ein Nectar, der das Hertz mit vergnügten Geistern beseelet; allein der Uberfluß von beyden macht sonst vernünftige Menschen zu unflätigen Schweinen, ja mehr als Bestien gleich, in dem Thiere davor einen Abscheu zum wenigsten in der That spüren lassen was nicht natürlich.“

„Ja“, antwortete Selander, „durch dieses eben, was Menschen von den Bestien unterscheiden soll, sucht eine unendliche Anzahl der Menschen, Bestien, mit Fleiß zu übertreffen; Die Vernunft ist es, welche dem Menschen den unschätzbahren Vorzug vor Thiere eröffnet; allein wo eine heßliche Seele der Vernunft erst einen Widerwillen vor das Gute erwecket, so wendet sie die Waffen, die den Menschen beschützen solten, zu dessen eigener Verwundung an.

„Derjenige ist alsdenn viel unglückseelig, der viel Vernunft besitzet: Er wird Sachen begehen, die Tugendhafte Leute vor die ärgste Raserey achten, und die dennoch mit grosser Klugheit ausgeübet werden: Er wird bey einfältig-guten Leuten sich einer viehischen Unvernunft müssen beschuldigen lassen, da er seine Laster mit der grösten Scharfsinnigkeit vollbringet; Ja er wird weit geschickter seyn, tausendmahl grössere abscheuliche Thorheit zu begehen, als ein von Natur dummer und allerwollüstigster Mensch, der, ob er gleich in solchem Unwesen gantz ersoffen scheinet, dennoch bey Anhörung so seltener Unmenschlichkeiten kluger Leute stutzet.“|<25>

„Gewiß“, sagte Tyrsates, „wann man bey mancher vornehmen Dame nicht die berufene Lectiones des Frauenzimmers, l’Ecole des Filles,* oft mehr in Praxi, als der Theorie nach, anträfe, sie würde von der Liebe nicht so übel raisonniren. Das Frauenzimmer hat von Natur schwächern Verstand, als das Manns-Volck; Allein man macht Wunderwercke aus ihnen, wenn sie dem Laster die Farbe einer Tugend anstreichen können; und dazu sind sie viel vermögender, als kluge Manns-Personen: Sie sind unersättlich in Lüsten, und also auch unergründlich im Nachdencken, durch was vor fremde Mittel sie solche befriedigen wollen.

„Darum verwerfen sie den Ehstand, weil er die Liebe nur auf einerley, ich meine die natürlichste Art vergnüget; und weil sie nicht Tugendhaft-weise, nennen sie solchen eine Sclaverey, welcher die gröste Freyheit ist, und die Lust darinnen, einen sich selbst gemachten thörichten Verdruß, die doch die Weißheit selber nicht genugsam rühmen kan.

„Ihr gemeines Urtheil ist, man sey darinnen gebunden, wie aber? nur Tugendhaft vergnügt zu leben; und davor tragen sie einen so grossen Eckel, weil ihr unreines Hertz eine solche reine Lust nicht fassen kan, daß sie ihren Verstand recht martern, wenn er nicht zulängliche Schein-Ursachen ersinnet, eine unordentliche freye Lebens-Art demselben vorzuziehen. Man darf also ein Frauenzimmer, die die Liebe des Ehstandes, durch was vor Gründe es auch seyn mag, mißbilliget, nicht vor keusch halten, sondern vor eine, ob gleich inGeheim|<26> aller wollüstigste Person; weil man von einer tugendhaften Sache allezeit tugendhaft spricht.“

Nach solchen Urtheilen, welche der wenigste von den Cavalieren begreifen kan, und der meiste von denen, die sie fassen, nicht ausüben, ward auch der Entschluß von Selandern gemacht, die versprochene Visite bey Causabonen nicht abzustatten, und lieber eine Unhöfligkeit in dem Wohlstande zu begehen, als seine Zeit in der Conversation honnetter Leute zuzubringen; Vielleicht, daß diese verspührte Verachtung ihr einen desto grösseren Widerwillen vor sich selber, oder zum wenigsten solche Gedancken zuerwecken, die seinen vorgestrigen Verpflichtungen gantz entgegen.

Tyrsates gab ihm hierinnen Beyfall, und um die Zeit zu vertreiben, wolte er durch einem Spatzier-Gang Salaugusta recht in Augenschein nehmen. Es begegnete ihnen ein Frauenzimmer, worüber, je näher sie ihnen kam, Selander eine desto größere Veränderung spühren ließ; Tyrsates beobachtete dieses zwar; allein, weil keine Zeit darnach zu fragen, sondern ihn der Wohlstand erinnerte, diese dem Ansehen nach galante Dame vorhero zu grüssen, ward er mit noch mehrerer Befremdung gewahr, daß sie gleich Selandern den Kopf auf die Seite drehete, um einander nicht anzusehen.

Weil nun Selander aus den Blicken des Tyrsates urtheilte, daß er nach der Ursache einer so ungewöhnlichen Bezeugung forschte; fieng Selander an: Verwundern sie sich nicht Mons. Tyrsates; Ich bin gewohnt nur die Menschen, aber keine Gespenster zu grüssen. Tyrsates gab lächelnd darauf:|<27> Wofern Mons. Selander ja die Gutheit haben wollen, mir eine Erklärung zu geben, so möchte dieselbige deutlicher ausbitten.

Ich weiß wohl, war Selanders Gegen-Antwort, daß man bey einem Freunde nicht durch Räthsel reden muß, und also befinde mich verbunden, ohne dero Bitten die Auslegung davon zugeben.

Dieses ist die Person, die ich geliebet; und warum ich sie unter die Todten oder Gespenster zehle, ist, weil eine der Tugend abgestorbene Person, nicht vor einem lebenden Menschen, sondern eine herum gehende Leiche zu achten, welche durch den Gestanck der Laster gleichsam nach der Fäulnis riechet. Aus vormahls vor sie gehegter Zärtlichkeit habe, wie sie mich angetroffen, ihren Todt beweinet, weil sie mir untreu geworden; und die Bewantnis damit ist diese:

Das Verhängnis, welches mich in Salaugusta gebracht, bewegte mich auch ein Fräulein zu lieben, das ich kaum etliche mahl gesehen. Sie war annehmlich genug; allein weil ich viel Frauenzimmer von nicht weniger Schönheit gesehen, vor die ich keine Regung gespühret, so konte keine andere Ursache meiner Liebe begreiffen, als weil es mir mehr Vergnügen, als bey andern erweckte. Dieser Neigung gieng ich desto stärcker nach, weil es die erste; und die Unruhe nöthigte mich, ihr bey Gelegenheit meine Empfindung zu bekennen. Ich merckte|<28> gleich Anfangs was in ihrem Wesen dabey, das mein Hertz gegen sie noch mehr einnahm; Und dieses war eine angenehme Scham-Röthe, und natürliche Bezeugung über nicht mißfällige Sachen, daß ich mir durch die verbindlichsten Worte angelegen seyn ließ, um sie dasjenige bekennen zu machen, was ich innerlich bey ihr urtheilete.

Bey meinem sothanen Ernst legte sie die sonst jungen Frauenzimmern eigenthümliche Blödigkeit ab, und machte sich so wohl ein Vergnügen mir aufrichtig zubekennen, wornach ich mit Vergnügung seuftzete. Unsere Liebe war von so grossem Ergetzen, als man in einer reinen und so edlen Neigung ehmahls angetroffen, und ich schätzte mich glückseelig, mit geruhiger Sicherheit zu besitzen, was andere, wie ich bereits vielmahl erlebet, mit Martervollem Nachsinnen nicht erhalten können.

Welchen Verdruß mir nun nicht Menschen erweckten, solchen verursachten meine Angelegenheiten, die mich nach Hause zu reisen, und zu empfinden nöthigten, was die Entfernung Treu-Verliebten bringet. Ich eilte um desto mehr nach dem wehrten Salaugusta zurück, weil die Antwort auf meine Briefe nicht so geschwinde einlief, als sie Verliebte wünschen, oder vielmehr, als sie Verliebte schreiben solten. Aber da fand ich meine Schöne, Inconstantia Nahmens, Fräulein von Montenberg, nicht zu Hau-|<29>se, sondern in Compagnie einiger fremden Cavaliere, nach einem zwey Meilen davon gelegenen lustigen Orte ausgefahren.

Dieses war der erste Augenblick, darinnen ich einige Unruhe in meinem Hertzen fühlte, welche sich nach und nach durch eine wirckliche Eyfersucht zu erkennen gab. Denn ein guter Freund sagte mir im Vertrauen: Er habe an einem von diesen Cavalieren, der nicht übel gebildet, und dabey von Galanterien zu machen den Ruf hätte, eine besondere Mühe wahrgenommen, meinem Fräulein zugefallen, worinnen es ihm auch so weit geglücket, daß er sie zu einer Spatzier-Fahrt auf das Land bewogen.

Hier konte ich nun die Ursach des unterlaßnen Schreibens nach meiner Meinung sattsam errahten, und da ich hinaus zu ihr kam, war meine Aufrichtigkeit zu groß, als mich lange zu verstellen, sondern ich fragte mit gar zu deutlicher Eyfersucht nach vielen Sachen, die mir die Umstände anders, als sie, beantwortete. Sie leugnete, daß der mir beschriebene Fremde Cavalier ihr einen Liebes-Antrag gethan; Allein weil ausser einer schlechten Entschuldigung, warum ihre Briefe so lange aussen geblieben, sie noch ihre Freyheit rechtfertigen wolte, in meiner Abwesenheit mit fremden Cavalieren auszufahren, und daß man auch keine verehlichte Dame so weit einschräncken müsse: So merckte ich hieraus meinen Fehler, indem man|<30> durch seine Eyfersucht nichts anders ausrichtet, als eine Dame behutsamer in ihren Intriguen zu machen; Und ich besser gethan, wenn durch ein gutes Vertrauen und verpflichtete Caressen sie von einiger völligen Untreu abzuhalten gesuchet, und inmittelst heimlich auf alle ihre Handlungen ein scharfsichtiges Auge gehabt.

Wenn man nicht anders als honnette Damen liebet, oder man allezeit von denen wieder geliebt würde, die wir verehren, so hätte man keiner Kunst vonnöhten, ihnen zugefallen. Und daher kränckte mich innerlich ungemein, daß, da bey meiner Schönen tausend Gefälligkeit zu verdienen vermeynte, wenn ihr durch meine Eyfersucht die Grösse meiner Liebe zuerkennen gäbe, daß sage ich, solche auch mit unter jene Sorte zu rechnen, und sie mir das Mißtrauen in sie, mit keiner verliebten gewöhnlichen Zärtlichkeit, sondern einem rechten Verdruß vorrückte.

Ein jeder freundlicher Anblick, den sie hierauf diesem Cavalier gab, war mir verdächtig; und es kurtz zu machen: Die Anwesenden discourirten schon unter sich von dem Eintrag, welcher mir durch diesem Cavalier heimlich geschehen; und da bey einer vorgenommenen Spatzier-Fahrt in einen kleinen Lust-Wald, sie ohngeachtet meines Bittens, nicht meine, sondern meines Neben-Buhlers Compagnie|<31> wehlete, und mit ihm in einer Chaise roulande allein, eine halbe Stunde von uns abgesondert blieb; Auch hernach auf meine euserst bezeugte Eyfer sucht mir keinen Eyd schweren wolte, sie habe sich mit jenem nichts wider die Ehrbarkeit vergangen: So sagte ich ihr das Adjeu auf ewig, und ritte sonder genommenem Abschied von der Compagnie in voller Verwirrung fort.

„Nach meinem Abseyn mögen einige vertraute Freunde von mir die Ursache der Entfernung errahten; und weil sie Fräulein Inconstantien etwas anverwandt, nehmen sie sich die Freyheit, ihr eine solche Aufführung gegen mich, mit dem sie bereits verbunden; zwar höflich, aber nachdrücklich zu verweisen, und ihr den Erfolg daraus zu prophezeyen.

„Das mir gethane Unrecht rühret ihr so weit das Hertz, daß sie weinet; und da solches ihr neuer Galant siehet, wird er gleichsam so großmühtig, mir auf der Chaise nebst Inconstantien nachzueilen, in Hoffnung, wie sie sagen, mich in dem nächst gelegenen Orte noch anzutreffen, weil ich wegen hereinbrechenden Abend nicht weiter würde gekommen seyn.

„Ja ich muß bekennen, ich war noch da, aber zu meiner grausamsten Ergernis: Denn unter Weges mag ihr dieser Cavalier von dem Verdruß, den sie inskünftige von einem eyfersüchtigen Manne haben würde, und so viel vorgeschwatzet haben, als zu seinem Absehen dienete; Und daher suchte diese Schöne gar nicht mich, sondern einen|<32> beqvehmen Ort, wo sie in geruhiger Sicherheit diese Nacht ihre Liebe pflegen möchte.

„Diejenige Macht, welche die Treu eines redlichen Gemüths vergelten soll, zeigte mir damahls, da mich die Treue meiner Geliebten nicht vergnügen konte, zum wenigsten ihre Untreue, um sie meiner Besitzung inskünftige nicht zu würdigen. Aus einem sonderbahren Zufall kehren sie in einem vor der Stadt gelegenen Garten-Hause ein, und erhalten von dem darauf gesetzten Gärtner durch ein paar Ducaten* leicht die Freyheit des Nachts ihre unkeusche Flammen daselbst zu kühlen.

„Ich logirte nun eben bey dem Herrn, als meinem guten Freunde, dem dieser Garten zugehörte; und da des Morgends früh der Gärtner ihm sagen ließ, wie er diese Nacht unverhofft ein paar galante Gäste bekommen, so diesen Tag noch da zu bleiben gedächten, er aber solches ohne des Herrn Erlaubnis zu thun bedencken trüge: So anthe mir gleich nichts gutes, sondern begab mich, ich weiß nicht, aus welcher Neugierigkeit mit meinem guten Freunde hinaus.

„Dieser bekam da seltsame Sachen zu sehen: Denn der erste Anblick meines Neben-Buhlers, der diese Nacht bey Inconstantien allhier geschlaffen, setzte mich in so unmäßigen Zorn, daß ich sonder Wort-Wechsel mit entblößtem Degen auf ihn zueilte, und weil ihm ein böses Gewissen keine rechtschaffene Gegenwehr verstattete, ihm, eh es mein Freund verhindern konte, dergestalt das Gesicht zerfetzte, daß nicht ein Fingerbreit darinnen unzerfleischt blieb.“|<33>

Ich gestehe, daß es mein Vorsatz, ihm das Gesicht zu einem beständigen Merckmahl des mir gethanen Unrechts und zu einer Hinderung zu zerlästern, inskünftige honnetes Frauenzimmer nicht mehr dadurch zu verführen. Und darinnen war es mir so weit geglückt, daß auch das Fräulein von Monden-Berg einen Abscheu vor ihm bekam, und lieber vor aller Welt beschimpft sitzen blieb, als das mit ihm gemachte Bündniß zu vollziehen.

Das Fräulein wolte mir zwar damahls durch einen Fußfall ihre Ausschweiffung abbitten; allein ich antwortete nur: sie möchte meine Großmuth vor eine Gnade achten, ihr als einer - - - nicht das Leben zu nehmen; und damit ließ ich sie in halber Verzweiffelung bey ihrem im Blute sich herumweltzenden Galant liegen, und eilte nach Salaugusta, wo meine Sachen in höchster Geschwindigkeit zusammen packte, und meine beunruhigte Gedancken durch die Entfernung zu lindern suchte.

Ich muß bekennen, daß es meinem Hertzen hart zugesetzt, einen solchen unseeligen Streich in meiner vor kurtzer Zeit so süssen Liebe zu erleben: Sie war jung, sie war annehmlich, und also leicht, von einem gefährlichen Galant zu überreden gewesen, welches ich verhindern können, wo ich wegen des zwar grossen aber doch vielleicht nicht gründlichen Verdachtes im Walde und einer noch nicht überzeugten Un-|<34>treu halber nicht von ihr geflohen, und sie der Disposition des andern überlassen.

Mein wehrtester Freund, beschloß Selander seine Erzehlung, haben mich also in einem Zustand angetroffen, in welchem die Bewegungen des Hertzens mich noch zum heftigsten bestritten; wo ich sie mehr als mich selber beklagte, weil sie durch die Liebe allzu jung und in dem Frühling ihrer Jahre ein Unglück erlebet, das sie in ihrem Alter wird tragen müssen; und wo die übel erschollene Nachrede von ihr mich überall zu verfolgen schien, weil, wo ich hinkam, und in welchem Gasthof ich auch einkehrte, Discourse von ihr vernehmen muste, daß auch zuletzt das geringste Murmeln der Leute mich argwöhnisch machte: Meine widerwertige Liebes-Begebenheit würde aller Welt Urtheilen herhalten müssen.

In solchen Gedancken vertiefte mich so sehr, daß, wie von ihnen, wiewohl zu meinen Vergnügen, darinnen gestöhret wurde, mich vor die Ausschweifung einer Betrübnis, die edle Gemühter über die Laster nicht dergestalt hegen dürfen, zugleich schämte und mit Gewalt ermunterte. Dahero anitzo bitte, meine damahls geführte verblümte Reden, theils eine Verwirrung, theils einer Behutsamkeit wegen Unbekandtschaft eines so edlen Cavaliers zuzuschreiben.|<35>

Tyrsates bezeigte nebst einer verbindlichen Dancksagung vor seine vertraute Erzehlung, sein Mitleiden über einen so empfindlichen Zufall seiner ersten Liebe; Und weil einen Großmühtigen leicht zu trösten, urtheilten sie bloß von der Liebe, wie zwar ein unschatzbahres, und so zu sagen, das gröste Vergnügen vor grosse Seelen aus solcher stamme, aber auch tausend Gefährlichkeiten sich dabey ereigneten, die die Stille einer innerlichen Entzückung beunruhigen, und aus dem irrdischen Paradies eine Hölle zu machen geschickt wären.

„Ein Tugendhaftes Frauenzimmer“, sagte Selander, „wird eine sie liebende Manns-Person zehnmahl eher Tugendhaft und beständig, als die Tugendhafteste Manns-Person ein Frauenzimmer getreu erhalten können; und also ist dieses Geschlecht mehrentheils an dem Unglück in der Liebe schuld. Es liebet zwar heftiger als wir, allein dadurch wird es mehren Schwachheiten und der Veränderung eher unterworfen.

„Wir sind viel ernsthafter, sie aber viel weichlicher von Gemüht: Wir sehen in der Liebe viel auf was Estims-würdiges; sie aber mehr auf die Zärtlichkeit, und was nicht so wohl den Verstand als das Hertz zu rühren fähig ist: Dahero ist ein allgemeiner Irrthum: Geliebt zu werden, sey ein Beweißthum unserer Meriten; denn wo man alle glückseelige Amanten auf die Waag-Schaale legte, so wurde die Zahl der Hasen oder wenig vernunftigen ohnfehlbar den Ausschlag gewinnen.|<36>

„Das Tugendhafteste Frauenzimmer besitzet mehrentheils die Eitelkeit, galant zu seyn; Was suchen sie dadurch? nichts anders, als der Welt zu gefallen. Hierzu bedienen sie sich allerhand, ob gleich, wie es scheinet, keiner inhonetten Kunststücke; sie würden aber nicht wenigen Verdruß empfinden, ihrer Kunst ungewiß zu seyn; darum hören sie die Verpflichtungen gern an; und mit was vor Gründen sie auch solche widerelegen, und der Schmeicheley nicht ergeben wollen angesehen seyn, so logiren sie doch selbige nachdrücklich in ihr Hertz, wenn sie nur mit guter Manier angebracht werden.

„Sie suchen gern Gesellschaften, die in diesem Stücke nach ihrem Gusto; und man ziehet, so sehr man auch geliebet von ihnen ist, ihren Haß nach und nach auf sich, wo man ihnen verwehren will, sich an vor ihre Tugend gefährlichen Orten sehen zu lassen und neue Anbeter zu machen. Nun glauben sie, ihrer Vanité nach, wider den Wohlstand zu seyn, ihren Schmeichlern durch eine gefällige Aufführung nicht eine Erkenntlichkeit davor zu bezeugen; und meinen, ihre Honneteté innerlich zu befriedigen, daß sie ja dadurch würcklich nichts böses thun; allein sie gewehnen sich hierdurch an etwas, welches sie hernach nimmer missen wollen, und wie leicht folgt auf viele kleine Erlaubnissen eine grosse? Es ist ein halber Accord, die Keuschheit dem aufzuopfern, dessen Anfälle wir mit gar zu grosser Gütigkeit anhören, und welche auf uns zu thun, wir immer Gelegenheit wieder geben. Darum glaube durchaus:“|<37>

„Daß nichts als die Vermeidung der Gelegenheit honnetes Frauenzimmer darzu mache, was sie durch ihre Natur oder Temperament nicht sind.“

Tyrsates bezeigte über dieses gründliche Urtheil ein besonders Vergnügen; aber eben, weil es allzugründlich, versicherte er, würde es manches Frauenzimmer entweder nicht verstehen, oder mit verächtlichen Augen übersehen; und glaube er also, wegen einer angenehmen Schwachheit einen gütigern Blick, als Monsieur Selander zu verdienen, wenn er sagte:

Man thue diesem allerliebsten Geschlecht zu viel, ihm die Schuld der Untreu mehr als den Manns-Personen beyzumessen; es wären viele tausend Exempel untreuer Cavaliere, um welche sich manch treues Fräulein fast zu Tode gegrämet. Sie solten gleichsam nicht galant seyn; und solches gefiel doch denen Manns-Personen am besten; Compagnien zu suchen, besässen sie eine von Natur angebohrene Freyheit, welche viel zu edel, als sich zu Sclaven machen zu lassen. Einem Mann wäre es selber eine Schande, eine höltzerne Frau oder Inclination zu besitzen, darum erwiesen sie ihm eine Ehre, sich gefällig und dadurch Estims-würdig zu bezeigen. Also hiesse es mit der Männer oder Amanten Eyfersucht nicht anders: als Gifft aus Rosen saugen, und die unschuldigsten Sachen übel auslegen.|<38>

Selander lächelte über den Einfall etwas scheinbarer Gegen-Gründe, und antwortete nur:

Es ist das gemeine Urtheil von Frauenzimmer: man lege es ärger aus; man thue ihnen zu viel; und man wolle sie durch eine eingezogene Aufführung zu Sclaven machen. Allein, ich versichere, daß wo mich der Himmel mit einer solchen Neigung gegen eine Dame wieder beseelen und mir selbige zu meiner Frauen schencken solte: sie würde sich über meine Strenge nicht zu beschweren haben; wolte sie sich durch die Tugend oder ihr eigen honnetes Gemüth nicht zu einer Sclavin, wie sie es nennen, machen lassen, und würde sie ihr Vergnügen nicht vom freyen Stücken in dem Meinigen finden, sie solte sich über meine ungestümme Bezeugungen gegen sich nicht zu beschweren haben, sondern vielmehr sehen, daß mich durch nichts als die Tugend selber an sie zu rächen suchte; das ist: Durch eine großmühtige Verachtung, wie sie es verdient, mein Hertz von ihr zurück zu ziehen, und dessen Ruhe auf andere, ob ihr gleich verdrießliche, doch honnete Art zu befördern.

Jedoch, fuhr Selander fort, wenn ich in diesem Stücke von dem meisten Theil aller Damen urtheile, wie sie sind; so mache aus denen Manns-Personen nicht Wunderwercke der Tugend: Der wenigste Theil der Menschen ist recht vernünftig, und unter denen der meiste,|<39> welcher seine Vernunft nicht recht brauchet; also wenn ich von Ausschweifung der Damen rede, so billige der unsrigen nicht; und am allerwenigsten die gar gemeine und übelgegründete Thorheit vieler eyfersüchtigen Männer oder Amanten, welche sich einbilden, untreu zu seyn, wäre niemanden als ihnen vergönnt; und wollen ihren Frauen oder Geliebten keine Fehler verzeihen, zu welchen sie solche durch ihre eigene Exempel reizen.

Das Mißtrauen oder die Eyfersucht dienen nicht, eine Frau keusch, sondern vielmehr behutsam zu machen, ihre Intrigven desto heimlicher auszuführen: Das eintzige Mittel, in einer Frauen die Keuschheit zu erhalten, ist ein gutes Vertrauen und die selbst eigene Keuschheit des Mannes.

Dieses ist so wahr, gab Tyrsates hierauf, als es vielen Männern Verdruß verursachet, die solches nicht glauben wollen, und das Band des Ehestandes vor genugsam erachten, ihre Frauen in den gebührenden Schrancken zu erhalten, ob sie durch ihr eigen Leben was beytragen oder nicht; Und fällt mir eine artige Geschicht ein, welche sich zu Lindenfeld* ohnlängst begeben, und sich auf unser Vorhaben einiger massen schicken wird.

Weil nun Selander eine Begierde darnach bezeigete, fieng Tyrsates an: Ein reicher Kaufmann zu Lindenfeld hatte sich mit einer rei-|<40>chen, schönen, und folgends gefährlichen Frauen verheyrahtet; Deren erstere Tage in solchem Stande recht vergnüglich, weil sie zu Unterhaltung ihrer Wollust sattsame Mittel hatten. Allein wie man einer Ergetzlichkeit, wenn man sie allzu wohl und sonder Neben-Sorgen geniesset, eher überdrüssig werden kan, als wo ein kleiner Hauß-Kummer oder widrige Geschäffte uns die Süssigkeit einer reinen Liebe in ihrem Wehrt hoch schätzen lässet: So machte der Uberfluß, daß sie bey der Lust, welche sie zuvor entzücket, fast gleichgültig wurden; Und der Mann begunte zum ersten seine üppige Gedancken auf andere Schönen zu wenden, und durch den kräftigen Nachdruck dann und wann seine Neugierigkeit zu befriedigen.

Die Frau merckte gleich, wie ihr Mann gegen sie laulicher worden; Und durch ein Mißtrauen, ward sie so scharfsinnig gemacht, seine verbotene Wege zu entdecken; von welchen er gleichwohl nichts wissen wolte, sondern alle der Frauen Klagen und Bitten einer ungerechten Eyfersucht beymaß. Der vielleicht ohne diß in ihr vorhergewesene Appetit, durch die Abwechselung das in der Liebe gekostete Vergnügen zu vermehren, und wovon sie die Furcht und der Wohlstand abgehalten, ward nun durch die Meinung genugsam gerechtfertiget: Es stünde ihr frey, sich an ihrem Mann durch gleiche Ausschweifung zu rächen.|<41>

Wenn es aufhöret, Coqueten zu geben, so wird vielleicht der halbe Theil der Manns-Personen seine Keuschheit behalten; Allein, da deren so viel, als nach der heutigen Welt galante Damen sind; So dürfte sich unsere schöne und reiche Kaufmanns Frau nur die Mühe geben, so hatte sie deren schon etliche gefangen, welche nicht alleine ihre Flammen zu kühlen, sondern auch den Universitäten-Beutel zu spicken, durch die verpflichteste Bedienung sich anerbothen.

Ein ansehnlicher und feuriger von Adel, der daselbst studierete, ward vor den Tüchtigsten darunter geschatzet, ein Collegium Physicum oder die Geheimnisse der Natur bey ihr zu experimentiren. Ihre Lectiones waren privatissimę, denn der Mann solte nichts davon wissen, und das Auditorium war ein Garten, in welchem die auserlesensten Liebes-Kräuter ihnen desto besser Gelegenheit gaben, von den verborgenen Schätzen der Natur, sicher und ohne jemands gewahr-werden zu urtheilen.

„Der Mann hörte endlich wohl, was vor ein gefährlicher Professor bey seiner Frauen aus und eingieng; wenn er ihr aber von seinem billigen Verdachte etwas vorsagte, ersuchte sie ihn mit einer hönischen Manier, zu Hause zu bleiben, und auf sie Achtung zu geben, welches eine Art, den Mann toll, aber nicht vernünftiger oder selber keuscher zu|<42> machen. Ich weiß nicht was viele galante Kaufmanns-Frauen zu Lindenfeld vor eine Kunst besitzen, aus dem vermögensten Studenten da oft Stipendiaten zu machen, welches sonsten nur bedürftige sind. Doch dieses ward bekandt, daß ein anderer von bürgerlichen Stande unsers von Adel Glück beneidete, und wie er auf eine galante Art, nehmlich durch eine verpflichtete Aufführung nicht dazu gelangen konte, nahm er seine Zuflucht zur List, und spielte dieser Kaufmanns-Frauen einen artigen Streich in Compagnie ihres Mannes, und anderer Manns-Personen und Frauenzimmers. Die Eyfersucht hatte ihn so scharfsichtig gemacht, dieser Frauen und ihres Galants Zusammenkünfte in den Garten auszuforschen; Und weil er davor bekandt, daß er in der Chiromantie oder der Wahrsager-Kunst aus der Hand was verstund, gab er selbst Gelegenheit, von dieser curiösen Wissenschaft zu reden. Kein Frauenzimmer war nicht so neugierig, daß sie ihm ihre Hand nicht von freyen Stücken solte darbiethen, um ihrer selbst Schmeicheley nach, was artiges daraus zu hören. Da er denn, vielleicht aus vorhergehabter Kenntnis, vielen ihre vergangene Zufälle von neuem sagte, und wegen des künftigen immer was Galantes hinzu setzete.

„Allein, ob er sich gleich alle dadurch verpflichtet, trug unsere schöne Kaufmanns-Frau doch Bedencken, ihm ihre Hand sehen zu lassen, welches sie aus Klugheit gar nicht weigern sollen. Ihr Mann wurde aber dadurch nur verlangender gemacht,|<43> etwas zu seinem Verdruß zu erfahren; und bewegte sie also nebst der übrigen Compagnie durch vieles Zureden, daß, wolte sie sich nicht durchaus verdächtig machen, sie dem die Hand geben muste, welchen sie ohne dem nicht viel Gutes zutrauete.

„Dieser schlaue Student besahe ihre Hand überall; und da er bey denen andern mit seiner Wahrsagung gleich war fertig gewesen, verzögerte er hier so lange, und machte dabey so besondere Minen, daß die andern aus Ungedult, etwas recht seltenes zu hören, ihm immer anlagen: Er möchte doch einmahl sagen, was er sähe; Es würde ja nichts so gefährliches seyn.

„Unsere schöne Kaufmanns-Frau ergriff ihn inzwischen bey der einen Hand, und bat ihn selber, sie nicht länger in Unruhe zu lassen; heimlich aber gab sie ihm durch ein sanftes Drucken zu verstehen, wie sehr er sie verpflichten würde, mit der Warheit hinter dem Berge zu halten.

„Doch dieser ausgestudierte Student wuste, wie weit er es treiben solte, um zu seinem Entzweck zu gelangen; Und fieng also nach einigen warhaften Kleinigkeiten, die er vielleicht vorhero ausgeforschet, gleichsam mit Verwunderung an: Er sehe etwas, das er fast in keiner eintzigen Hand noch gefunden; und wenn ihm dieses nicht eintreffen solte, so wolte er nimmermehr von der Chiromantie etwas halten. Auf inständiges Bitten kam endlich so viel heraus: Unsere schöne Kaufmanns-Frau müsse zu weilen, wenn sie des Abends in den Garten gieng|<44> von einem Gespenste geplaget werden, und würde sie, wenn sie aufrichtig seyn wolte, gestehen, daß sie solches mehrentheils um die und die Stunde bey der kleinen hinter Thüre erschrecket, welches sie aber aus Besorgung, um damit nicht ausgelachet zu werden, bishero verschwiegen.

„Wäre das Gewissen eine Uhr gewesen, man würde es gar vernehmlich haben schlagen hören: So aber suchte sie nur ihre euserliche Röhte darüber zu verbergen, und durch allerhand Schein-Erzehlungen des Studenten Kunst zu bekräftigen und druckte ihm heimlich die Hand so sehr, daß sie hätte blau werden mögen.

„Hier hielte nun dieser listige Fuchs es Zeit, eine ernsthafte Verstellung vor der andern Compagnie an sich zu nehmen, und der Frauen durch die Sprache der Hände wiederum zu eröffnen, daß er nicht weiter aus der Schule schwatzen wolle.

„Es war hierauf artig, wie sich bald die Frau und bald der Mann bemühete, ihn allein zu sprechen; Und weil solches der Mann mit mehrer Dreustigkeit thun durfte, gerieht darüber die Frau in solche Angst, daß sie einer vertrauten Freundin ihr Anliegen offenbahrete, und selbige ersuchte, weil es sich vor sie bey so gestalten Sachen nicht schickte, den Studenten auf die Seite zu ziehen, und ihm nur so viel zu sagen: Daß, wo er morgen um die und die Zeit die Stelle des Gespenstes zu vertreten Belieben trüge, solte ihm frey stehen, vor sothane Mühewaltung eine Gefälligkeit bey ihr auszubitten.|<45>

„Inzwischen hatte der Mann selbigem durch die theuersten Versprechungen bereits zugesetzt, ihm eine hierunter vermuhtete Intrigve von seiner Frauen zu entdecken. Allein weil dieser schon so viel urtheilte, daß er ausser dem Intresse auch seine Liebe, bey der andern Parthey würde vergnügen können, war er in diesem Stücke dieser schönen Frauen getreuer, und betrog den Mann durch sein Simuliren, daß er über diesem Handel zum wenigsten sehr zweifelhaftig blieb.

„Den andern Tag mochte unsere schöne Kaufmanns-Frau ihrem alten Galant eine Entschuldigung haben machen lassen, daß sie ihm die gewöhnliche Abend-Visite nicht verstatten könte, denn solche war anitzo vor dem neuen aufgehoben; und dieser, der sich über den gelungenen Streich unbeschreiblich in den Gedancken kitzelte, vermeinte den Himmel zu verliehren, wenn er nicht den Augenblick um die bestimmte Zeit erschiene.

„Die schöne Kaufmanns-Frau erwartete da seiner bereits, weil man in einer neuen Liebe gemeiniglich genauer und emsiger ist; und diese beyden Verliebten waren kaum über der Versieglung ihrer geschlossenen ewigen Freundschaft her, als der Mann, den die Eyfersucht vor diesmahl von seinen Galanterien weggetrieben, plötzlich hierüber zukam, und das Gespenst kennen lernete, wovon dieser gute Studente im voraus wahrgesaget.

„Hier besann sich der Mann gar nicht, daß er seiner Frauen auf gleiche Art Eintrag gethan; son-|<46>dern sein Gemüht war mit nichts als Rache angefüllet, und aus seinem Munde giengen Schelm, Dieb, H - - - hauen, stechen, ermorden, und umbringen. Allein der Student war so dumm nicht, so lange zu warten, bis der Mann seine Raserey mit mehr als blossen Worten an ihm ausüben könte, sondern er wischte geschwind zur kleinen hinter Thür hinaus, und überließ die schöne und Tugend-hafte Frau seiner Discretion allein.

„Man kan leicht erachten, was es hierauf vor schöne Händel müsse gesetzet haben: Diese zwey Leute, welche in Lindenfeld sich gar viel einbildeten, und nach ihrer Meinung nicht wenig angesehen waren, kriegten einander bey der Kartause, und zauseten sich auf eine gantz andere Art herum, als die erste Braut-Nacht geschehen: Du H - - - du Ehbrecherin, dich will ich ermorden, waren des Mannes seine Verpflichtungen; und du Sch - - - du Ehbrecher! hast du nicht auch mit andern geh - - -? klungen hingegen der Frauen Complimenten, dabey sie mit den Fingern so in seinem Gesichte herum tappete, als ob sie ein Clavier vor sich gehabt.

„Niemahls können die Furien besser abgeschiltert, oder von einem Holländischen Schnack ein paar grund-böse Eheleute in Kupfer natürl. abgestochen werden, als die Figur dieser beyden so galanten und reichen Leute war; und ob der Mann seine Frau gleich etliche mahl überpurtzelte, daß ihm alles in die Augen fiel, was ihn sonst in eine Entzückung ge|<47>bracht, war es doch sonderbahr, daß ihn dieses nur zu mehrer Erbitterung reitzete.

„Ich glaube, die Tollheit solte ihn so weit verleitet haben, keinen Regard auf sich selber zu haben, sondern die Frau, um etwas, zu ermorden, so er selber vor so zuläßig geschätzet, wenn nicht das Hauß-Gesinde darzwischen gekommen, und sich vor diesmahl einer Autorité angemasset, welche sonst Herren und Frauen über sie haben; Denn der Kutscher riß seinen ehrlichen Herrn mit Gewalt hinweg, und da ihm dieser aus wütendem Eyfer etliche mahl hinter die Ohren schmiß, gieng es so leer nicht ab, daß der Knecht nicht wiederum mit ein paar Dachteln replicirte, bis er ihn so weit zur Raison brachte, daß er vor Schaam und Verwirrung in sein Cabinet lief, und sich da eine gute Weile verschloß.

„Die Frau war in diesem Stücke noch vernünftiger, denn so bald sie des Mannes Klauen entgangen, ließ sie sich von ihrem Mädgen wieder zurecht putzen, und durch den Kutscher zu einem andern ansehnlichen Kaufmann, der ihr, und ihres Mannes guter Freund, führen.

„Diesem hinterbrachte sie die gantze Sache mit offenhertziger Bekenntnis, wie sie ihr Mann durch seine üble Aufführung zu diesem Fehler verleitet, und versicherte anbey, wo ihr Mann die Sache ruchbar machte und sie in Güte nicht wieder annähme, wolle sie sich von ihm scheiden lassen, weil er sie über keiner That nicht angetroffen, und sie ihm des Verdachts wegen so viel, als er ihr beweisen könte.|<48>

„Dieser Kaufmann nahm noch ein paar von des Mannes Anverwandten mit sich, und brachte durch vernünftige Vorstellung es dahin, daß er seiner schönen Frauen das Laster pardonnirte, so er in sich selber zu tadeln hatte: Und weil aus einerley Gemühts-Art sonsten die beste Freundschaft entstehen soll, so zweifle nicht, daß diese vollkommen gleiche Eheleute hinführo vergnügt werden mit einander gelebet haben.“

In solchen Discoursen waren sie so weit von Salaugusta kommen, daß, wie ihnen der Post-Wagen nach Lindenfeld begegnet sie aus Begierde solches wieder zu sehen, sich auf selbigem setzten, und nach der schönen Stadt zufuhren.

Sie kehrten in einem Gast-Hof ein, wo das Hauß voller Fremden, daß kein eintziges Zimmer vor sie allein leer war; und wurde ihnen frey gestellt, in welchem sie ihre Zeit des Tages passiren wolten; des Nachts aber solten sie mit guten Schlaf-Zimmern allein versehen werden.

Wie sie nun in dem nähesten eintraten, zog ihnen ein starcker Geruch von Toback entgegen; und ob gleich ein gantzer Tisch voller Personen saß, welche bey ihrem Schmauchen zugleich spielten, konten sie doch selbige vor den Dampf kaum erkennen.

Sie waren zwar keine Feinde von dem Toback; Gleichwohl da sie nicht mit rauchten, fiel es ihnen beschwerlich, und blieben also nicht lange darinnen.|<49>

Inzwischen wußten sie nicht, unter was vor Compagnie sie gewesen; Denn an dem Fluchen, Spielen, und der nachläßigen Kleidung hätten sie solche vor Soldaten halten sollen; Allein weil manchmahl Lateinische Wörter mit unterliefen, und ein gelehrtes Urtheil mehrentheils von lustigen Sachen gefället wurde, blieben sie, wegen der Condition, dieser ohngefehr 24 Jährigen Herren, zweifelhaftig.

Der Haußwirth, führte sie demnach auf ihr Verlangen in ein ander Zimmer, wo sie einen so schönen Geruch von Pouder und Jesmin empfunden, als ob sie bey der Frühlings-Zeit in einen Apothecker Garten gekommen; Wie denn sechs Pouder-Büchsen, und etliche ausgeleerete Jesmin-Gläser noch auf dem Tische stunden, und die Herren, die sich damit accomodirt, bey dem Eintritt unserer zween ansehnlichen Cavaliers recht bekümmert waren, ehe der Hauß-Knecht alles wieder abgekehret.

Inmittelst machten sie denen unsrigen viele verpflichtete Complimenten, daß, weil es ein Wirths-Hauß, wo man keine besonderer Gelegenheit sich zu bedienen hätte, sie ihnen, diese wider Willen verursachte Incommodité, pardonniren möchten.

Die unsrigen antworteten höflich, und entschuldigten sie durch eine überall in Wirths-Häusern vergönnte Freyheit, sich da so gut zu bedienen, wie man könte.|<50>

Allein das Complimentiren war damit noch nicht aus, sondern es gieng gleichsam nach der Reihe, daß es einer anfieng, wo es der andere gelassen; Und schiene, als ob sie unsere beyde Cavaliers examiniren wolten, wie fleissig sie die Complimenten-Bücher durch studiret.

Inzwischen sich nun welche in der Schule der überflüssigen Höfligkeit mit unsern beyden Cavalieren exercirten, giengen welche in der Stuben auf und nieder, und sangen theils ein Frantzösisches Liedgen, theils eine verliebte Arie aus der Opera; Ein anderer stund vor dem Spiegel, und raufte sich mit einem kleinen Balbier-Instrument die Haare aus dem Barte, worüber sich unsere beyden Cavaliers zum höchsten verwunderten, weil diese junge Herr schon vorhin mehr einen Milch- als Männlichen Bart hatte. Ob sich nun seine Inclination beschweret, es möchten aus den Milch- mit der Zeit rechte Haare und ihre zarte Haut dadurch im Gesicht incommodirt werden, konten sie mehr muhtmassen als wissen.

Was sie aber das Lachen zu verbeissen noch stärcker nöhtigte, war, daß noch ein anderer, gleichsam unvermerckt, einen Brief aus der Taschen zog, und wenn er solchen geküßt, die Augen geschwind und furchtsam auf sie wendete, ob sie auch solches wahrgenommen.

Diese verliebte Kinder-Possen verursachten ihnen die kurtzweiligsten Gedancken; und hier funden sie wahr: Daß die Liebe auf gewisse Art die|<51> klügsten, und auch die allerpoßirlichsten Menschen könne machen.

Allein mit der Zeit erweckten ihnen dergleichen Sachen einen Eckel, und sie empfunden einen Widerwillen, in grosser Leute Gesellschaft zu seyn die ihre seltsame Gemühts-Bewegungen so wenig verbergen konten; Und weil ihnen der Zwang zugleich jammerte, den sich diese Herren augenscheinlich anthaten, in ihrer Gegenwart nicht allezeit frey in den Spiegel zu sehen; so suchten sie noch ein ander Zimmer.

Hier musten besondere Ursachen ausgesonnen werden, warum sie weggiengen, denn sonst wären sie von ihnen, ob sie es gleich wünschten, mit Complimenten zu todte bombardirt worden. Sie stellten sich demnach, als ob sie sich ein wenig umsehen wolten; Und mit dieser Manier kamen sie von ihnen loß.

Wie sie über den Saal gewandert, und über einen langen Gang, auf welchem viele Zimmer und Kammern der Reihe nach gebauet schienen, ihren Weg nehmen und sich nach einer bessern Gelegenheit umsehen wolten, war die Thür an selbigen zu gemacht, und hinter solcher schallte ihnen das Murmeln einer Person entgegen, als ob sie eine Predigt auswendig lernen wolte.

In solcher heiligen Arbeit jemanden zustöhren, machten sie sich ein Gewissen; und forschten mit den Augen, wo sie sich sonsten hinwenden konten. Gleichwohl, da Selander neugierig, von dieser, dem Vermuhten nach, geistlichen Materie was schönes zu|<52> hören, spitzte er die Ohren trefflich, da er die Worte vernahm:

Ich gratuliere mir von Hertzen, die Ehre zu haben, Mademoiselle in gutem Wohlergehen zu sehen, und dero höchstangenehme Gesellschaft zu geniessen; Nach welchem Glück ich bishero unendlich geseufzet, und Lebens lang ein ewiger unterthäniger Diener von ihnen seyn werde, wo sie an meiner Gesellschaft nur den hundersten Theil so viel Vergnügen, als ich an den ihrigen, zu finden capabel wären.

Monsieur seine Gegenwart, antwortete jemand mit einer Frauenzimmers-Stimme, ist mir gantz angenehm; Ich weiß aber nicht, ob er sich ein so grosses Glück aus der Gesellschaft seiner Dienerin wird machen können.

Versichert das allergröste auf der Welt; Gab die Manns-Person hierauf, und sind sie allzeit modest, sich eine Dienerin von mir zu nennen, da sie mein Hertz vor die vollkommenste Gebietherin schätzet, und um nichts mehr als die Erlaubniß bittet, sie Lebens lang dergestalt zu ehren.

Sie belieben mit ihrer Dienerin nur zu schertzen, erwiederte das Frauenzimmer; Ich kan|<53> den Ruhm einer Gebietherin von ihnen nicht annehmen, indem sie schon weit schönere darzu werden erwehlet haben.

Im geringsten nicht, unvergleichliche Meurine, versetzte der Galant, sie besitzen so viele Annehmlichkeiten, Tugenden und Seltenheiten, welche man mehr bewundern als beschreiben kan; Und diese, wo mirs erlaubt zu sagen, haben mein Hertz dergestalt gefesselt, daß es keine andere und schönere Gebiehterin, als dieselben zu wehlen, vermögend sind.

Sie seynd allzugütig, mir etwas zu sagen, so ich bishero an ihnen so wenig verspüret, als ich es itzo vor was anders, als einen höflichen Schertz auslegen kan; waren des Frauenzimmers Worte.

Schönste Meurine! zweifeln sie noch an meiner Ergebenheit? solten sie aus meinen Augen bishero nicht gelesen haben, wie sehr sie mein Hertz anbetet? Ach unmöglich kann es ihnen verborgen seyn, und sie stellen sich zu meiner Marter nur, als wüsten sie die Heftigkeit meiner Liebe nicht; So klagte der Amant im Gegentheil.

Auch das vollkommenste Frauenzimmer, erklärte sie sich hierauf, würde gegen eine|<54> solche qualificirte Person nicht unempfindlich seyn, wo sie dero Versicherungen glauben dürfte. Sie erlauben aber, daß ich frage, was sie itzo nöthiget, mir ein so verpflichtetes Bekenntniß zu thun, da sie doch schon vielmahl Gelegenheit darzu gehabt?

Monsieur Rosenberg allhier läßt sich so sehr angelegen seyn, einer so schönen Person zu gefallen, sagte er, und weil er mich zum Unglückseeligsten machen würde; wo er davon trüge, was ich mir am liebsten und allein wunsche: so nöthiget mich diese Gefahr, Mademoisellen um eine geneigte Erklärung vor mich zu bitten.

Monsieur Rosenberg hat mir sein Hertz noch nicht angetragen; und so eine Wahl bey mir stünde, würde ich sehr übel thun, dieselben nachzusetzen. Dergestalt gab sich dieses geliebte Frauenzimmer auf einen so kurtzen Liebes-Antrag schon gefangen, und unser Galant war deswegen so vergnügt, daß er mit hellerer Stimme als zuvor antwortete:

Diese gütige Versicherung, daß mir die schönste Meurine einen Vorzug vor Monsieur Rosenbergen gönnen wollen, verbindet mich ihnen unendlich, und darinnen beruhet eben|<55> meine gröste Glückseeligkeit, in der Gunst eines so Englischen Frauenzimmers vor allen auf der Welt zu stehen, und ein so unschätzbares Vergnügung bis an das Ende meines Lebens durch alle Ergebenheit und Treue zu geniessen.

So lieben sie mich denn aufrichtig, fragte das Frauenzimmer, und halten um meine Gegengunst an?

Ja Liebens-würdigste Meurine, verpflichtete sich der Amant, dero unterthäniger Diener betet sie in seinem Hertzen schon längstens an, und bittet um die Gnade, in dero schönen Gunst bis in das Grab der glückseeligste und getreueste Verehrer von der himmlischen Meurine zu bleiben.

Selander hatte inzwischen Tyrsates zugleicher Curiosité bewogen, diese verliebte Complimenten anzuhören; und weil sie glauben musten, daß nechst an der Thür ein Zimmer, worinnen diese beyde den Grund zu einer neuen Liebe so bald gelegt, so wunderten sie sich nur, warum die andere Gesellschaft so still, daß sie solche nicht einmahl vermerckten.

Wie ist es, schönste Meurine, hub der Amant von neuem an, wird meine getreue Liebe von ihnen verworffen, und wollen sie das Urtheil meines Todes schweigend geben?|<56>

Wollen sie noch ein mündliches Bekenntniß von mir haben, gab sie darauf, und sagen ihnen meine Augen nicht, wie viel sie schon über mich gewonnen? Ach sie wissen schon zu viel von mir, und um unsern Aufmerckern keinen Verdacht von unserer Unterredung zu geben, so lassen sie mir bis ein andermahl Zeit, mich völlig zu erklären.

Hierauf ward es ein wenig still; aber bald fing der Amant an: Gut, nun noch einmahl: Ich gratulire mir von Hertzen die Ehre zu haben, Mademoisellen in gutem Wohlergehen zu sehen, und dero höchstangenehme Gesellschaft zu geniessen, nach welcher ich bishero - - - -

Tyrsates und Selander fiengen hier erschrecklich an zu lachen; und der andächtige Amant wurde so beschämt und verwirrt, Leute so nahe bey sich zu wissen, daß er über Hals und Kopf fort lief, und sein gantz Concept von Complimenten liegen ließ, welches sie hernach bey Eröffnung der Thür fanden, und ein Excerpten-Buch von allen Complimenten aus des Herrn Talanders Romanen* in die Hände kriegten.

Dergestalt war ein eintziger verliebter Kerl hinter der Thür, wo sie eine gantze Gesellschaft vermeinet, und Zeit ihres Lebens hatte sie niemand seltsamer betrogen, als eine Person, die sie durch die Liebe des Ver-|<57>standes beraubt hielten; und die ausser eines Manns- auch eine Frauens-Person mit der Stimme vorgestellet.

Es setzte also folgends die artigsten Glossen, daß der Amant seine Schöne in Gedancken schon besiegt, und im voraus wuste, was sie auf seine Verpflichtungen antworten würde; und da der Hauß-Knecht hierüber zukam, welchen der Amant vorbey gelauffen, fragten sie: Wer er sey, und was die beyden Compagnien vor Leute wären, in welchen sie gewesen.

Der Hauß-Knecht sagte: Daß es ein Lindenfeldischer Studiosius und zu der Gesellschaft gehörte, aus welcher sie alleweil gegangen; die in dem andern Zimmer aber wären Studenten aus Jenona.*

Sie urtheilten demnach: diese Herren Studenten würden auf den Abend in eine Frauenzimmer Compagnie zu kommen das Glück haben, weswegen sich die unten im Zimmer so trefflich ausgeputzt, und der eben hinter der Thür mit den schönsten Complimenten wider seinen Neben-Buhler, Monsieur Rosenberg, bewaffnet; und hätten der himmlischen Meurine gern das Complimenten-Buch zugeschickt, damit sie auf ihres Amanten Antrag fein in der Form antworten, und keine Confusion vorgehen möchte, wenn ihr irgends andere Worte beyfielen, darauf sein Gegen-Compliment nicht paßte, oder sie aus Mangel solcher verliebten Beredsamkeit gar still schwieg.|<58>

Wo es nur, hub Tyrsates an, dem guten Complimentisten nicht wie jenem Ambassadeur ergehet, welcher vor seiner Audienz bey dem Könige einen Hauffen Säcke in sein Zimmer setzte, und gegen solchen nicht allein die gewöhnliche Reverenze machte, sondern auch seine gantze Rede herbetete. Wie er aber bey der Audienz etliche mahl stockte, und endlich aus Verwirrung gar still schwieg, beklagte er: Daß seine Säcke nicht eben das Ansehen als der König gehabt; und sagte: Es sey doch anders, mit hohen Personen als leblosen Dingen reden; also dürfte es auch unserm Galant bey seiner Meurinen anders als bey der Thür ergehen.

Hiemit sprachen sie in dem dritten Zimmer ein, wo ein Hauffen junge Bursche mit seidenem Etofe,* Bändern, güldenen Stücken, und dergleichen beschäfftiget waren, daß sie also die Vögel an den Federen oder die Herren Kauffmanns-Diener an den Wahren erkennen konten.

Sie giengen gar wohl gekleidet; aber ihr Wesen war so eingerichtet, als mehrentheils Leute von der Elle sich aufzuführen pflegen. Sie trancken heissen Sect mit Eyern, und ihre Minen und Geberden zeigten sattsam, daß es eine andere Sorte von verliebten Leckern, welche, wie unsere Cavaliere aus dem verblümten Reden urtheilen konten, ihren Herren diese Galanterie-Wahren abgestohlen, um solche ihren Inclinationen zu schencken.

In solcher Compagnie nun zu bleiben war ihnen weit verdrießlicher als in den andern; und endlich aus dreyen eine zu erwehlen, begaben sie sich zu den Jenonischen Studenten, wo sie eine Pfeife Toback mit schmauchten, und sich an ihren lustigen Discoursen und freyem Wesen mehr als an der andern affectirten Bezeugungen ergetzen konten.

Nach der Mittags Mahlzeit, suchten sie ein paar gute Freunde, die sie von den Studenten zu Lindenfeld kannten, und durch diese gelangten sie des Abends in Gesellschaft von Frauenzimmer, woselbst es theils gut, und theils poßierlich hergieng.

Das Frauenzimmer in Lindenfeld hat sonsten den Ruhm, daß es klug, und man sich in ihrer Compagnie gescheut und behutsam aufführen müsse; Allein unsere Cavaliers fanden der meisten ihrer Caracter so beschaffen, daß sie zweifelhaft blieben, ob das Frauenzimmer in Lindenfeld vielen Studenten oder die Studenten vielen Frauenzimmern den Verstand benommen.

Ihre gantze Galanterie bestund in poßierlichen Sprüchwörtern, gezwungenen und zuweilen höhnischen Mienen, unzeitigen Complimentiren, keinem scharfsinnigen Schertze, und einem Wesen, das durchaus mehr Coquetten- als Tugendhaft war:|<60> Denn wenn es das geringste gab, oder einer von den Studenten, darunter ein paar artige und sehr geschickte Leute, einen galanten Schertz anbrachte, waren sie alsofort mit ihren gewöhnlichen Sprüchwörtern fertig: Ich dachte, was mich bisse; Meinen sie es so: Je Vettergen mein Ding; Ist es möglich: Ließgen merckstu was: Der Herr mache sich nicht zu grüne, sonst fressen ihn die Ziegen; wie viel auf ein Loth: Der Herr ist so verschmitzt, wie eine Fuhrmanns Peitsche: Fietgen, er will einmahl; Ich habe meinen Affen heute Zucker gegeben, welches letztere ein Fräulein am Salaugustischen Hofe soll aufgebracht und gesagt haben, wenn sie lustig gewesen.

Von einem sittsamen und doch dabey ansehnlichen Wesen, welches man Air de Qualité nennet, und wordurch man sich, als auch andern Leuten eine Liebens-würdige Ehre erweiset, wusten sie wenig, und Selander und Tyrsates würden sich bald aus der Compagnie begeben haben, wenn man nicht ein und ander lustiges Spiel angefangen, die daselbst sehr gebräuchlich; denn da gefiel es ihnen in etwas besser, und ereigneten sich dabey eine paar rechte Abendtheurliche Streiche:

Man spielte das Schuchs, wo man sich, wie bekandt, neben einander auf die Erde setzet, und den Schuch durch die Beine endlich an einem Orte verstecket. Nun war ein Studiosus so gefällig gewesen,|<61> seinen schönen Scharlachen Mantel herzugeben, damit sich das Frauenzimmer desto sanfter möge niederlassen; allein ein Frauenzimmer hatte solchen, damit er in Regen-Wetter nicht einkrümmen möge, ziemlich eingeweicht; welchen Fehler zu verbergen, sie sich ein Glaß Wasser geben ließ, und damit noch einwässerte, was vorhero trocken verblieben.

Was lächerliches aber trug sich mit einem Studenten zu, welcher in selbigem Hause logirte, und ein Herr Magister, sonst aber ein poßirlicher, und nicht unebener Kopf war. Das Frauenzimmer wuste, daß durch seine freye und gleichgültige Aufführung eine Gesellschaft ziemlich aufgemuntert ward, und also liessen sie seine Entschuldigung, daß er itzo studieren müsse, so wenig gelten, daß sie ihn selber im Schlaf-Peltz herunter hohlten.

Er machte bey denen andern ein Compliment wegen dieser Freyheit, allein das Frauenzimmer nahm aus einer Vertraulichkeit seine Partie an, und entschuldigte ihn selber; wie er nun die kurtzweiligsten Sachen im Spielen dem Frauenzimmer auferlegte, so suchten sich diese an ihm zu rächen, und geboten einmahl er solte von ihnen allerseits einen derben Plätzer aushalten. Dieser durchtriebene Gast weigerte sich im Anfang ein wenig, aber nur damit ihn das Frauenzimmer mehr nöhtigen möchte, welches ihn auch sämtlich über den Tisch zog, den Schlaf-Peltz aufdeckte, und gleichsam voller Ungedult in höchster Geschwindigkeit mit den Händen drüber herwischte.|<62>

Aber wie fiengen die guten Dinger nicht an zuschreyen, da sie auf die blosse Haut geklatschet, und weil der Herr Magister keine Unterkleider angezogen, alles in seiner natürlichen Positur liegen sahen? Sie hielten die Finger trefflich vor die Augen, und hätten sich vielleicht viele, die sich wie die Füchse schämten, auch so zu Bette begeben, wo es ihnen erlaubt gewesen: Denn wenn manch Frauenzimmer in Sachsen dem andern eine süsse Ruhe wünschen will, so sagen sie: Daß es wie ein Fuchs schlafen möge.

Nach geendigter Compagnie begaben sich unsere beyde Cavaliere in ihr Wirthshauß, und zur Ruhe, Selander aber konte deren nicht lange uns sicher geniessen, indem ihn eine kleine Unpäßlichkeit nöhtigte, etliche mahl aufzustehen.

In einem unbekandten Hause und bey Nacht-Zeit kan man sich leicht verirren, und ich weiß nicht, ob er in der Jungfer im Hause, oder eines fremden da logirenden Frauenzimmers ihr Zimmer kam, denn als er mit den Händen um sich griffe, um vielleicht nach der Gelegenheit zu fühlen, umarmte ihn jemand mit den Worten: Seyd ihrs mein liebster Rosenberg? Dabey sie ihm einen so safftigen Kuß versetzte, daß seine Lippen, wie die Verliebten reden, überall benecktart worden.

Daß es ihm nicht angenehm gewesen, hat er dem Tyrsates hernach zugeschworen; und ob er sich gleich loß wickeln wolte, umfaßte ihn doch dieser ver-|<63>liebte Nacht-Engel so fest, und schiene selber handgreifliche Discourse bey Selandern anzufangen, daß er theils aus Noht, und theils ihr einen Possen zureissen, sich ihres Bettes zu etwas bediente, und solche nohtdürftige Caressen hinterließ, welche dem Frauenzimmer vermuthlich keine appetitliche Ruhe geschencket.

Sein Trost war dabey, daß sie ihn nicht kennte, sonsten würde sie ihn vor einem unsaubern Galant gehalten haben, und wünschte er ihr nur den Jesmin, welchen ihr geliebter Rosenberg den Tag überflüssig verbraucht.

So unschuldig hatte er das Lager eines galanten Lindenfeldischen Studenten verderben müssen, welches derselbe in der Nachfolge schon wird empfunden haben, und konte er dem Tyrsates seine Curiosité nicht bergen, ihre Entschuldigung deswegen gegen ihm anzuhören.

Allein seine Unpäßlichkeit nöhtigte ihn noch einmahl, das Haus durchzuwandern, und in Ermangelung eines Lichts im Dunckeln zu suchen, wo er sich von einer beschwerlichen Sache befreyen möchte; Und da verfiel er unter andre Hände, welche ihn noch stärcker, als die zuvor anpackten.

Liese bist du es, wo bleibst du so lange du F - - - der T - - hohl mich, der Sch - - - dergestalt und noch safftiger klungen die Complimenten, die man hier mit dem guten Selander machte.|<64>

Er wolte sich loß reissen, allein weil dieser von neuem anfieng: Nun schier dich fort du F. ich laß dich dieser und jener hohl mich nicht gehen; und er aus der Art zu reden ohngefehr hören konte, daß es ein Jenonischer Student, welcher sich mit der Hauß-Magd, wie der Lindenfeldische, mit der Hauß-Jungfer, erlustigen wollen, hielt er vor rahtsam, sein Geschlecht zu erkennen zu geben, warauf der Student ungedultig davon wischte, und Selandern bey seinen Verdrießlichkeiten kurtzweilige Gedancken genug verursachte.

In so kurtzer Zeit hatten sie in Lindenfeld so viel erfahren, daran sie auf dem gantzen Zurückweg nach Salaugusta sattsam zu lachen; woselbst sie eine Zeitung erfuhren, womit sich alle Einwohner als einem nie erlebten Wunder-Wercke trugen; Denn die allerkeuscheste, die allereigensinnigste, die allerklügste, und die dem Manns-Volck gehässigste Dame in Salaugusta, die unvergleichliche Causabona nemlich, hatte sich an einen liederlichen, verzagten, versoffnen, verhuhrten und durchaus nichts-würdigen Officier verheyrahtet, der den Titul, als Leutnant führte, und mit welchem sie sich von einem Dorf-Priester, in der Schencke, wo in der Meß-Zeit gewöhnlich viele Krams-Vögel hinkamen, so geschwind trauen lassen, daß sie ehe das Beylager miteinander gehalten, als jemand in Salaugusta von ihrer Verbindung etwas gewust.

Wo es in Hamburg gewesen, so hätte man vielleicht davon, wie von einem Wunder-Wercke, ein Lied auf der Gassen ausgerufen; Allein|<65> Selander und Tyrsates nebst dem ehrlichen Castrato konten die Ursach genugsam erachten, und sahen nun mehr als zu wohl, wie weit die Verzweifelung ein Frauenzimmer bringen kan, der man die Masqve der Scheinheiligkeit auf eine vor sie so schimpfliche Art, abgenommen, und die numehro nicht die geringste Ehre zu behalten meinet, nachdem sie vorhero durch den Schein die Leute allzusehr betrogen.

Sie war zum Gelächter des gantzen Hofes, und der Stadt, und da dichtete man ihr tausenderley Ursachen an, warum sie den allerthörichsten Streich in der Liebe begangen, da sie vorhero die alleredelste Liebe vor eine Thorheit geschätzet; Aber unter allen den Muhtmassungen, war doch keine so abscheulich, die der rechten Veranlassung ihrer getroffenen Wunderschönen Heyraht gleich kam, weil die meisten von der sonst beruffenen Causabona sich nicht einbilden können, was der lose Castrato hernach unter seine gute Freunde, und diese es wiederum unter alle Cavaliers und Dames, und endlich die Laqueyen von denen, unter das gemeine Volck brachten.

Da änderte sich ihr Humeur nun dergestalt, daß alle, doch mehrentheils gemeine Officier, unter welche zuweilen ein Corporal oder Gefreyter mit einschlich, ihr die Zeit fast Tag und Nacht verkürtzen musten, und sie ohne solche Gesellschaft fast zu sterben vermeinte: Dabey denn, ihrem Manne zu Gefallen|<66> von einer Amour en passant, oder Abwechselung in der Liebe so herrliche Urtheile gefällt wurden, daß viele von Condition aus Neugierigkeit hingiengen, um diejenige die Wollust zu behaupten hören, die selbige zuvor mit so nachdrücklichen Gründen tadeln können.

Was das Fräulein Fulvien anbelangte, so saß das arme Ding gantz verlassen; Denn weil sie von ihren vornehmen Freunden etliche mal von Causabonen war gehohlet, und ihr mit dem Zucht-Hause gedrohet worden, konte sich solche von ihrer so wehrt gewesenen Freundin die Ungedult nicht länger vertreiben lassen; Und da auch Castrato nun destoweniger anbeissen wolte, blieb sie unverheyrahtet sitzen, und wurde zu ihrem Trost unter die gezehlt, welche (quali) aus Andacht und keuscher Enthaltung sich hundert Jungfräuliche Falten lassen wachsen.

In Salaugusta länger zu bleiben, war beyden nicht angenehm, und Selandern wegen seiner gehabten unglücklichen Liebes-Affaire verdrießlich, darum vermeynte er mit dem Orte auch seinen noch übrigen Gemühts-Kummer zu verändern; Und weil sie das schöne Sachsen schon sattsam gesehen, trieb sie die Neugierigkeit, und die zwischen ihnen gemachte feste Freundschaft, nach Italien zu gehen, und zur Zeit des Carnevals sich der Lustbarkeiten in Venedig zu bedienen.

Alle kurtzweilige Kleinigkeiten unter Weges, zu erzehlen, dürfte nicht so angenehme, als langweilig fallen; Darum sage nur, daß sie glücklich in Venedig anlangten, und ihr erstes Vergnügen seyn liessen, in die Opern daselbst zu gehen.|<67>

Wer die Music in Italien nicht vor die schönste in der Welt achtet, passiret vor einem Menschen, der entweder gar keinen Verstand davon hat, oder die rechte Delicatesse derselben nicht begreift: Und würde ich von den Eigenschaften unserer beyden Cavalier einen schlechten Abriß machen, wenn nicht sagte, daß sie davon überaus grosse Liebhaber gewesen.

Sie fanden auch in diesen Opern oder der Music vielmehr, was sie ungemein ergetzte, und wenn die Stimmen des Frauenzimmers auf dem Theatro nebst ihrer Kunst an sich unvergleichlich, so wurde solch Lieblichkeit durch die Schönheit und Actionen derselben noch mehr recommandiret.

Sie besuchten selbige gar vielmahl und klatschten mit den Händen, und ruften das encor un volta getreulich mit, wenn die Zuschauer ihr Vergnügen über eine schöne Arie bezeugen, oder selbige noch einmahl hören wolten.

Allein sie wunderten sich bald darauf, da das Hände-Klatschen so gemein ward, und man auf solche Art was rühmte, welches nicht eben ausserordentlich, sondern sich noch wohl halten ließ. Weil nun geschickte Leute überall auch gute Bekandschaft finden, und die unsrigen einige andere Cavaliere fragten, bekamen sie zur Nachricht: Daß gar viele Leute in der Opera ihre Freund nicht deswegen bezeigten, weil eine überaus gefällige Arie gesungen worden, sondern weil sie eine Person gesungen, die ihnen überaus gefällig: Also wären es mehrentheils Amanten, welche|<68> von dem Opern-Frauenzimmer zu samt ihrem Verstande bezaubert worden, und die, weil sie ihren Gebieterinnen nicht persönlich ihre verliebte Hochachtung aufopfern könten, ihnen dadurch ein Douceur machen wolten.

Uber diese Thorheiten lachten unsere Cavaliere noch mehr, als ihnen ein und der andere Anbeter von diesen Theatralischen Göttinnen gewiesen ward, und sie sahen, wie sie herum liefen, und alle gute Freunde und Bekandte ihnen zu Gefallen mit in die Hände zu schlagen, ersuchten.

Ja es gab zuweiln einen kleinen Streit oder heimlichen Verdruß, den man ihnen doch aus den Augen und Geberden lesen konte, wenn andere ein Opern-Frauenzimmer dergestalt ehrten, der sie nicht gut waren, und hingegen bey einer Arie ihrer Maitresse stillschwiegen: Da gieng es denn auf ein Sticheln loß, und der schalt auf diejenige, aus welcher andere ein Wunderwerck, oder wie die Herren Poeten reden, die Sonne von allen Frauenzimmern wolten gemacht haben, und die er hingegen anbetete, ward vor eine Machine gehalten, in welcher schon etliche hundert nach den entzückten Narren-Himmel gefahren.

Beyderley Arten von diesen Leuten waren nicht wohl verwahrt unter dem Hute, und einige rühmten an ihren Schönen mehr Keuschheit, als gewöhnlich oder mehrentheils bey Opern-Personen zu finden;|<69> Andere aber hechelten sie über die Billigkeit durch, und beschuldigten sie einer so grossen Menge der Laster nur darum, weil sie solche gerne mit ihnen begangen, und keine Gelegenheit oder Erlaubniß dazu finden können.

Gewiß ist, daß schöne und dabey vollkommen keusche Opern-Personen haben wollen, fast weisse Raben und schwartze Schwäne in Teutschland suchen heisset. Wenn der wunderbahr beschriebene Salamander vor ein Gedicht von den Klügsten gehalten worden, so sind dessen unschätzbare Eigenschaften ohnfehlbar in einem Opern-Frauenzimmer zu finden, die so keusch, daß sie mitten unter den Flammen tausend gefährlicher Anbeter unversehrt bleibet.

Es gehöret aber eine ungemeine Heldenmuht des Geistes darzu, alle Tage die Allerreitzenste Gelegenheit zu lieben zu haben, und nie so empfindlich zu werden, sich der angebohrnen Schwachheit zu erinnern: Ja allezeit durch die annehmlichste Music sein Hertz zur Wollust ermuntern, von nichts als Liebe singen; Nichts als verliebte Geberden machen; Sich auf die Kunst zu charmiren mit allem Fleiß legen, um denen Zuschauern durch ihre Action zu gefallen; TausendSchöne, verpflichtete, galante, beredte, reiche und|<70> vornehmste Verehrer um sich haben, die auf die allerersinnlichste Art einen Menschen mit einer wollüstigen Profession gantz umgeben, zu fällen suchen, und dennoch seine Begierden nicht zu stillen, hiesse mitten unter den lieblichsten Geträncken von der Welt, ja mitten unter den warhaften Götter-Nectar sitzen, und den grausamsten Durst empfinden, aber seine Seele mit keinem eintzigen Tropfen erfrischen wollen.

Tausend Lucretien wären dergestalt nicht so schätzbar, als ein eintziges Liebenswürdiges und keusches Frauenzimmer in Opern; Denn jene in der Welt so hoch gepriesene Dame stach sich den Dolch nach geschehener Befleckung ins Hertz; Hier aber würde ein Leib voller heftigen Begierden alle Tage ermordet, und die Menschheit auf die allerempfindlichste Art aufgeopfert, um eine unbefleckte Seele zu erhalten. Die allergrösten Helden, die ehmals der Erd-Boden getragen, müsten solchen schönen und keuschen Personen die Palmen des Sieges lassen, indem zwar mancher den halben Theil der Welt bezwungen, und dennoch bey Erblickung einer Schönheit in die Banden seiner eigenen Begierden geschlagen worden.|<71> Solche Heldinnen der Tugend aber siegeten auf solche Manier, nicht alleine über die grösten Alexander, sondern auch über ihre eigene Passion; Und der durch seine glückliche Waffen berühmte Carolus V,* ist nicht der eintzige, welcher kaum die Helfte so vieler Feinde erschlagen, als er Seuftzer einer annehmlichen Sängerinn aufgeopfert, und sein Hertz zu ihren Sclaven gemacht.

Wenn es also nicht nur eines vollkommenen Frauenzimmers, sondern eine alle Kräfte der Helden übersteigende Tugend, auf dem Theatro fast täglich vielen Personen gefallen, und sich keinen eintzigen davon, eine kleine Ausschweifung in der Liebe zu begehen, gefallen zu lassen; So hat gewiß das Frauenzimmer in der Stadt, auf dem Lande, oder am Hofe, sich ihrer Keuschheit vor jenen nicht allzu hoch zu rühmen: Denn das heißt nicht Tugendhaft bleiben, wenn man keine heftige Reitzung zur Wollust fühlet, oder nicht immer die schönste Gelegenheit hat, Liebes-Fehler zu begehen: Wenn sie gleich schön, so fällt ihre Annehmlichkeit|<72> nicht aller Welt, wie auf dem Theatro, in die Augen, sie entzünden nicht öffentlich durch eine liebliche Stimme; Sie haben nicht die Freyheit, verliebte Geberden zu machen, und die Leute dadurch zu bezaubern; Also haben sie keine so heftige Liebes-Stürme zu gewarten; Und wenn man sie gleich liebet, so mangelt vielmahls die Gelegenheit es ihnen zu sagen; Und wenn man es ihnen gesagt, so haben sie viel Aufseher, wodurch sie zu Befriedigung ihrer feurigen Begierden nicht gelangen können; Dagegen Opern-Schönheiten in einem Stande leben, der ihnen mit Leuten umzugehen, mehrere Freyheit giebt, und man sie unter dem Schein einer Hochachtung vor die Music gantz sicher zu einer Liebes-Collation kan bitten lassen.

Ja ich kenne manche wegen ihrer Tugend berufene und sich deswegen viel einbildende Dame in der Stadt, die nicht der geringsten in Opern an Keuschheit würde gleich kommen, wenn sie so viel Anmuht als jene besäß, und so vieler Gelegenheit unterworfen, eine schöne Sünde zu begehen. Und meine Meinung frey zu sagen, so halte zwar kein|<73> Opern-Frauenzimmer vor recht honnet, das sich das kleine Theatrum betreten lassen; Aber doch viel honneter als eine andere ausser den Opern lebende Person, die eben den Fehler begangen, weil sie nicht so viele Reitzungen und gefährliche Anfälle als jene dazu empfunden.

Gleichwohl muß man durch das wohlgegründete Urtheil vom Opern-Frauenzimmer nicht allen sonder Unterschied Tort thun; Denn ich kan zum wenigsten versichern, daß man zuweilen eine antrifft, die annehmlich, und wenn vor ihre Keuschheit zu schweren, eine Verwegenheit, doch das Gegentheil zu behaupten, eine Verläumdung wäre, in dem sie dem eusserlichen Wesen nach, so honnet und modest, als jemahls ein Frauenzimmer in der Stadt leben mag. Inzwischen aber muß eine solche wegen der üblen Aufführung ihrer MitGefehrtinnen und der allgemeinen Opinion leiden, daß wie eine beschaffen, so sey die andere auch, und ihr eintziges Verbrechen oder die Schuld, eine manchmahl ungegründete Nachrede zu verdienen, ist, daß sie einen solchen Stand erwehlet.

Dergestalt urtheilen unsere beyden Cavaliere von dem Opern-Frauenzimmer in Venedig, oder besser zu sagen, von allen der gantzen Welt; Denn was vor schöne Sachen sie bey genauer Erkenntniß derselben erfuhren, werde beyläufig anzuführen nicht ermangeln.

Itzo aber muß von Selandern was artiges erwehnen: Diesen Cavalier, der wegen seines Unglücks ferner zu lieben fast verschworen, fesselte eine|<74> Schönheit, die nicht alle bey dem ersten Anblick vor eine vollkommene Schönheit hielten.

Eine teutsche Familie hatte sich in Venedig niedergelassen; Und weil Selander nebst dem Tyrsates Bekandtschaft an sie erlangten, traff der Erste in solcher Gesellschaft eine Witbe an, die ihm Anfangs nur der Conversation wegen angenehm, aber nach und nach so viel Anmuht entgegen setzte, daß er die vor mit ihr gehabte Freundschaft, in eine aufrichtige und zwar die heftigste Liebe verwandelt sahe.

Seine sich täglich vermehrende Flammen, und die Gelegenheit, sie wöchentlich zwey bis drey mahl in Gesellschaft zu sehen, liessen nicht länger zu in Geheim zu seuftzen, darum entdeckte er ihr seine Liebe mit der aufrichtigsten und verpflichtesten Manier.

Diese Dame verwunderte sich nicht über seinen Antrag: Denn weil sie ihn nach seinem muntern Wesen, und freyem Aufführung gegen ander Frauenzimmer vor einem Cavalier hielte, der keine andere, als Galanterie Amouren zu machen capabel ware; So glaubten sie, er würde an ihr leicht so viel gefunden haben, so ihn darnach gleichfalls eine Begierde erweckte.

Sie nahm demnach ein Wesen an sich, so honetten Frauenzimmer bey dergleichen Anfällen gewöhnlich ist: Sie entschuldigte sich, wie sie niemahls wieder lieben werde, versicherte ihn aber einer beständigen Freundschaft, und suchte ihn dergestalt auf eine höfliche Art abzuweisen.

Selander wuste, daß er durch seine Discourse und vernünftige Urtheile bey ihr in einige Hoch|<75>achtung gesetzet, weil er nun als ein kluger Cavalier ihr Opinion von ihm erriehte, so kränckte es ihn, in solchem Glauben bey ihr zu stehen, und seine ungemeine grosse Zärtlichkeit hieß ihn keine Mühe ersparen, wordurch er Sie der alleredelsten Liebe überreden möge.

Ausser denen verbündlichsten Versicherungen, schrieb er ihr Briefe, welche kein ihn hochachtendes Frauenzimmer zu lesen fähig war, ohne nicht davon gerührt zu werden, und weil sie einen schönen Gousto zu der Poesie spüren ließ, so setzte sein darzu geschickter Geist manche Arie an sie auf, und bildete seine Liebe mit so lieblichen und scharfsinnigen Worten ab, daß sie, wo nicht sein Hertz, so doch seinen Verstand in sich verliebt schätzen muste.

Sie gab ihm aber keine Gegen-Erklärung, und er hörte destoweniger sie zu verehren auf, da sie ihm keine Zeile schriftlich antwortete.

Immittelst ersuchte er sie unablässig um die Erlaubniß, ihr einmahl in ihrem Zimmer aufzuwarten; Aber auch dieses war eine Zeitlang vergebens, und sie schlug es ihm mit einer angenehmen Manier ab, als es andere zu verstatten pflegen. Bis endlich einmahl die Gelegenheit sich ereignete, daß er mit einem guten Freunde zu ihr auf einen Thée zu kommen, die Freyheit erhielte; Und nach dem wuste er sich so wohl und verpflichtet aufzuführen, daß sie von seinem Gemühte gantz andere Gedancken als zuvor faßte, und durch seine Geschicklichkeit, die durch ein honnettes und aufrichtiges Wesen sich nach und nach hervor thate, bewogen ward, ihm alle Wochen wenigstens|<76> drey mahl in ihrem Zimmer allein den Zutritt zu vergönnen.

Niemahls können wohl ein paar verliebte Personen eine schönere und angenehmere Conversation, als diese beyde gehabt haben; Und wenn Selander bey seiner allerliebsten Witbe sechs bis sieben Stunden nach einander, und fast alle Tage mit geschickten Urtheilen von allerhand schönen Sachen, und zu weilen untermengten artigen Schertze zugebracht, schiene ihm die Zeit so geschwind verflossen, daß er nicht anders als mit schwerem Hertzen vor ihr aufbrechen konte.

Er hinterließ demnach allezeit so Hertz als Verstand, welche sich mit seiner Schönen beständig unterhielten; Und ob gleich der Leib sich zur Ruhe begeben, war dennoch der Geist durch die angenehmste Phantasien mir ihr beschäftiget.

So unvergleichlich anmuhtig war das Wesen dieser von ihm im höchsten Grad geliebtem Person, daß er in ihrem blossen Umgange, und der Freyheit mit ihr aufrichtig und vertraulich zu reden, ein weit vollkommener Vergnügen fand, als Tausend in dem grösten Genüß der Liebe, welchen die Herren Romanisten eine entzückte Umarmung nennen, antreffen mögen.

Ja wenn er zuvor vielmahl die Liebe vor eine kleine Schwachheit gehalten, welche er länger, als so, zu fliehen vermeinte, so fand er ihre Würckung anitzo so edel, daß sein Verstand weit scharfsinniger und zu den wichtigsten Sachen fähiger als zuvor, und sein Gemühte bey der süssen Unruhe seiner Liebe so beschaf-|<77>fen ward, daß es in Gesellschaft dieser Damen in dem wüsten Arabien ein Paradies, und in dem elendesten Zustande in ihr alle Schätze der Welt zu finden vermeinte.

Diese Dame nun war lang von Person, wie Frauenzimmer in der besten Statur zu seyn pfleget, etwas mager, und von einer solchen Geschicklichkeit des Leibes, wie, wenn sie propre angekleidet, man niemahls mit satsamen Vergnügen anschauen konte, und wodurch ihr das Tantzen so überaus manierlich anstund, als ob sich alle Gratien leibhaftig in ihr bewegten. Ihren Augenbraunen und den schönen Haaren nach, welche ungeflochten ihr bis auf die Füsse hiengen, war sie halb unter die Blonden und halb unter die Brunetten, der Gesichts-Bildung aber nach, zwar nicht unter die Schönsten, aber gewiß unter recht annehmliche Damen sonder Schmeicheley zu zehlen. Solche war mehr rund, als länglich, und von einer Farbe, die weder zu roht noch zu weiß, sondern von beyden sehr angenehm untermenget, und gleichsam eine Abbildung der|<78> Sittsamkeit war, die aus ihrem gantzen Wesen leuchtete. Wie nun alles, die Hände, Armen und Brust nach ihrer schönen Statur überaus wohl proportioniret: So waren die Lippen auch in der rechten Grösse, und mit so lieblichen Rosen besäet, daß sie der gantzen Taille an Schätzbarkeit nichts nachgaben. Von den Augen aber einen rechtschaffenen Entwurff zu machen, hiesse so viel unternehmen, als den Himmel, wenn er des Nachts am schönsten mit Sternen besetzt, leibhaftig abschiltern wollen: Denn je schärfer man sie ansahe, je mehr Anmuht fand man darinnen, und in solcher Betrachtung, war der Verstand viel zu nachdrücklich bezaubert, als daß er zu einen rechten Urtheil von ihnen sollen fähig seyn. Sie waren an sich nicht groß, damit die vollkommene Lieblichkeit in einem kleinen Behältnisse einen weit vollkommnern Ruhm davon tragen möge; Und durch die inwendige Farbe derselben, welche zugleich blau und bräunlich, spielte was durchdringendes und un-|<79>begreifflich angenehmes hervor: Dabey blickte eine Wunderwürdige Beredsamkeit aus selbigen, daß Selander, so geschickt er auch hierinnen war, dennoch öfters mit Entzückung davor verstummte; Und daher kam es, daß er niemahls in der Conversation mit ihr konte ersättiget werden, denn wenn sie auch zu weilen still schwieg, so gaben ihm ihre Augen eine Antwort, und sprachen auf eine so Hochachtungs und Liebens-würdige Art, daß er gestehen muste: Er habe Zeit seines Lebens Geister niemahls eigentlicher reden gesehen; Und aus diesen Sternen floß der Uhrsprung aller seiner Gemühts-Bewegungen her, ja sie konten ihn, entzündet, vergnügt, gelassen, und auch betrübt machen.

In diesem ungemein schönen Spiegeln konte man, bey genauer Hineinschauung, das edle und sittsame Gemüht dieser Damen erkennen, welches sich bey allen Gelegenheiten so eusser-|<80>te, daß jemanden mißfällig zu seyn ihr eintziges Unvermögen war, da sie sonsten über die Gemühter der Leute viele Gewalt hatte, und den Preiß einer Leutseeligen, angenehmen und modesten Damen von aller Welt erwarb. Dabey mangelte es ihr an Galanterie nicht, welche aber, damit solche bey ihr zu erst zu einer rechten Tugend werden möge, ein solch manierliches Wesen begleitete, daß sie in ihrer grösten Freyheit sittsam und in den artigsten Schertzen und der gefälligsten Aufführung honnet schiene; So gewiß was so seltnes, als es eine von ihren schönsten Eigenschaften zu nennen. Ihre Klugheit war ingleichen desto vollkommener, weil sie mehr sittsam als klug schien, und doch diese letztere Qualité, fast vollkommener als die erste besaß: Denn die Modestie ward ihr angebohren, aber durch die allerfeinste Klugheit, welche sonst Leuten gemeiniglich zu frey machet, erst ungemein wohl erhalten. Sie redete nicht viel, aber ihre Minen und Augen sprachen desto nachdrücklicher vor sie, daß man|<81> sie oft im Stillschweigen vor viel verständiger, als die klügsten Redner, und ihre wenigen Reden vor überaus viel schätzte, weil solche klug, niemahls zu unrechter Zeit, allezeit aber ungezwungen und mit einer natürlichen Artigkeit angebracht wurden. Endlich, da sie von keinem grossen Stande, so besaß sie dennoch ein Wesen, in welchem die gröste Air de Qualité und der wenigste Hochmuth anzutreffen, und ihr Ehrgeitz bestand allein darinnen, die höfliche Ehr-Bezeigung gegen sich zu erhalten, die sie jedweden nach seinem Stande erwieß.

Aus dieser Beschreibung, welche mehr aufrichtig, als mit sattsamer Geschicklichkeit geschehen, kan man nicht allein die Grösse von Selanders Liebe, sondern auch die eigene Beschaffenheit seines Gemühts urtheilen, nach welchen er vor diese Liebens- und Estims würdige Person, Arismenia* Nahmens, das eusserste zu thun, und ihre Gunst allen Glückseeligkeiten der Welt vorzuziehen genöhtiget ward.

Bis hieher hatte er ihr keine andere Verpflichtungen gemacht, als sie Lebens lang, und allein zu lieben; Nachdem er aber auf eines bekandten Freundes Hochzeit geladen ward und er ihre Erlaubniß darzu ausbat, da er sich schon dahin versprochen:|<82> Zeigte sie hierüber eine zärtliche Betrübnis, und nöhtigte ihn zwar selber, sein Wort zu halten, gab aber auf eine verblümte und angenehme Art zu verstehen, wie sie gern eine Nachricht noch vor Abends wünschte, wie es ihm daselbst gefallen.

Selander verstund alles, und so viel zu seinen Vergnügen, daß er unter der Gesellschaft auf der Hochzeit kein Ergetzen fand; Und ob ihn gleich nicht häßliches Frauenzimmer zum Tantzen und andern Lustbarkeiten um sich zu behalten gedachte, anckerte doch sein Gemüht so sehr nach Arismeniens Behausung, daß er sich sonder Gewahrwerdung der andern in die Karoße setzte, und zu seinen Magnet fuhr, denen andern aber ein sehr höfliches Compliment durch einen guten Freund hinterließ, als habe er sich wegen einer vom Wein bekommenen Unpäßlichkeit so geschwind weg begeben müssen.

Arismenia empfieng ihn mit anständiger Freundlichkeit, und fragte nach allen Umständen der auf der Hochzeit gehabten Ergetzlichkeit, und mit einer Art, die eine zärtliche Eyfersucht verrieht, darüber er in seinem Hertzen eine nicht gemeine Zufriedenheit empfand. Er beantwortete demnach alles aufrichtig und mit so wohl untermischten Verpflichtungen, daß sie hieraus schliessen konte: Wie ihm keine Lust ausser ihr angenehm, und die gröste, die er in ihrer allerliebsten Person anträf, ihm mit der Zeit zu einer Marter werden würde, wo|<83> er solche Glückseeligkeit nicht ewig geniessen solte.

Es fielen aber die Discourse hierauf auf ein gewisses Frauenzimmer, die eine Frantzösin, und sich eine Zeit her Selandern gefällig zu machen gesucht; Weil es nun Arismenien bekandt, und daß er sie auf der Hochzeit vor andern bedient, legte sie eine dem Frauenzimmer schuldige Höflichkeit vor eine besondere Neigung des Hertzens aus, und qvälte sich durch eine falsche Vorstellung, Selandern aber durch eine überaus spröde und verdrüßliche Aufführung, daß er die allerempfindlichsten Schmertzen deswegen ausstund.

Dieser aus einer ungleichen Meinung entstandene Streit wolte sich so leicht nicht beylegen lassen, und ihr Gemüht war so aufgebracht, daß er solches mehr durch seine stillschweigende und eusserste Zärtlichkeit als Worte besänftigte.

Allein alsdenn waren auch ihre Stunden, wie wenn auf dem Meer ein grausamer Sturm vergangen, und die angenehmste Ausheiterung des Himmels uns von allen Orten anlachet: Denn ihre Versöhnung verdoppelte eine vergnügte Vertraulichkeit, und während solcher bekennte Selander zum ersten: Wie seine Liebe das allerhonneteste Absehen habe, und er sie zu Heyrahten gesonnen, wenn sie ihm anders eine solche Glückseeligkeit schencken wolle.|<84>

Er brachte diese Liebes-Anwerbung, oder die Liebe selber machte sie vielmehr vor ihm, indem die Manier, womit er in den schönsten Verpflichtungen redete, voller Liebe, und sich mehr in seiner Geliebten Brust, als auf dem Papier allhier geschehen kan, abdrückte.

Arismenia küßte ihn vor diese Versicherung vielmahls, und wie er um eine Gegen-Erklärung anhielte, bat sie sich einige Bedenck-Zeit aus, und gab ihm durch die liebreichste Bezeugung inzwischen zu verstehen, daß er zwar über ihre Gunst, aber der Wohlstand oder andere Sachen über sie so weit noch Meister, daß sie kein völliges Bündniß mit ihm eingehen könne.

In so süsser Unterhaltung flossen die Stunden unvermerckt vorbey, und sie hatten sich darinnen so sehr vertieft, daß sie durch die Späte der Zeit an keinen Abschied gedachten, bis der Morgen durch die Fenster brach, da erwachten sie, als vom Schlafe, welchem eine schöne Liebe deswegen zu vergleichen, weil alle Sorgen und andere nicht vergnügte Gedancken darinnen ruhen, und der Geist wie im Traum, allein mit entzückten Phantasien beschäftiget ist.

Sie musten also, nachdem sie sich des Wohlstandes, und wie sie nicht allein in der Welt, erinnerten, von einander gehen; Und weil Selander in einer überaus grossen und ihm noch nicht wohl bekandten|<85> Stadt, konte er sein Quartier nicht finden, und ruhte also hinter einem grossen Hause unter einem verdeckten Schirm so lange aus, bis ihn ein Gondolir nach einer Stunden, als um 4 Uhr, nach Hause brachte.

Auf eine fast artigere Art ergieng es ihm noch ein paar mahl, da die Sonne schon längst ins Meer gegangen, und er es noch vor Tag bey Arismenien schätzte, und so lange blieb, bis er den Venus- oder den Morgenstern in ihr von neuen anbeten konte: Denn da wuste er seine Behausung noch weniger zu finden, weil es erst um 3 Uhr; Und muste also aus der Noht eine Tugend machen, und bey der Wache so lange Herberge suchen, bis, da dieselbe abgelöst, sie ihn nach seinem rechten Qvartier führte.

Die Visiten bey dieser annehmlichen Damen wurden an der Zahl und Vertraulichkeit vermehret, und sie redeten von genauer Ubereinstimmung und susser Vereinigung der Hertzen, so beliebt, als es eine so wunderschöne Materie zu discouriren bey einem Frauenzimmer erfodert.

Immittelst sprachen sie einander auch anderwerts, und mit einer Art, dadurch die Leute ihr geheimes Verständnis erriehten; Und weil Selander seine Liebe viel heftiger als die Ihrige schätzte, indem sie solche ewig zu befestigen noch Bedenck-Zeit genommen, so wunderte er sich nicht wenig, daß sie ihm eine viel stärckere Eyfersucht, als er Liebe bey ihr urtheilte, blicken ließ: Denn als er in ihrer Compagnie|<86> einmahl halb berauscht kam, und mit einem schönen und lustigen Frauenzimmer etwas frey im Tantzen und Schertzen umgieng, hernach aber Arismenien aus Kurtzweil einen Ring vom Finger zog, welchen er wieder zu geben mit einer verbindlichen Manier weigerte: Sagte sie ihm verdrüßlich und sonder Betrachtung, daß ein Frauenzimmer dabey saß: Sie könne solche Tändeleyen nicht vertragen.

Ich aber alles vom einem Frauenzimmer, antwortete er gar modest: Im Hertzen kränckte ihn aber ein sothaner Streich überaus sehr, weil er bey aller seiner Liebe einen grossen, doch billigen Ehrgeitz besaß, daß er auch, ob er sich gleich durch eine kleine Entfernung wieder zu fassen suchte, dennoch kein Wort bey ihr vorbringen konte, als sie ihn hernach wieder an sich zog.

Sie bat ihn nach geendigter Gesellschaft selber, sie zu begleiten; Und ihr artiges Zimmer, oder vielmehr ihre artige Aufführung gegen ihn gab zu einem völligen Vertrag Anlaß.

Tyrsates sahe und erfuhr auch von Selandern selber, wie er in diese Dame entzündet; Und ob er gleich dessen Wahl sehr billigen muste, blieb dennoch sein Hertz von dieser Neigung frey, nur weil es noch nichts rechtes zu rühren fähig war, und er trieb mit Galanterie Amouren inzwischen seinen Schertz.

Darzu muste ihm ein paar von den Opern-Frauenzimmern dienen, gegen welche er eine Con-|<87>duite brauchte, die zwar sehr gefällig, aber nicht verliebt; Und dadurch, nebst seiner von Natur angenehmen Person und guter Geschicklichkeit, brachte er so viel zu wege, daß sie seine besondere Freundschaft zu gewinnen sich angelegen seyn liessen.

Denn unter dem Oper-Frauenzimmer giebt es die allerfeinsten Coquetten, welche die ihnen anständige Amanten gleich urtheilen, wie sie zu ihrem Vortheil wollen tractirt seyn: Bey einem Zärtlichen spannen sie den Bogen überaus hoch, und haben ein Vergnügen, ihm die Gedancken beyzubringen, als ob die Keuschheit und Honneteté ihre gröste Eigenschaft. Dadurch sind sie capabel, einem solchen guten Menschen alles weiß zu machen; Und, wo er ein fetter Herr, legen sie ihn wichtig auf die Schwitz-Banck.

Ein anderer aber, der wenig Liebe empfindet, und sonst nicht unangenehm, kan weit schärfer untersuchen, worinnen die Schwachheit des galanten Frauenzimmers bestehet, und wie selbige zu gewinnen: Denn gefallen ist eine Kunst, welche ein kaltes Blut und eine freye Vernunft erfodert; Die heftige Liebes-Neigung aber, die uns eines und das andere benimmt, ist nicht vermö-|<88>gend, Die Lehr-Sätze dieser Kunst zu begreifen oder ihnen zu folgen.

Zwar wenn man lauter honnete Damen liebte, oder allezeit von den geliebt würde, in die wir entzündet sind, so hätte man, ihnen zu Gefallen, gar keine Kunst vonnöhten. Allein Coquetten wissen fast nicht mehr, was der zärtliche oder unschuldige Trieb der Natur im Lieben sey; Sondern sie lieben aus andern Ursachen, entweder um interesse oder dergl. und haben bey der Wollust die Maxime: Was verboten, sey süsse, und was uns eine Müh zu erlangen koste, angenehmer, als was uns aufgedrungen würde, ob es gleich noch so gut; Indem sie in der Meinung: Die Hochachtung einer Waare erwerbe ihr mehr Schätzbarkeit, als sie an sich besitzet.

Dahero caressirte Tyrsates gedachtes Frauenzimmer auf eine galante Art, und wenn er von seiner Liebe was mit untermengte, hatte es die rechte Würckung, nehmlich: Daß Coquetten Streiche Coquetten zu fällen vermögend waren.

Er bat sich bey einer, die vor die Schönste passirte, die Erlaubnis aus, ihr in ihrem Zimmer zu zusprechen; Und da er solche erhalten, richtete er seine Visiten so sparsam ein, daß sie ihn selber gar viel-|<89>mahls zu einem Thee des Morgens um neun Uhr zu sich bestimmte.

Um seine heimliche Raillerie mit ihr nicht allzu deutlich an den Tag zu legen, kam er seinem Versprechen nach, fand sie aber nach neun Uhr (aus welchen Ursachen?) noch in den Federn.

Gleichwohl meldete ihn das Mädgen geschwind an, und brachte die Zucker-süsse Erlaubnis: Ihr in dem Schlaf-Zimmer seinen Bückling zu machen.

Er lachte schon bey sich selber, was vor artige Complimenten es setzen würde, und war kaum hinein getreten, daß ihm diese Schöne den blossen und Schnee-weissen Arm aus dem Bette entgegen reckte, um ihn desto freundlicher zu empfangen.

Die Discourse kan man sich einbilden, wenn man glaubt, daß ihr Tyrsates die allervertrautesten Caressen mündlich gemacht, in der That aber sich retiré aufgeführet, und, um nicht einen vollkommen-keuschen Joseph abzugeben, sie dann und wann auf die Lippen und Brüste küßte, die von solcher Größe, daß sie ihn allezeit damit an das Maul stieß, wenn er sich nur ein wenig bückte.

Wie heftig inzwischen das Feuer unter dem Bette müsse gewesen seyn, konte Tyrsates an der Farbe des Gesichts erkennen, in welchem sie unaufhörlich wie ein Zinß-Hahn glühete; Dahero leicht|<90> zu urtheilen, wie verdrießlich ihr solche unzeitige Ehrbarkeit vorgekommen.

Um nun Tyrsates Blödigkeit zu benehmen, und die Ungedult, die schon ziemlich unter den Federn hervor roch, sich selber zu vertreiben, bat sie ihn, ihr welche Kleider zu reichen, und sie anziehen zu helfen.

Er verrichtete das Amt eines Cammer-Dieners getreulich, und brachte über ein- und andere Sachen das verpflichteste Schertzen hervor; Allein da seine Hände nicht mit discourriren wolten, war es wieder nicht recht; Und dennoch hoffte diese keusche Diana ein so unempfindliches Wild endlich zu fällen, wenn sie ihm ausser den Pfeilen der Augen und andern entblößten Schätzbarkeiten, mit verliebten Worten zusetzte.

Unter währendem Thee-Trincken sang sie die verliebtesten Arien, und suchte dadurch, den bey so viel hundert andern Menschen verspührten natürlichen Trieb zu reitzen; Allein bey der Stimme dieser bezauberten Sirene, welche den gefährlichen Schwantz immer im Wasser versteckt haben, verstopfte hier ein anderer Ulysses seine Ohren, der zwar mit dem Munde lachte, im Hertzen aber alle ihre Anfälle verspottete; Und dieses war nicht so wohl der Grösse seiner Tugend, als einem natürlichen Widerwillen zu zuschreiben, mit einer solchen eine Vereinigung der Lebens-Geister einzugehen, die fast alle Tage eine andere Mixtur liebte.|<91>

Er saß neben ihr auf dem Stuhl, da sie, um das Letzte zu ihrer Befriedigung anzuwenden, ihren Kopf auf seine Achseln legte, und diese Arie sang:
 

Kan mich nicht das Glück vergnügen,

In des Liebsten Arm zu liegen,

    Ach so letzt mich auch kein Kuß.

Seufzer speisen, Thränen trincken,

Ist ein Schiff, das im Versincken,

    Sich nur immer qvälen muß.
 

Bey Wiederholung der ersten Zeilen aber kehrte sie die Augen und den Verstand der Worte auf ihn, und repetirte also:
 

Kan mich nicht das Glück vergnügen,

In Tyrsates Arm zu liegen,

    Ach so letzt mich auch kein Kuß.
 

Tyrsates machte ihr lächelnd ein Douceur: Wie er nicht glauben könne, daß so viele Glückseeligkeit auf ihn gehe, und gab ihr zum Recompens der genommenen Mühe einen Kuß; Aber eben, weil es nicht mehr als ein Kuß, und er ihrer Intention nicht näher kommen wolte, antwortete sie aus heimlicher Erbitterung: Sie sollen sich auch nichts draus machen, und ich habe es nur aus Schertz gesungen.|<92>

Tyrsates versicherte, daß er solches nach der Schätzbarkeit ihrer Person auch nicht anders glauben könne; Und darauf fieng sie an, zu raisonniren, wie man musse Tugendhaft seyn, und nahm dabey ein solch ernsthaftes Wesen in allen ihren Bezeugungen an sich, daß sie Tyrsates vor die ehrbarste Dame halten sollen, wenn er sich nicht der Bet-Discourse und ihres sonst gewohnten Lebens erinnert.

Aber so machen es kluge Coquetten: Wenn sie nicht zu ihrem Entzweck können kommen, fangen sie an zu moralisiren, und geben demjenigen Sitten-Lehren, dem sie die Wollust nicht einprägen können.

Tyrsates hatte nicht so bald Abschied genommen, als er Selandern suchte, um ihm diesen lustigen Streich zu erzehlen: Er fand ihn aber mit lauter tiefsinnigen Gedancken beschäfftiget, und urtheilte demnach er müsse in seiner Liebe einige Unruhe erlebt haben, und wolte ihn also als seinen wehrtesten Freund in seinen Uberlegungen nicht stöhren, weil er wuste, daß verliebte in solchem Stande lieber alleine sind.

Daß er es errahten, traff mit der Warheit vollkommen überein, und die Reihe war nunmehro an Selandern, die Würckungen der Eyfersucht mit besserm Rechte als vorhero Arismenia zu empfinden.|<93>

Die Sommer-Lust hatte Arismenien etliche mahl veranlasset, ausser Selandern und mit anderer Gesellschaft sich in Gärten zu divertiren. Nun gieng ihre blosse Abwesenheit Selandern nahe, weil er manche süsse Stunde entbehren muste; Allein er würde ihr Vergnügen dem Seinigen gern vorgezogen haben, wenn es zärtlich Verliebte nicht kränckte, daß man ausser ihnen ein Vergnügen finden kan, und er anbey nicht gewust, wie unter andern in ihrer Gesellschaft mehrentheils einer sey, der ihr zu gefallen, und ihn verhaßt zu machen suchte.

Er beklagte sich deswegen bey ihr, allein vergebens: Denn sie bemühte sich, ihm alle ungleiche Gedancken auszureden, und schützte theils den Wohlstand und ihr Plaisir an Gärten für, wenn sie in solcher Compagnie weiter ausfuhr.

Was solte er machen? Sie mit seinen Bitten länger zu beschweren, hatte er zu grosse Liebe und zu viel Verstand, darum erduldete er dieses Mißvergnügen, und gerieht darüber zu so ernsthaften Betrachtungen, daß er einstmahl in ihrer Abwesenheit und Spatziergehen sich so sehr vergaß, und aus Müdigkeit an einem Orte ausruhte, ohne zu wissen wo er sey? Wie er aber die Augen aufschlug, und sahe, daß er auf einem Stein auf dem Gottes-Acker saß, gerieth er auf solche Betrachtungen, die unter hundert tausend Amanten wohl wenige haben.|<94>

Er brachte sie mit gröster Zufriedenheit zu Papier, und da sie des andern Tages von der Spatzier-Fahrt wieder nach Hause kam, überschickte er ihr solche nebst folgendem Briefe:



Madame.

DA gestern zu meinem Zeitvertreib spatzieren gieng, begegnete mir ein Melancholischer Amant, der, weil er so wohl zu lustigen als traurigen und tief sinnigen Einfällen geschickt, meine Freundschaft verdiente. Ich merckte gleich an dem Orte, wovon er kam, daß er besondere Uberlegungen gehabt, denn dieses war ein Gottes-Acker, worauf Leute von seiner Jugend und feurigem Gemühte selten sich zu divertiren gehen. So bald ich meine Neugierigkeit nach dessen Veranlassung blicken lassen, überreichte er mir einen Entwurf seiner Gedancken, mit dem Ersuchen: Daß weil er wüste, wie ich von der Conversation qualificirten Frauenzimmers grosse Hochachtung machte, solche dem Klügsten und Edelsten, daß ich kennte zu überreichen, und dero Meinung darüber auszubitten. Wenn ich ei-|<95>nen gantzen Tag nachsonnen, würde mir keine andere eingefallen seyn, als worauf den ersten Augenblick dachte: Dieses war die Liebens-würdige Arismenia, welcher die nach ihrem Geist eingerichtete Betrachtung abzuschreiben, und hiermit ihrem schönen Urtheil zu überschicken vor sein eigen Vergnügen erachtet.

Madame

Dero getreuester und er-
gebenster

Selander von Amalienburg.



|<96>

Gedancken,

Von

der Liebe,

Da man auf
einem

Gottes-Acker

spatzieren gieng.

WIe der Himmel mein Hertz durchaus mit einer himmlischen Neigung angefüllet, und ich was liebte, das nicht den Menschen, sondern ihm am ähnlichsten war: So konte auch mein Weg nicht anders als himmlisch seyn.

„Ich gieng in Betrachtung der süssen Unruhe meines Hertzen in Gedancken, oder besser zu sagen, meine Seele spatzierte, und hatte den Menschen zu Hause gelassen, um, weil sie einen Ort besuchen wolte, wo er dereinsten zu einem abscheulichen Gerippe müste werden, damit er sich wegen seiner Schwachheit nicht dafür entsetzen möge. Sie gelangte also auf einem Gottes-Acker; Und weil bey dem ersten Eintritt noch eine Menschliche Eigenschaft wolte Gesellschaft leisten, überfiel mich theils|<97> ein kleines Schrecken, und theils ein merckwürdige Neugierigkeit, an den Cörpern zu sehen, welches die Liebens-würdigsten gewesen, so unter den heßlichen allhier verscharrt lägen.

„Der Anblick kam mir durchaus sehr traurig vor, denn wie ich hundert Toden-Köpfe aufgehoben, fand ich nicht das geringste Merckmahl eines besondern Vorzugs, sondern an allen waren bloß einige Zähne, und an statt der Augen kaum die Löcher, worinnen sie gesässen, anzutreffen, dergestalt, daß ich über die Vorstellung meiner künftigen Gestalt würde zu seufzen seyn veranlasset worden, wenn mich die Seele durch eine andere Betrachtung nicht davon abgehalten, diese war: Daß sie mir meine vollkommene Glückseeligkeit versprach, wenn mein Leib in so erbärmlichen Zustand gesetzt worden. Ich nahm diesen Trost mit ziemlicher Gemühts-Ruhe an, und wunderte mich über mich selbsten, solche Lehr-Sätze in meine Brust zu fassen, die mir sonst so herbe und bitter vorgekommen; Allein ich fand endlich bey genauer Durchsuchung: Daß dergleichen Gedancken meiner Liebe heuchelten, indem, da mich dieses furchtsame Behältnis auf das Ende meines Lebens führte, meine in mir angezündete Liebe mich erinnerte, wie schön ich solches beschliessen würde, wenn mir eine Person die|<98> Augen zudrückte, in welcher, was unser Gewissen sonst mit Dornen durchwindet, ich alle Ergetzlichkeiten der Welt von dem Himmel gebilliget genossen. Ja, ja, schmeichelten mir gewisse Einfälle: Du liebest edel, indem du zugleich ans Sterben gedenckest, und wirst glückseelig sterben, in dem du dich dabey aller gehabten Liebe geruhig wirst erinnern.

„In solchen Lob-Sprüchen meiner Liebe gelangte ich an ein prächtiges Grabmahl, woran die Hand eines nicht gemeinen Menschen einen vor andern häßlichen Toden-Kopf angehangen: Meine Meinung dabey war: Daß er eine übel gestalt gewesene Person dadurch abbilden wollen; Allein die Uberschrift zeigte folgenden Verstand in diesen gebundenen Zeilen:
 

Die Schönheit, die die Stadt bey zwantzig Jahr verehrt,

Die manches junges Hertz mit Liebes-Glut bethört,

Die sonder Eh geliebt, liegt hier mit Staub bedeckt.

Schau, welche Schönheit nun in ihrem Antlitz steckt!

Ach hätte sich ihr Hertz nur nicht bethören lassen,

So könte sie die Lust der klugen Jungfern fassen!|<99>
 

„Ach! dachte ich, wie viel kluge Jungfern giebt es? Thörichte sehen wir wohl genug; und weil ich die Welt eine ziemliche Zeit gekandt, so fiel mir viel schönes Frauenzimmer ein, die theils mitten in solcher verbotenen Glut gestorben, und theils noch lebend mit wollüstigen Füssen zum Grabe rennen. Ach! fieng ich an zu seufzen: Wie glückseelig bist du, daß dich ihre Reitzungen nie gefangen, und dein Gemüht mehr als deine Augen was annehmliches verehren, das, weil ich den Himmel dadurch selber Liebe, auch selbigen zur Gegen-Liebe im Sterben gegen mich bewegen wird! Und wie kan ein Hertz bey einer Schönheit geruhig seyn, die durch ihre Untugend alle Tage die Ruhe stiehlet? Im Lieben wechseln, heißt alle Tage ein ander Mensch werden und seine Seele bald mit diesem, bald mit jenem plagen; ja Rosen zu brechen, von deren Dornen das Gewissen bluten muß, ist keine Sache vor mich! Aus Erbitterung würde den Schedel dieser so häßlich verwandelten Schönheit zertreten haben, wenn mich meine Seele nicht erinnert, ihn den Anschauen anderer erhabenen Gemühter zu überlassen, und meine Augen auf was anders gerichtet. Dieses waren unterschiedliche Knochen, so man an einem Begräbniß-Stein ge-|<100>bunden, in welchem diese Zeilen gehauen:
 

Die einen Mann gehabt, den niemand nicht gekennt,

Doch tausend Buhler wohl, die alle Menschen kandten,

Der brach der Tod den Leib, wodurch so viele brandten,

Und der von mancher Brust die Tugend hat getrennt.

Sie starb; Und weist du wohl, wohin ihr Geist gelaufen?

So viele Männer sucht man unterm grösten Haufen.
 

„Hier fühlte einen kleinen Schauer in meinen Gliedern, wenn ich dereinsten die an einem Marter vollem Ort wissen solte, die ich über alles auf der Welt geliebt. Ach! gab mir eine menschliche Eigenschaft ein: Ich glaube, jene vollkommene Freude würde in dir durch eine so erbärmliche Vorstellung gemindert werden! Doch meine Seele bewieß das Gegentheil, und gab meiner Menschheit auch einen Trost durch die Tugenden der Person, die ich so zärtlich liebe, weil mich diese ein gleiches nicht befürchten liessen. Anbey bewegte sie mich zu einen eussersten Haß gegen die meisten Schönen, die von der Menge ihrer Anbeter, und wenn sie heute diesen, morgen einem andern ihre Begierden aufopfern, sich ein ehr-|<101>geitziges Vergnügen machen, da doch aus allen ihren Courtisanen kein besser als ein Hunde Hertz zusammen zu schmeltzen, das, so wie sie, an allen Bätzen sonder Unterschied hangen bleibt.“

Kaum hatte ich meinen Fuß fortgesetzet, als ich zweyer zerbrochener Toden-Köpfe gewahr wurde; Und meine Muthmassung, daß hier ein paar würden zusammen verscharrt seyn, ward durch diese Grab-Schrift erfüllet.
 

Hier liegt ein solches Paar, das Geld verliebt gemacht;

Die Zanck und Streit darauf bald in die Gruft gebracht.

Nicht wundre dich darum: Das Geld kommt aus der Erden,

Und lieben muß allein von GOTT gezeuget werden.

Der Himmel nahm sie auch deswegen schwerlich ein:

Sie solten ja ein Leib, nicht beyder Mörder seyn.
 

„Hatten die beyden ersten einen Eyfer in mir erwecket, wo wurde er durch diese nichts-würdige Veranlassung zum Heyrahten vermehret. Was vor Schätze besaß Adam, wie er Even zu seiner Liebsten erwehlte? Keine; sie waren beyde mit Schafs-Fellen bedecket, und der Himmel hieß ihn:“|<102> Durch Pflügen des Ackers seine Nahrung sichern. „Der Schweiß aber, welcher durch die Arbeit von ihnen floß, wurde durch die Liebe zu Nectar gemacht. Allein wird der meiste Theil der Welt nicht durch den Reichthum verblendet? Daß um dieser Eitelkeit sich zwey die Zeit ihres Lebens an ein ander verknüpfen? Ja freylich, weil in den meisten Menschen nur niedrige Geister wohnen. Sind die meisten Schönen nicht von der tadelhaften Eigenschaft, daß sie denen alles verstatten, die nur wichtig spendiren? Ach, bedächten sie nur, daß dem Augenblick, da sie nach empfangenen Pręsenten mehr Gunst als zuvor verschwenden, sie einem klugen Amanten zu verstehen geben, wie ihre Keuschheit, und alles, was sie haben, um Geld zu verkaufen, welcher sie denn billig als eine Waare tractiret, die wenn sie alt, man wegschmeist.“

Worzu dienen aber deine Gedancken? Wendete alsobald meine Seele ein; Befriedige dich, daß du eine edle Schönheit liebest, die dir keine Geschencke, sondern die Sternen durch eine Ubereinstimmung der Gemühter anvertrauen, und daß deine Ruhe und dein Vergnügen, weil sie auf himmlische Art gesuchet, auch allezeit himmlisch seyn werden.|<103>

„Tausend süsse Erinnerungen, wie vollkommen ich das Hertz meiner Geliebten mit meinem vereinigt befunden, setzten mich als einen Menschen wieder in Ruhe, und versprachen mir die Glückseeligkeit: Unsere Gemühter würden wie ein paar rein-gestimmte Instrumenta die angenehmste Harmonie verursachen, dabey der Himmel selber nicht unbewegt bleiben würde. Wie plötzlich aber wurde diese beliebte Stille in mir nicht gestöhret? Da auf einem andern Grabe zwey abscheuliche Schedel, in welchen zwey verrostete Degen stacken, nebst dieser Beyschrift erblickte:
 

In zwey Ermordeten ruht hier die Eyfersucht,

Qvaal, Unruh, Blut und Tod war ihrer Liebe Frucht,

Der Himmel hätte sie in Ruh zu sich getragen,

Wenn sie dem Teufel nicht die Wohnung abgeschlagen.
 

„Meine gantze Menschheit samlete sich hier gewaffnet zusammen, um meine Seele zu bestreiten: Was? sagte sie, solte ich mein Leben nicht gleichfals vor dasjenige lassen, ohne welches ich nicht vergnügt leben kan? Solte ich demjenigen nicht den Degen durch den Leib rennen, der mir das Geliebte aus den Armen oder besser zu sagen, das Hertz aus dem Leibe|<104> will reissen? Ach! lachend must du dem ein Eisen durch die Adern jagen, der dir den geringsten Eintrag thut.

Die Seele ließ erst meine Affecten mit Fleiß austoben, hernach öffnete sie mir die Augen, um die Erde anzuschauen, auf welche ich aus Erbitterung gestampfet. Welcher Schauer überfiel mich nicht, da ich mit der Helfte meiner Füsse in einem Grabe stund, welches, weil es noch neu und locker, durch mein Treten nachgegeben. Wie? fieng ich zittrend an, soll ich lebendig unter die Erde sincken? Ihr Sternen, was habe ich doch gethan! Ja antwortete meine Seele: Bedencke, wie deine Lebens Zeit schon auf die Helfte verschwunden, und du wilst die andere nicht dergestalt anwenden, daß du sonder Schrecken zu deiner Mutter, der Erden, gehen kanst? Betrachte diese hier und dar liegende Knochen; Versuche, ob sie wohl riechen; Besinne dich, ob dir die Zeit lang düncket, da du gelebt? Und erwege die Kürtze und wenige Anzahl der Jahre, nach welcher du nebst deiner Geliebten allhier verfaulen wirst! Siehe deine|<105> künftige Lager-Statt nur wohl an; Und weil deinem eyfersüchtigen Hertzen fast die Welt zu enge, und du alles aus dem Wege mit Blut und Mord wilst räumen, was sich deiner Geliebten nahet, so habe die Gedult, einmahl auszumessen, wie groß das Behältnis seyn muß, wo zwey bis drey Hände voller Aschen liegen können! Wenn dein und ihr Gemüht tugendhaft, so ist der allerkleinste Platz mitten unter tausend Neben-Buhlern weit und geruhig genug vor euch. Eure Leiber stincken, wie andere nach dem Tode; Aber eure edle Gemühter werden den angenehmsten Geruch der Nach Welt hinterlassen. Darum, du bist ein Mensch, du must lieben, weils der Himmel befohlen; Sonsten verunreinigest du dich täglich mit ausschweifenden Gedancken. Doch befriedige dich: Du liebest, und ich habe dir die Macht gegeben, Lebenslang edel zu lieben: Denn ehe du deiner Schönen gefielest, warst du bemüht, dem Himmel zu gefallen;|<106> Da nun diesem deine Flammen anstunden, wie konten sie denn ihr zu wider seyn, die ein Gemüht hat, das dem Himmel auch gefallen will? Die Lorbern eurer beyder Tugenden müssen euch vor dem Blitz der Eyfersucht beschützen. Würmer wachsen aus der Hirsche Geweyhen, wenn sie die Eyfersucht qvälet, und aus verfaulten Leibern; aus dem Verstande aber muß ein himmlisches Licht strahlen, das bey allem, was einer höhern Macht nicht beliebet, gleich hell brennet. Verwundet einer deiner Schönen ihren Arm, so muß dein Hertz davon bluten und die Waffen zur Beschützung ergreiffen; Will ihr aber jemand eine Liebe erweisen, und sie nimmt es an, so waffne deinen Geist, sie als ein reitzendes aber deiner Seelen tödtliches Meer-Wunder, und nicht andere zu bestreiten. Gieb endlich aller Welt bey deinem schönen Exempel die Lehre: Daß wo auch aus einem Grabe Rosen spriessen sollen, das Tugend Oehl zweyer Ver-|<107>liebt-gewesenen den Saft darzu hergeben, und man um die gröste Schönheit der Welt sich nicht schlagen müsse, die morgen schon andere zu unserer Erkenntlichkeit davor küssen dürffen.

„Die nachdrückliche Gründe meiner Seelen und ein so furchtbarer Ort, bewegten mich zu einem eydlichen Entschluß: Eine Schöne nicht länger vollkommen zu lieben, als sie mich vor alles auf der Welt liebte.

„Doch die nur lauter Unglückseeligen aufgerichtete Begräbnisse und ein natürlicher Widerwillen vor ein mit Menschen Abscheu angefülltes Behältnis, wo uns unsere Eitelkeiten so jämmerlich vorgestellet werden, verursachten endlich ein mehr und mehr Erstaunen in meinem Hertzen, daß die Seele genug zu thun, mich statt der Flucht zum Anschauen eines halb aufgewühlten und halb mit Moß bedeckten Grabes zu bringen. Da war kein Todten-Kopf, wie an den andern zu sehen; Doch wieß der treffliche Leichen-Stein aus, daß was Vornehmes allhier den Gang aller Welt gegangen: Die eingehauene Zeilen musten demnach von neuen meine Neugierigkeit befriedigen, aber mich auch zugleich beunruhigen, weil, ich weiß nicht durch was vor einen merckwürdigen Zufall, lauter Mißgebuhrten der Menschen, besonders des Frauenzimmers, in die Augen meines Gemühtes fielen;|<108> Denn da laß ich!
 

Die zu der Geilheit sich ihr Antlitz stets geschminckt,

Und hitzger Jugend nur zur schnöden Lust gewinckt,

Die trittest du allhier, mein Wandersmann, mit Füssen.

Nicht wundre dich, daß sie zur Höllen fahren müssen:

GOTT sahe, wie sie starb, an ihr ein Fremd Gesicht,

Und hielte sie demnach vor sein Geschöpfe nicht.
 

Ach Wunder-würdiger Schau-Platz aller Menschlichen Eitelkeit! Waren meine Worte: Hier öffnen die Gräber ein Buch, wo unser Auge des Gemühts die schönste Weißheit kan aufschlagen: Kein sterblicher Redner, sondern der Himmel selbst liest uns was göttliches daraus vor; Und wenn die vollkommensten Menschen im Leben nicht begreiffen können, was doch ein Mensch sey, so bringen uns diese toden Knochen zu dessen Selbst-Erkenntnis! Unglückseelige Sterb-|<109>liche! Die nicht zu frieden seyn, wie sie Gott geschaffen: Die an ihrem Gesicht bessern wollen, was die gröste Wunder-Hand vor gut genug an ihnen erachtet! Die dem Himmel gern mißfallen, wenn sie nur solchen Menschen angenehm sind, die ihm ein Abscheu und er ewig verworfen! Was bist du nun, die vor berufene Courtisanin? Welche Caressen werden dir itzo gemacht, und mit welcher Gestalt nimmst du die Höllischen Furien ein, daß sie dich nicht plagen?

„Doch O Himmel? Wie erstarrten meine Augen nicht, da sie eine Schlange aus der aufgewühlten Erde des Grabes hervorkriechen sahen? Dieses Thier, ob ich gleich urtheilen konte, daß es aus dem Menschlichen Cörper gewachsen, verursachte meiner Menschheit dennoch ein solches Entsetzen, daß ich als ein Pfeil bis an das Ende des Gottes-Ackers flohe, und mich da erst furchtsam umschaute, ob mich ein so vergifteter Wurm verfolgte. Zu meiner Beruhigung erblickte nichts anders, als daß mich unter den Elendesten, ich meine gantz geringer Leute Gräbern befand, wo von aussen alles sehr erbärmlich schien, und unter zehen kaum auf einem ein Stückgen schwartz gefärbtes Holtz stack, da man lesen konte, wer sie gewesen. Da meinte|<110> meine Seele, es Zeit zu seyn, mich zu einen zu führen; Und da ich gehorchte, zeigte mir selbige zur ungemeinen Erkenntlichkeit an einem armen Brete diese reichen Worte:
 

Hier ruht ein armes Paar, das Fürsten hat verlacht,

Wenn reiner Liebes-Schertz sie pflegte zu ergetzen,

Die GOTT zu Sterblichen auf Erden nur gemacht,

Daß sich die Engel auch an Menschen möchten letzen.

Der Himmel nahm sie nur deswegen bey sich ein:

Daß du, mein Leser, sollst ein neu Exempel seyn.
 

Ach wunder-süsse Worte, die meine Seele an einem Orte in mein Hertz schreibet, wo ich dem Anschauen nach lauter Elend vermuhtete! Unvergleichliches Paar, so allhier die Liebe zusammen gelegt! So bist du ein Beyspiel gewesen, wie ich künftig lieben werde? Ist dieses ein unversehener Zufall, oder will mir eine höhere Macht was gewünschtes da-|<111>durch propohezeyen? Ja, antwortete mir meine Seele, alles dieses ist nicht von ohngefehr geschehen. Woraus kan ich aber meine Glückseeligkeit schliessen, fragte ich weiter. Daß, gab meine Seele hierauf, weil dir der Himmel ein Hertz so edel zu lieben gegeben, er dich sonder einem so annehmlichen Gegenstand nicht wird sterben lassen.

Hierauf gieng ich so vergnügt fort, als ob mein Fuß nicht einen Gottes-Acker, sondern das anmuhtigste Lust-Revier oder ein irrdisches Paradies betreten. Vorhero aber hielte die Seele meiner Menschheit vor: Daß ich als ein edler Mensch nun erkennen möchte, wie da nicht allein die schönsten Liebes Gedancken könten geführet werden, wo der Mensch gepflantzt, sondern wo er durch das allgemeine Gesetz der Natur zernichtet würde; Und bewegte mich endlich, bey dem Grabe dieses armen Paars zu schweren: Meine Schöne, die mir der Himmel durch eine Ubereinstimmung des Gemühts zu erkannt, allen Gütern der Welt vorzuziehen, und|<112> ihr bis an eine so süsse Ruhe-Stätte getreu zu bleiben.

Was vor geheime Würckungen diese ungemein-schöne Gedancken von der Liebe bey Arismenien verursachet, wuste Selander nicht; Er glaubte aber aus ein und andern bekandten Umständen, daß sie darüber nicht sonder Nachsinnen würde geblieben seyn.

Zumahl da sie solche des Abends durchgewandert, und sich wie er hernach erfuhr, damit zu Bette begeben.

Bey seiner Visite empfieng sie ihn mit einer freundlichen Ernsthaftigkeit, und nahm bald darauf Anlaß, seine so sonderbahre Betrachtungen zu rühmen, mit der Versicherung, wie ihr solche überaus wohlgefallen.

Sie geriethen demnach in einen Discours, der mit dieser Materie eine Bewandnis hatte; Und weil der Schluß dieser Gedancken ihr besonders angenehm, sagte Selander: Daß er auf ein solch Frauenzimmer gerichtet, die so viel Liebens-würdige Eigenschaften als Arismenia, und so viel Liebe vor ihn besäß, als darinnen abgebildet?

Sie konte sich vielleicht hierüber nicht deutlich erklären, und er trug auch Bedencken, sie um eine so vollkommene Gunst weiter zu bitten, darum behielt ein jedes seine Uberlegungen bey sich.|<113>

Eine vollkommene Liebe steigt allezeit in ihrem Wehrt; Aber eine noch vollkommenere, wie die meisten davor halten, soll mehr unter als über sich steigen, und solche Würckung schien auch durch den täglichen Umgang bey Arismenien sich zu ereignen.

Ihre Unterredungen waren zwar mehrentheils von den edelsten Sachen; Aber weil die Abwechselung beliebt, so geriethen sie absonderlich bey dem Abschied auf lustige Discourse; Und darzu musten ihnen die geringsten Dinge, wenn es auch Selanders Camisölgen seyn sollen, Materie hergeben, darüber sie beyde nicht sonder Empfindung schertzten.

Auf eine so artige Manier nöhtigte auch der Schalckhafte Selander Arismenien eine Erklärung ab, damit sie sonsten so sparsam gewesen: Denn ob er wohl ihre Liebe in der That deutlich genug verspühret, hielt sie dennoch mit einer mündlichen Versicherung sehr hinter dem Berge, bis er ihr einmal den Cu de Paris, (oder das Aufgestecke des Kleides) aus Kurtzweil dergestalt zerdruckte, daß sie ihm auf keine Art, als mit dem Versprechen loß werden könte: Sie wolle ihm was angenehmes sagen; Und da er abließ, hub sie an: Wissen sie wohl, daß ich ihnen gut bin, und daß ihnen Lebenslang von Hertzen werde gut seyns.

Solche Versicherung war Selandern auch höchst angenehm; Um deren aber gewisser zu seyn,|<114> bemühte er sich durch die verpflichteste Bedienung, den Zugang zu ihren Hertzen vollkommen zu finden, und fand auch endlich: Daß sie ihm von Hertzen gut war.

In dieser schönen Vergnügung suchte ihn der oben gedachte Neben-Buhler, welcher zuweilen ihre Garten-Gesellschaft genossen, auf alle Weise zu stöhren: Er nennte sich Cyprianus von Notenberg, und hatte sich den Vornahmen deswegen zugelegt, weil er aus Cypris oder dem Reiche der Liebe wolte entsprossen und von der Venus also privilegirt seyn, seine verliebte Grillen überall auszuhecken, und unter dem Caracter eines Verliebten dasjenige zuthun, wodurch andere den unanständigen Tittul der Phantasten verdienen.

Weil er nun wuste, daß Selander mehrentheils bey Arismenien, und er sie gern einmahl allein sprechen wolte, ließ er sich bey ihm anmelden: Er wolle ihm mit dessen Erlaubnis um die und die Stunde eine Visite geben.

Wie nun Selander zu Hause um die bestimmte Zeit seiner erwartete, war der Herr Cyprianus zu Arismenien gewandert, um da seine verliebte Minen anzubringen.

Selander erfuhr diesen Streich noch des Abends von seiner Schönen, und an statt zornig zu werden, lachte er von Hertzen, und rechnete es unter seine kurtzweiligsten Abendtheure, daß ihm ein solcher dergestalt einen Possen zu reissen unterfangen;|<115> Denn er hatte es ihr als ein Zeichen seiner Klugheit und Liebe von sich selber gestanden.

Wie er zu Selandern wieder kam, entschuldigte er sich mit einer Erfindung, und solche nahm Selander mit Versicherung aller Amitie auf; In etlichen Tagen aber ließ er ihn auf eine Collation zu sich bitten, zu welcher sich denn unser Cyprianus, der gern umsonst was Gutes essen und trincken mochte, um voraus einen trefflichen Appetit machte.

Als er nun in höchster Galla, das ist mit einer gepouderten Paruqve, aufgezogen kam, muste er sich von der Magd im Hause mit dem Entschuldigungs-Compliment abspeisen lassen: Aus der Gasterey würde heute nichts werden, denn Mons. Selander wolle vor diesmahl Madame Arismenien in ihrem Zimmer unn allein tractiren.

Diese Höfligkeit roch nach keinen andern Gericht, als einer gebratenen Nase, welche der gute Cyprianus mit nach Hause nahm, und sie in seine Raritäten-Kammer zu den andern hieng, die er schon bey tausenden zehlen konte.

Doch dieses war vielleicht nicht der eintzige, welcher Selandern gern Eintrag gethan; Und ob es gleich nicht in der That so beschaffen, so bekam er doch durch das öftere Ausfahren Arismeniens zu solchen Muhtmassungen Anlaß.

Sie begegnete ihm ein paar mahl in der Carosse zwar mit Frauenzimmer, seine Kundschaften brachten ihm aber so viel Nachricht, daß vor dem Thor ein|<116> paar gute Freunde ihrer zu weilen gewartet, woraus ein neuer Verdacht in seiner Liebe entstund, zumahl, weil sie aus einen und andern Ursachen seine Gesellschaft dabey nicht haben konte.

Das schöne Wetter hatte sie demnach den vorigen Tag wieder aus der Stadt gezogen; Und wie er an dem andern seine Mittags-Visite bey ihr abstattete, in der Hoffnung, weil ein starckes Donner- und Regen-Wetter die Nacht eingefallen, und sie ihm ausser dem eine Visite erlaubt, sie gewiß zu Hause anzutreffen, war ihr Zimmer leer, und ihr Mädgen gab ihm die schlechte Vertröstung: Sie würde zwar bald nach Hause kommen, aber dem gestrigen Versprechen nach wieder ausfahren.

In dem sich nun Selander in seinen Gedancken darüber ärgerte, kam ein Diener von einer andern Dame, die ihre gute Freundin, und entschuldigte durch das eingefallene böse Wetter, daß heute aus der Spatzier-Fahrt nichts werden würde.

Dieses vergnügte Selandern nicht wenig, und zwar nicht deswegen, daß er sie also geruhig würde sprechen können, sondern ihr seinen nachdencklichen Schertz darüber zu eröffnen: Dahero ergriff er Feder und Papier, setzte folgenden Brief an sie auf, und ließ ihn auf ihrem Nacht-Tisch liegen; Er aber passirte in anderer Compagnie inzwischen seine Zeit.



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Schreiben
der Flora an die Charmante
Madame Arismenia.

Madame.

MEine Gegend ist niemahls glücklicher, als wenn sie eine Dame betritt, die, was ihrem Zieraht bey annahender Herbst-Zeit abgehet, durch ihre Anmuht wieder ersetzet, und mir eine Conversation gönnet, die sich zu meiner Gemühts-Art unvergleichlich schicket. Vor so angenehmen Zuspruch bin um desto mehr verbunden, weil ihre liebste Person so anziehend, daß kein eintziger Freund von meinem Zephyr, der ihnen nicht mit Vergnügen Gesellschaft leistet; Und ich also durch sie die galantesten Gäste erhalte. Nur dieses beschämet mich, daß Madamen nicht nach Würden tractiren, und ihnen Blumen vorsetzen kan, die so wie die Ihrigen|<118> die Schönheit nicht verliehren, wenn sie noch so viel gebrochen werden. Doch ihr gütiges Naturell versichert mich eines geneigten Aufnehmens, und daß ein ander mahl, und sonderlich übers Jahr bey dem neuen Frühlinge, gedoppelt einbringen werde, was mir itzo an Blumen stirbet. Denn ob mir gleich Morgen nebst andern guten Freunden das Plaisir versprochen, sie in meinem Revier wie gestern zu bedienen; Auch welche vor dem Thor auf zupassen sich resolviret: So ist doch diese Lust durch einen besondern Zufall zurück gangen. Ob Madame etwas dran Schuld seyn, will nicht sagen; Doch weil Götter dieses nur vor einem so vollkommenen Menschen, als Madame, voraus haben, daß sie alle Heimlichkeiten wissen; So kan nicht bergen, daß mir dero Vertraulichkeit mit Selandern bekandt. Wäre dieser nicht so eigensinnig, daß er Rosen, woran er einmahl die Hand gehabt, keinem andern überlassen wolte: So würde seine Compagnie|<119> zu weilen nicht ausgeschlossen werden. Nachdem er aber durch die Constance, als eine Göttin de la Fidelité erfahren, wie Madame, ohngeachtet sie ihm morgen eine Visite erlaubet, sich wieder bey mir divertiren würden, hat ihn die Heftigkeit seiner Passion dahin getrieben, daß er beym Jupiter eine bewegliche Supplic eingegeben, diese ihm verdrießliche Ausfahrt zu verhindern. Jupiter, welcher dem Selander wegen seiner Aufrichtigkeit gewogen, und an dem Hercules nicht ungerochen gelassen, daß er seine Juno caressiret, bezeigte diesen Morgen um 4. bis 10. Uhr durch ein starckes Donnern und Regen, daß er dessen Bitten erhört, und machte dadurch die Wege so tief, daß sie deswegen ohnfehlbar ihre vorgenommene Ergetzlichkeit einstellen müssen. Ein so unvermuhteter Streich wird zwar Madamen, wie mich kräncken, aber auch zugleich statt meiner Excuse dienen, wenn sie erwägen, um welcher Person ein solch Ungewitter entstanden.|<120> Solte nun der Himmel sich wieder ausheitern, und eine Garten-Lust vergönnen: So wolte unmaßgeblich rahten, ihn auf solche Art abzuspeisen, daß er sich bey guten Tagen nicht nach ihrem Zimmer sehnen, und also von neuem unser Plaisir stöhren dürfe, weil das Glück vor einem in der Treue allzu eigensinnigen Menschen groß genug wenn er ihnen in schlimmen Wetter aufzuwarten die Permission hat. Morgen um drey Uhr erwarte deswegen Resolution und verharre mit Vergnügen

Madame

Dero ergebenste Freundin     

Flora.|<121>



Wie Arismenia nach Hause kam, und unter der schertzhaften Erfindung dieses Briefes, oder besser zu sagen unter denen darinnen gedachten Rosen einige Dornen fand, waren ihr solche zu ertragen zu scharf; Dahero ließ sie Selandern an dem Ort aufsuchen, wo sie ihn ungefehr zu seyn glaubte, und bemühte sich darauf, ihm alle ungleiche Gedancken von ihr zu benehmen.

Er glaubte ihr so gefällig, als sie es verlangte, und führte sich, wie vor, verpflichtet auf. Weil er aber an ihren Minen errahten konte, daß sie morgen wieder ausfahren würde, fragte er sie selber darum; Da sie es alsdenn bekannte, aber anbey versicherte, daß es wider seinen Willen nicht geschehen solle.

Die Augen redeten aus Selandern mehr die Warheit als die Worte, denn mit diesen sagte er ja, mit jenen aber nein, und Arismenia, die die geheime Sprache, weil sie solche selber unvergleichlich redete, wohl verstund, befriedigte ihn nicht allein mit dem Versprechen, ihn morgen bey sich zu sehen, sondern auch mit Caressen, die man von einer geliebten Dame nicht schöner wünschen kan.

In so entzückter Liebes-Unterhaltung vergaß er alle Unruhe, die er durch sie zuvor empfunden, und hielt die Einsamkeit etlicher Tage, auch in einer Wüsten, sattsam vergolten, gleichsam darauf in einem Paradies bey einem irrdischen Engel zu leben.

Eine edle Liebe hat was ungemeines in sich, und so angenehm war ihm itzo ihre Zärtlichkeit,|<122> da er sie zuvor nicht so sehr in ihn entzündet geglaubt; Und weil er in dem vergnügtesten Schertzen Abschied nahm, kurtzweilte er: Nun würde sie morgen dennoch auf den Garten fahren, nachdem sie ihn ihrer vollkommenen Liebe versichert. Vielleicht, antwortete sie im Lachen; Und solches hatte Selander nicht vergebens gemuhtmasset, weil sie schon etliche mahl, wenn er verdrüßlich über eine vorgenommene Spatzier-Fahrt gewesen, seine heimliche Einwilligung auf eine so bezaubernde Art ausgebeten.

Denn als er dem andern Tag in ihrem Quartier sich anmeldete, und nach der Madame Arismenien fragte, bekam er die Nachricht: Madame Arismenie ist auf den und den Garten gefahren: Worauf sich Selander destoweniger mißvergnügt in andere Gesellschaft verfügte, weil er es zuvor gewiß geurtheilet.

Tyrsates war sein angenehmster Zeit-Vertreib, und wenn sie einander ihre Begebenheiten ausser gewissen geheimen Puncten erzehlten, fand Selander sein Gemüht, wo nicht vollkommen, doch guten theils befriediget.

Und dieses ist das Geheimnüß vieler Amanten, einen recht vertrauten und erkandten Freund zu haben, der unsre Zufälle in der Liebe gern anhöret, und mit uns darüber raisonniret; Es ist ein Mittel auch in seiner|<123> eussersten Unruhe vergnügte Linderung zu finden; Und ist gantz nicht zu tadeln, wenn wir nur verschweigen, was unserer eigenen und der Tugend der geliebten Person nachtheilig seyn kann.

Vor diesmahl hatte Tyrsates bey so aufgereimtem Humeur des Selanders grössern Appetit, als ohnlängste, ihm die mit dem Opern-Frauenzimmer gehabte nachdrückliche Unterredung zu erzehlen, und noch was kurtzweiliges hinzu zusetzen, welches sich mit Mons. Cyprianus begeben:

Denn dieser verliebte Fincken-Ritter machte sich, nachdem seine Hoffnung bey Arismenien in den Brunnen gefallen, an die oben gedachte Opern-Schönheit und hatte in andere Gesellschaft mit ihr auf dem Wasser sich zu divertiren endlich die Erlaubnis; Aus was vor einer Affection es aber herstammte, sahe man bald darauf.

Caelia,* so hieß dieses Opern-Frauenzimmer, kannte Cyprianum bereits, und wuste was vor einen Cavalier sie an ihm angetroffen. Um nun der Compagnie eine Ergetzlichkeit zu machen, fuhren sie in zwey Gondeln, und Cyprianus muste zu seinen Mißvergnügen in die andere treten. Durch die barmhertzige Minen, die er Caelien aus seiner Gondel zu machte, ließ sie sich endlich bewegen, ihn in die ihrige zu nöthigen, und reichte ihm zu einen desto grössern Zeichen ihrer Gutheit selber die Hand.|<124>

Wer war froher als Cyprianus? Die Liebe bildete ihm ein, als ob seine Füsse zu Flügeln worden, womit er in einem Augenblick in ihrer Gondel seyn wolte: Indem aber der gute Herr im Springen, riß Caelia ihre Hand loß, und besetzte das Wasser von neuem mit einem Stockfisch.

Es waren schon Leute dazu bestellt, die ihn wieder auffischten, und die gantze Compagnie lachte nicht über diesen possierlichen Streich, sondern beklagte ihn vielmehr wegen eines sothanen Unglücks, welches um desto grösser, da die gantze Frisur aus seiner Paruqve gehen, und das Kleid, so er aus Menage nicht hatte krümmen lassen, zu kurtz werden dürfte.

Caelia half getreulich dazu und wuste sich so manierlich zu entschuldigen, daß Cyprianus das galante Compliment zu ihr sagte: Um das Mitleiden einer so schönen Person zu verdienen, müsse man tausend Kleider und Parüqven nicht achten; Ob er gleich von beyden nicht mehr als eins hatte.

Doch durch dieses Douceur erlangte er den süssen Trost, daß ihn Caelia durch ein paar Gondolirer nach ihrem Zimmer tragen, und, wie er inständig gebeten, hinter ihren Ofen trocken werden ließ.

Bey diesem Zufall war Tyrsates persönlich zugegen gewesen; Und als einige Tage darauf die Visiten bei Arismenien wieder abgestattet, und|<125> Selanders Vergnügen befördert worden, giengen sie beyde nebst Officiren und andern Cavalieren an einen Orte, wo man sich bey einem guten Glaß Wein mit einem Spiel erlustiget.

Allein dadurch schantzte sich Selander was unvergleichliches zu: Die Kraft des Weins war ihm unbekandt, und weil er angenehm zu trincken, nahm er in so guter Gesellschaft mehr zu sich als er sonsten gewohnt, und wurde bey dem Spiel nicht gewahr, daß er ungemein berauschet.

Indem er aber mit Tyrsates nach Hause wanderte, merckte er in der Luft eine kleine Veränderung: Dessen ungeacht aber konte er die Strasse, worinnen Arismenia wohnte, nicht vorbey passiren, sondern nahm von Tyrsates Abschied, und besuchte seine Schöne in einem recht guten Stande, sich ihr gefällig zu machen.

Arismenia meinte, Selander würde bey über aus gutem Humeur sein, da er so geschwind die Treppe hinauf eilte: Doch bey dessen Erblickung sahe sie mehr als zu deutlich, wie seine Geister durch was anders als die Liebe rege gemacht worden, und nöhtigte ihn also bey Zeiten auf einen Stuhl, weil ihm das Stehen ziemlich beschwerlich ankam.

Inzwischen sahe er doch seine Geliebte mit starren Augen an, und that so freundlich, als ob er ihr lauter süsse Verpflichtungen vor sagen wolte; Allein es blieb gemeiniglich bey dem ersten Wort und im übrigen muste sich Arismenia befriedigen, daß er hertzlich gern discouriren gewolt, wenn er nur gekont.|<126>

So weit hatte er sich noch besinnen können, und zwar eine Verwunderung, doch auch ein Mitleiden aus ihren Augen gelesen; da ihn aber der Wein ersuchte, ein wenig aus dem Fenster zu sehen, spatzierten die Geister so weit in die freye Luft, daß er gantz und gar vergaß, wie er in Arismeniens Zimmer.

Man ist unglückseelig, in dem Zustande bey einem Frauenzimmer zu seyn, deren Hertz so wohl von Liebe, als Ehrgeitz eingenommen, und in beyden von uns will befriediget seyn. Niemand ist vollkommen; aber da begeht man auch Fehler, davor wir selber einen Abscheu tragen, und kan einer Dame eine gar ungleiche Meinung beybringen, die von uns zuvor noch so wohl geurtheilet.

Selander kam nach Hause sonder zu wissen wie, und nicht eher zu sich selber, als bis er des Morgens früh erwachte, und so grausame Schmertzen im Haupte empfand, die ihn endlich, nebst ein und andern Merckmahlen in seinem Schlaf-Zimmer erinnerten, was gestern vorgegangen.

Von einem erschrecklichen Traum oder starckem Rausch zu erwachen, ist einerley: Darum kamen ihm seine Ausschweifungen als nächtliche Phantasien vor, in welchen, je mehr er grübelte, je mehr fand er, daß er zwar nichts wider die Liebe, allein das allergröste wider die Höfligkeit und den Wohlstand begangen.

Sein Mißvergnügen war hierüber unbeschreiblich, und dergleichen grausame Vorstellung solten|<127> einem andern den vom Wein zermarterten Kopf folgends zerbrochen haben; Allein bey Selandern war die Würckung gantz anders.

Einen berauschten soll ein plötzliches Unglück können nüchtern machen; Und so wurden auch Selanders Sinnen durch die Abbildung, wie billig ihn nun Arismenia wegen so überaus grosser Excesse hassen würde, zumahl sie die Trunckenheit vor das ärgste Laster hielte, so sehr zusammen gebracht, daß niemahls ein wider Willen begangener Fehler schöner kan seyn gebüsset werden, als Selander seinen Rausch bereute.

Man wird davon nicht besser urtheilen können, als wenn man diesen Brief an Arismenien durch lieset, und anbey glaubt, daß er in eben der Stunde geschrieben worden, da er zum ersten erwacht, und die unleidlichste Pein in seinem Haupt empfunde:



Madame.

OB Sie diese Zeilen von der unwürdigsten Person, die ehmals dero Conversation genossen, lesen; oder bey dem ersten Anblick aus Zorn zerreissen werden, weiß ich nicht. Es wäre das allergeringste, was ich verdient; Und weil Madame vielleicht eine weit grössere Straffe vor mich aufge|<128>hoben, als daß Sie solche an dem unschuldigen Papier solten auslassen, so habe durch diese unterthänige Zuschrift versichern wollen, daß mich zu dem ärgsten suche gefast zu machen. Sie werden vielleicht nicht glauben, unvergleichliche Madame, daß ein Mensch, der, ob gleich in der grösten Trunckenheit, sich so weit vergehet, eine unendliche Reue darüber emfinden, und sich selber deswegen so sehr hassen könne: Allein ich bezeuge bey allem, was mir heilig, daß einen rechten Abscheu vor mich habe. Ich will noch hier die letzte Schwachheit begehen, und bekennen, daß bishero eine übermässige Hochachtung vor mich selber getragen, und mir, ich kan nicht sagen mit welchen Qualitäten flattiret, da der Madame Arismenien gefallen. Allein nunmehro habe einen Eckel länger zu leben, da mich so gar auf unmenschliche Art aufgeführet, daß, da zwar alle vorige Erlaubnis aus Güte hergerühret, doch nun keine Gnade sich so weit erstrecken kan, mir zu pardoniren. Englische Madame, manche dürften um Vergebung eines sothanen Fehlers bitten, weil sie sich nicht vorsetzlich, sondern wider alles Vermuhten in unbekandtem Wein berauschet, und da sie ihrer Sinnen nicht mäch-|<129>tig, sich eines Orts nicht enthalten können, der ihnen bey nüchternem Verstande der annehmlichste von der Welt gewesen. Ja viele dürften vorwenden, daß, weil sie eine so vollkommene Dame so wenig mit Vorsatz beleidiget, als sie sich ihrer Verbrechen genau zu entsinnen wüsten; So hofften sie vor diemahl einen großmühtigen Pardon, und betheuerten auf das höchste, die retiréeste Conduite inskünftig zu führen. Allein, Madame, mein Verstand saget mir selber, daß alle Excusen unzulänglich, und wenn mir ihr ungemein edles Hertz gleich alles vergiebt, was andere vielleicht rächen würden, so wird doch das Concept, so Sie von mir nun machen können, mich aus der particulairen Gunst bannen, und mir selbige nicht weiter geniessen lassen. Das Andencken meiner begangenen Prostitution bey einer Dame, da mich Lebenslang am besten angeschrieben wünschte, ist schon eine solche Marter vor meine Seele, daß sie die andere anitzo nicht wohl begreift, wenn nach meinem Verdienst mit mir verfahren wird. Aber Sie wird sie mit der Zeit empfinden, und ich muß zu meinem unendlichen|<130> Schmertzen selber sagen: Madame handelten fast unbillig, mich nicht durch blosse Benehmung ihrer Gutheit aufs grausamste zu tractiren. Ich bin es wehrt, und allzu unwehrt, daß Sie noch diese Zeilen von mir, ob gleich in meiner eussersten Bereuung, vor ihre schönen Augen kommen lassen. Ich verlange nicht länger ein Leben, das nicht das vorige, und durch eine so unverantwortliche Ausschweifung besudelt worden; Ja wenn nicht eine Verzweifelung mich auch ihrer Großmuht unwürdig machte, würde mehr sagen; So aber will so lange es mir gegönnet, auf eine Art leben, da mich desto billiger verachten lerne, je mehr mich vorher geliebet. Jedoch, Madame, solte mir nicht mein Leben deswegen so lieb und schätzbar seyn, um durch eine nach allen Kräften eingerichtete edle Conduite das Versehen zu verbessern, und zu zeigen, daß es eine unvermuhtete Ausschweifung gewesen, und mein Gemüht durchaus weit anders gesinnet; Aber was würde es mir helffen, wenn es Madame nicht zu wissen oder erfahren verlangten. In meinem unglückseeligen Zustand scheue mich, ihnen vor Augen zu|<131> kommen, ja die Schaam würde mich vielleicht sterben machen; Und wenn ja noch einmahl Ihnen aufzuwarten die Ehre ausbitte, so glauben Madame, daß es aus ehrerbietigster Schuldigkeit geschiehet, nach dieser schriftlichen auch eine mündliche Abbitte zuthun. Ich halte mich darzu höchst verpflichtet, aber ausser Dero gütigsten Erlaubnis nicht in dem Vermögen, eine mir sonst ungemein beliebte Sache zu verrichten. Der ich mit gröster Verwirrung, aber vollkommenster Passion bin

Madame

Dero Ergebenster und Ver-
pflichtester

Scalander von Amalienburg.



Er übersendete diesen Brief alsofort; weil sie aber nicht zu Hause, zweifelte er dennoch an der Würckung in dieser Zuschrift nicht, und blieb, um ihr seine Ehrerbietung auch in der That zu zeigen, ein paar Tage zu Hause.|<132>

Hierauf sendete er noch ein kleines Billet an sie, folgenden Inhalts:



Madame.

Dero unterthäniger Diener bittet nochmahls um die gütigste Erlaubnis, Ihnen durch eine persöhnliche Aufwartung seine ehrerbietigste Reue wegen des begangenen Fehlers sehen zu lassen, und Dieselben um Vergebung zu bitten; Und versichert, wie er eine so großmühtige Gutheit Lebenslang mit dem verpflichtesten Andencken ehren, und mit dero Permission davor ersterben wird

Madame.

Dero

Getreuester und Erge–   
benster      

Selander.



Allein das Unglück muste es von neuem fügen, daß sie eben eine gute Freundin besuchet, und er also|<133> sonder der Vergnügung eines völligen Perdons diesen Tag bleiben muste; Und gleichwohl wolte er nicht eher eine persönliche Visite abstatten, bis er ihre Erlaubnis dazu erhalten; und durch sothane Conduite hatte er sie nicht wenig verpflichtet.

Im Gegentheil fügte es das Glück, daß er sie in einer Assembleé unverhofft erblickte, und bey Gelegenheit sich ihr gantz modest nahete, und auf eine Art um Vergebung bat, die sich schriftlich nicht ausdrücken läßt.

Sie begegnete ihm mit einer gar leutseeligen Manier, und nachdem sie anfangs von keinem Fehler wissen wollen, dem er wider sie begangen, sagte sie endlich: Wo er ja etwas versehen, so sey es durch seine verbindliche Zuschrift zur Tugend worden, weil er sie ein Gemüht kennen lassen, daß sie lebenslang wünschte; Und da er sich einige Tage durch den versparten Zuspruch selber so wohl zu strafen beliebt, so wolle sie ihn nunmehro bitten, Sie mit ehesten wieder zu besuchen.

So angenehm ward hier ein Fehler wieder ausgesöhnet, und die Bekandtschaft darauf recht wunder-schön fortgesetzt, daß auch nunmehro Arismenia,|<134> mit Selandern allein auszufahren, vor ihr gröstes Vergnügen achtete.

Tyrsates war inzwischen auch in die Bekandtschaft eines Frauenzimmers aus Engelland gelanget, welches sich mit ihrer Familie daselbst niedergelassen, und nach der in Engelland gewohnten freyen Art zu leben galante Compagnie nicht ausschlug, sondern ihr Hauß mehrentheils ein Rendevous von Cavalieren und Officiren seyn ließ.

Sie war etwas lang von Person, magerer Statur, wohl gewachsen, wohlgebildet im Gesicht, in der Music geschickt, und unter andern Qualitäten auch mit einem guten Verstande begabt, welcher aber, weil er mit keiner Leutseeligkeit, sondern einer hoffärtigen Mine begleitet ward, nicht so wohl der Leute Gunst als Widerwillen zu wege brachte.

Tyrsates war von dem Gemühte, daß ihn nichts, als eine angenehme Sittsamkeit von einem Frauenzimmer rühren konte; und weil diese so gar andere gescheute Leute durchzuhecheln, und mit spitzigen Minen vielmahls verächtlich zu tractiren suchte, kam da ein rechtes Paar zusammen: Denn Tyrsates moqvirte sich über sie, weil sie sich über ihn moqviren wolte.|<135>

Einer von seinen guten Freunden suchte bey ihr Amour, darinnen er auch so weit kam, daß, wie er Tyrsates vertrauet, die Küsse schon trefflich unter ihnen gewechselt wurden. Und von diesem erfuhr er auch, wie sie seine Conduite durchgezogen, in dem er so wenig Complaisance unterschiedliche mahl vor sie spüren lassen, daß er sie in Compagnie kaum angesehen, und sey mit einem solchen Cavalier kein Umgehen, der viele Fehler an sich hätte, und anderer ihre untersuchen wolte.

Ein so höfliches Urtheil von ihm wurde er desto mehr zu glauben bewogen, da sie ihm einmahl in der Carrosse begegnete, und wie er sie grüßte, eine so spöttische Mine machte, daß auch einige dabey stehende Freunde gar zu mercklich sehen konten, wie dieses Frauenzimmer Tyrsates dadurch touchiren wollen.

Es gab ein Gelächter, aber noch mehr, da ihnen Tyrsates die Ursach davon zu eröffnen versprach, und des Abends noch in einer Compagnie folgende lustige Einfälle zeigte:

Als die Engelländerin im vorbey fahren ein spöttisch Maul auf ihn machte.

Er.

Du siehst viel andre gut, mich aber spöttisch an,

Sprich, Nasen-weises Kind, was hab ich dir gethan?

Sie.

Darum veracht ich dich, nichts-wehrter Courtisan,

Dieweil mir andre was, du aber nichts gethan.

Er.

Was gutes will ich nicht, das weist du vor, wie nun:

Was böses, meinst du das? Das mag der Teufel thun.
 

Kein grösser Plaisir ist, und nichts findet mehr Approbation, als wenn Leute, die sich über andere unbillig moqviren, selber mit guter Manier durchgezogen werden; Dahero man leicht erachten kan, wie von Hertzen die Compagnie darüber gelacht, und wie bemüht sie war, es abzuschreiben, und andern Bekandten gleichfalls part davon zu geben.

Wie heftig sie es aber empfunden, daß sie Tyrsates ihrer üblen Conduite wegen so nachdencklich raillirt, entdeckte ihm der oben gedachte Freund, der ihre Gunst zu erwerben bemüht war; Und hatte sie dieses Pasqvill, wie sie es genennet, am meisten deßwegen verdrossen, weil man sie gering tractiret, da doch Tyrsates wüste, daß sie sich viel einbildete.|<137>

Immittelst glückte es gemeldetem Freund in seiner Liebe nicht, denn weil sie ziemlich bemittelt, war sein Absehn, durch seine Schmeicheleyen die letzte Gunst bey ihr zu wege zu bringen, und durch die nachdrücklichsten Caressen innerhalb drey viertel Jahren ihre Familie zu nöhtigen, sie ihm zur Frauen zu geben, worauf er sich sonsten keine Gedancken zu machen.

Allein seine Jahre und sein Verstand waren in der Liebe bey erfahrnen Frauenzimmer noch nicht reif genug, und also hatte er ihre Gunst im Anfang zwar leicht durch ein gutes Ansehen gewonnen, aber solche zu erhalten, oder bis auf den höchsten Grad zu bringen, ist etwas schwerer.

Demnach trug ein gewisser Officier die schöne Beute davon, ich meine, ihre Gunst, weil die meisten der itzigen galanten Welt nicht so gleich heyrahten, wenn sie schon ihre Geliebte als ihre Frau tractiren.

Tyrsates erfuhr dieses neue Liebes-Verständnis, und wie ihm die angenehme Engelländerin einmahl des Abends nebst diesem Officier in der Carrosse begegnete, trieb ihn die Curiosité so weit, daß er an statt des Dieners hinten auf selbige sprang, um zu vernehmen, wie weit sich eine Dame in verliebten Erklärungen heraus lassen würde, die in allen Stücken so Ehrgeitzig und super-klug seyn wolte.

Und gewiß, er kriegte Sachen zu hören, die man sich von einem recht vollkommenen Venus-Kinde nicht|<138> besser vorstellen kan; Und aus den lauten halb abgebrochenen Worten, die vielen hieher zu setzen nicht unangenehm seyn würden, verstand er so viel, daß sie einander mit einer geheimen Sprache unterhielten, welche sich mit der Feder so natürlich nicht ausdrucken läst.

Nachdem nun Tyrsates ein paar Stunden in der Stadt mit auf und nieder gekutschet, und man sich einbilden muß, daß man damahls in Venedig mit Carrossen überall herum gefahren,* ließ er dieses verliebte Paar, das sonsten nicht allein zusammen können kommen, vergnügt nach Hause marchiren.

Und diese Geschichte kurtz auszuführen, so hatten sie beyde ein Bündnis unter sich eingegangen, davon die kleine Welt, ich meine der Engelländerin, aber nicht die Grosse oder ihre Familie was wuste.

Wie aber der Officier zu Felde gieng, liebte diese Dame, wie vormahls, auch andere Gesellschaft, absonderlich einen vornehmen und verehlichten Cavalier, welcher es an kostbahren Pręsenten nicht ermangeln ließ, nicht aber eine wider ihre Keuschheit erhaltene Affection dadurch zu belohnen, sondern, wie man sagt, vor die Ehre ihrer honneten Bekandschaft erkentlich zu seyn.

Verliebten, zu mahl die dabey klug oder argwöhnisch sind, mangelt es niemahls an Spionen, daher auch dieser Officier eine und andere Nachrichten erhielte, die ihn nöhtigten, eine geheime Reise nach|<139> Venedig vorzunehmen, allwo er nicht so bald angekommen als er des Abends, gleichsam als ob er im Felde, seine Feinde oder Neben-Buhler recognoscirte.

Er erfuhr in unbekandter Kleidung, daß sie nicht zu Hause, sondern wie ihre Eltern glaubten, einer guten Freundin diese Nacht Gesellschaft leisten würde.

Er gieng in zweifels-vollen und unruhigen Gedancken an dem Wasser auf und nieder, und sein Gemüht wurde endlich durch eine schöne Music, die sich auf solchem hören ließ, so wohl divertirt, daß er bis am morgen, oder besser zu sagen, bis die Compagnie aus den kleinen Schiffen stieg, sich da verweilte.

Aus Neugierigkeit wolte er doch sehen, ob nicht jemand bekandtes darunter; Aber was machte er nicht vor grosse Augen, da er seine geliebte Engelländerin an der Hand eines Cavaliers erblickte? Er zweifelte etliche mahl, ob sie es in der That, und also des Nachts herum schwermen, und zugleich bey einer guten Freundin allein schlaffen können; Doch weil ihm sein Gesicht niemahls betrogen, so fand er auch itzo seine Schöne allzuwahr unter fremden Händen.

Den Tag darauf schlich er sich in ihr Zimmer, ehe es jemand gewahr wurde, und erschreckte sie durch seine unverhoffte Ankunft nicht wenig, da sich sonst Verliebte gemeiniglich über ein unvermuhtetes Wiedersehen freuen.|<140>

Er merckte ihre Bestürtzung anfangs im Gesicht, und errieht die Ursach, als sie etwas geschwind von ihrer Hand loß machen, und solches verstecken wolte: Denn er faßte sie eben so geschwind an, und ließ theils durch Bitten, theils durch Gewalt nicht eher nach, bis er ein paar überauskostbare Brasseleten in die Augen, und zugleich eine ungemeine Eyfersucht dadurch folgends ins Hertz bekam.

Sie erdichtete, daß sie es von der Frau Mutter bekommen; Allein die starcke Röhte des Gesichts und die vorige Bemühung etwas zu verbergen, so sie von der Frau Mutter erhalten, sagten das Gegentheil allzudeutlich, daß der Officier nach einer Stunde, die mehrentheils mit Zancken und Verweisen zugebracht war, ihr die Treue aufkündigte, und mißvergnügt in sein Qvartier kehrte.

Es ward gar bald in Venedig bekandt, warum dieser Officier mit unserer schönen Engelländerin gebrochen, Und da auch einige andere vornehme Cavaliers sich aus Schertz und nicht aus einer Heyrahts-Intention um ihre Gütigkeit bewarben, erschallte in kurtzen eine Zeitung, die man von einem schönen, jungen, galanten und bekandten Frauenzimmer nimmermehr vermuhtet. Was war es aber? Die allerliebste Engelländerin, welcher die gantze Welt nicht recht konte seyn, wolte sich nunmehro derselben enteussern und ins Kloster gehen.

Daß es bey vielen nicht wenige Bestürtzung verursacht, kan man glauben, in dem sie die angenehmste|<141> Gesellschaft dadurch verlohren, und absonderlich ein gewisser Herr nicht gern sah, daß man seine kostbare Brasseleten zu den verdrießlichen Rosen-Cräntzen legen wolte.

Es ist gewiß etwas schweres, sich mitten in seiner blühenden Jugend und Schönheit, und unter der Anbetung so vieler trefflichen Amanten zu entschliessen, allen Ergetzlichkeiten der Welt Adjeu zu sagen, und an statt Liebens-würdiger Menschen todte Bilder in dem Kloster lebenslang zu küssen; Allein man dürfte es auch von niemanden, als einem so großmühtigen, klugen, und mit so vielem Ehrgeitz versehenen Fräulein erwarten, und glauben, daß die Kloster-Luft, welche tausenden kaum ein paar Monat ansteht, ihr ewig gefallen würde.

Immittelst bemühten sich viele, die die Aenderung ihrer weltlichen Religion mit einer geistlichen ungern sahen, sie davon durch allerhand Gründe abwendig zu machen; Allein sie fühlte innerlich so viele nachdrückliche Bewegungen dazu, daß sie unmöglich davon abzubringen.

Der Tag des Scheidens brach an, und solcher kam den meisten so betrübt vor, als sie ihn mit grosser Eilfertigkeit nach einem Kloster ausser Venedig zurücklegte; Und dergestalt starb der Welt eine Schönheit bey lebendigem Leibe ab, vor welche man gern zwantzig andere und häßliche in so verdrießliche Einsamkeit geschickt.|<142>

Dem Tyrsates verursachte es ingleichen nicht wenig Verwunderung, und nahm er sich fest vor, daß, wo diese Schöne eine so harte, und unserer menschlichen Natur gantz widrige Lebens-Art beständig ertragen könne, er sich darzu ebenfalls entschliessen wolte.

Die Neugierigkeit trieb ihn also, sich in verstellter, und zwar weiblicher Kleidung nach der Gegend des Klosters zu begeben; Und als er daselbst angelangt, ließ er sich bey der Priorin anmelden: Er habe an die Engellische Nonne einen Brief von ihren Eltern zu bestellen, und müsse solchen persöhnlich überreichen. Denn, dachte er, wofern man ihn gleich erkennen solte, würde man ihm doch diesen Fehler pardonniren, wenn man seinen heiligen Vorsatz hörte, und wie er durch die Andacht der neuen Nonnen sich gleichfalls zu diesem Stand wolle bereden lassen.

Die Priorin ließ ihn demnach vor sich, und weil sie ihn, wegen seines geschornen Barts, würcklich vor ein Mädgen hielt, fragte sie nur genau: Ob er von denen Eltern abgeschickt? Und da er dieses gut beantwortet, führte ihn eine andere Nonne nach der verlangten Zelle.

Bey der Thür hörte er ein paar junge Mönche singen, die so wohl concertirten, als ob sie in einer Capelle zugleich jung worden; Indem er nun|<143> solche öffnete, schallte ihm diese besondere Music, welche alle Welt ohne Lehrmeister lernet, noch stärcker entgegen, und was noch artiger, so spielte die schöne Engellische Nonne das Clavir im Bette darzu.

Die Thränen giengen unserer Nonnen über den Anblick eines vermeinten und bekandten Mädgen aus ihrem Hause über, nicht zwar, daß ihr diese junge Mönche, welche sich an beyde menschliche Blasbälge recht manierlich gehangen, wehe thaten, sondern weil sie eben aus einem lamentablen Thon ihr geseegnetes Kloster Leben besang, und man gemeiniglich vor Freuden weinet, jemanden von den Seinigen zu sehen.

Tyrsates hatte viel von der Delicatesse der Kloster-Music gehöret; Allein diese schien ihm zu gefährlich, und um nicht vor den Componisten derselben gehalten zu werden, wenn man unter seinem Habit eine Manns-Person anträf, überreichte er ihr einen Brief, und gieng, ehe ihm diese neue Art von Nonnen vor Thränen recht angesehen, wieder zum Dinge hinaus und nach Venedig zu.

Sein erstes war, daß er nach Selandern eilte, und ihm diese schöne Avanture erzehlte, welchen es so wohl befremdet, als sie sich beyde bemühten, den Herrn Capellmeister solcher Musicalischen Werckzeuge|<144> aus zu forschen; Und solchen erfuhren sie auch bald, wiewohl zu einer neuen Verwunderung, denn es war kein Cavalier von dem Stande, der sie vielleicht zuvor heyrathen wollen, sondern einer ausser Diensten, und der unter andern Qualitäten auch das Spielen überaus wohl verstand.

Man rühmte ihn inzwischen; Und da er sie bald darauf mit Consens des Vaters heyrahtete, und durch ihr Geld eine Hauptmanns-Stelle im Kriege erkaufte, gratulirten ihm viele in galanten Hochzeit-Versen zu seiner geehlichten Nonne; Dabei Tyrsates nicht der Letzte war, seine schuldige Freuden-Bezeugung abzustatten, wiewohl er seine Poetische Gedancken nur kurtz und also abgefasset:



 
Uber die Eheliche Verbindung eines Spielers, und einer aus dem Kloster geheyrahteten Engelländerin, die man zuvor mit drey Hertzen in solches geschickt.

Madrigal.
Desperation facit aut Militem, aut Monachem.

EIn Kind aus Engelland, das nach der Welt gesinnt,

Und auch das Spielen lieb gewinnt,

Vertreibt die Zeit mit Kauf-Labet.

Hertz wird gewehlt; Sie spielt zu erst das Taus,

Hernach den König aus:

Ein andrer aber sticht zwey rohte Bauren drein;

Und also büßt sie alles ein.

Sie wird Labet, weil ihr das Weib noch fehlt,

Und läuft bestürtzt ins Kloster nein.

Doch wie das Spiel sich dreht!

Hertz wird zum andern Trumpf, und Er Labet;

In dem, da sie die bunten Karten mengt,

Sie wiederum zwey Knecht empfängt,

Dabey Er in dem Kauf so sonderlich gewählet,

Daß ihn das Glück nur mit der Hur vermählet.
 



Solche Einfälle, über welche sich das verliebte Paar nicht lange freuen konte, weil der neue Mann kurtz darauf vor dem Feind, sie aber aus Gram starb, wolte Tyrsates seinem wehrtesten Freund Selandern zeigen, und also gieng er nach der zwischen ihnen gemachten Vertraulichkeit unangemeldet in sein Zimmer.

Er fand solches leer; Und sich immittelst die Zeit zu passiren, bis Selander nach Hause käm, studirte er dessen Schriften durch, unter welchen ein artig Urtheil von der Kraft der Sternen fand, wie von derselben Conjunction und Einfluß in der Gebuhrts Zeit nicht allein das Glück und Unglück besonders im Lieben dependire, sondern|<146> auch durch deren Gleichheit die Gleichheit der Gemühter, herstamme, und also zwo Personen eine Wunder-würdige Ubereinstimmung aller Gemühts-Neigungen unter sich verspührten, weil gleiche Sternen bey dem ersten Anblick der Welt über sie gestanden.

Es waren schöne Lehr-Sätze, um solche einem geliebten Frauenzimmer beyzubringen, und ihr dadurch eine genaue Verbündung desto süsser zu machen, und indem er weiter suchte, traf er eine überaus schöne Application in Versen an, darinnen Selander an seinem eigenen Gebuhrts-Tage mit seiner annehmlichen Arismenien der Sternen und ihrer Ubereinstimmung des Hertzens wegen geschertzet, und bekam dadurch viel Licht, wie wohl dieses galante Paar mit einander stand, da er folgendes mit vergnügter Neugierigkeit durchwanderte:



An die schöne Arismenia,

Als er seinen Gebuhrts-Tag an S. Michalis
bey ihr celebrirte.

WEnn ich an diesem Tag, auf dich, du Schöne blicke,

    An welchem ich zu erst das Lebens-Licht erblickt,

So geht mein treuer Geist auf jene Macht zurücke,|<147>

    Die da dein Bildnis schon in meinen Geist gedrückt.

Man leugne, wie man will, daß nicht die Kraft der Sternen

    Die Regung des Gemühts in der Geburts-Zeit sey,

Ich kan und muß aus mir den Einfluß stündlich lernen,

    Und meine Lebens-Art stimmt ihrer Würckung bey.

Denn eben dieser Stern, der mich anitzt regieret,

    Stand (denn ich rechne nach) auch damahls über Dir,

Da du mit Anmuht hast die Welt zu erst gezieret,

    Und die Vereinigung war schon geheim in mir.

Drum flößte seine Kraft (vergönne mir das Glücke,

    Daß ich dir gleich gemacht) mir gleiche Regung ein.

Und daß ich längst nach dir die reinsten Seufzer schicke,

    Muß warlich nur ein Zug von deinen Sternen seyn.

Ich fühlte, da ich mich noch nicht recht selber kannte,|<148>

    Daß nichts gemeines mir den Zeitvertreib gebahr,

Wie in der Jugend schon in mir ein Feuer brandte,

    Dadurch ich Sehnsuchts-voll und ungedultig war,

Mir war es ein Verdruß, was andre konte letzen,

    Und die Zufriedenheit, die mir noch wolte blühn,

War, daß mich fremde Lust nicht wuste zu ergetzen,

    Und daß, was vielen schön, mir viel zu niedrig schien.

Doch liebte mich die Welt, ob ich sie muste hassen,

    Vielleicht, weil mein Gemüht nie aus den Schrancken gieng,

Und, wenn sichs eusserlich im Schertzen konte fassen,

    Es Gedancken doch an etwas edlers hieng.

Nur mit Beneidung must’ ich kluge Schriften lesen,

    Da traf ich manches Bild, wie ichs gewünschet, an.

Ach seuftzete mein Hertz; Ist denn was vor gewesen,

    In dieser Welt nicht mehr, so mich vergnügen kan?|<149>

Der Wunsch ist tausendmahl den Sternen zugegangen:

    Ach möcht’ ich, die ihr mich so sonderbahr gemacht,

Was Wunder-schönes auch durch eure Gunst erlangen,

    Und schauen, was im Geist mich immer angelacht.

Und hätt’ ich dich noch nicht, Annehmlichste, gesehen,

    So hätte diesen Wunsch vielleicht das Grab gestillt.

Ja müst’ ich nicht entzückt um deine Gnade flehen,

    Mein Klagen hätte noch die gantze Welt erfüllt.

Drüm zürnt ihr Sternen nicht, ihr habt mich gnug beglücket,

    Ihr zeiget mir anitzt durch meiner Schönen Strahl,

Welch Bild in der Gebuhrt ihr mir ins Hertz gedrücket,

    Und wie vollkommen Sie, als mein Original.

Denn siehst du nicht an mir, du Anmuhts-Kind der Sternen,

    Daß ich dein Spiegel bin, der nur von dir allein,

Als dem Original muß alle Stellung lernen,

    So bald dein Auge will auf mich gerichtet seyn?|<150>

Lacht deine Freundlichkeit, so muß ich gleichfalls lachen.

    Siehst du mit Lust in mich, so sieht die Lust heraus.

Machst du mir Minen zu, muß ich Geberden machen,

    Und schaust du streng auf mich, so seh ich sauer aus,

Regt sich dein schöner Mund, so sprechen meine Lippen;

    Urtheilt dein edler Geist, red’ ich vernünftig mit.

Liebst du das Schweigen drauf, so gleich ich stummen Klippen,

    Und tritt dein Fuß zurück, so weich ich einen Schritt.

Streckt sich dein Arm nach mir, so bin ich, meine Hände

    Um deinen Schwanen Leib zu winden schon bemüht.

Und wenn ich mich zur Lust auf Cypris Auen wende,

    So spür ich, daß ein Trieb dich auch nach solchen zieht.

Drum bist du, Schönste, recht mein Ander-Ich zu nennen,

    Mein Leit-Stern, denn du giebst mir alle Regung ein,

Mein Bildnis, ohne das ich mich nicht kan erkennen,|<151>

    Und sehn, wodurch ein Mensch kan irdisch seelig seyn;

Mein Leben, ohne das ich lieber nie gebohren,

    Und in der ersten Kraft der Bildung noch versteckt;

Mein Licht, das sich mein Hertz zur Sonnen auserkohren,

    Davor mir jener Glantz nur Dunckelheit erweckt;

Mein Stern, aus dem allein mein Glück und Unglück strahlet,

    Der meinen Himmel schmückt, so bald mein Leib in Ruh;

Denn ob sich sonst die Nacht mit tausend Lichtern mahlet,

    Wirft mir doch deines nur entflammte Rosen zu.

Du Leit-Stern meiner Lust, mich lege Nacht und Schatten

    Ehr ewig in das Grab, wo mich kein Licht bescheint,

Als wenn dein holder Glantz sich nicht mit mir zu gatten,

    Mich lebend, aber nicht beglückt zu machen meint,

Lieb-reiches Meister-Stück, holdseeligste der Frauen!

    Da heute nun ein Tag, da ich die Welt erblickt,|<152>

So gönne mir, durch dich den schönsten Theil zu schauen,

    Der meine Seele bloß auf dieser Welt beglückt.

Ich bin vor dich gemacht; Wo find ich welche Schönen,

    Da Hertz und auch Verstand mir Geist und Hertze rührt?

Kurtz: Ich bin am Gemüht, (ach kan ich mehr erwehnen!)

    Ein Uhr-Werck, das dein Geist stets stellet und regiert.

So leb ich bloß durch dich; So will ich durch dich sterben.

    Ach Schönste, wirst du auch vor mich geschaffen seyn?

Die Anmuht, die dir kan mehr Kostbarkeit erwerben,

    Macht mich dir zugering, dich mir zu ungemein.

Vor tausend Frauen muß man dich holdseelig nennen;

    Du hast was Himmlisches in deinem Augen-Strahl;

Es lieben dich auch die, die kein Gemüht nicht kennen,

    Und deine Unmuht macht dir Sclaven sonder Zahl.

Hingegen bin ich nicht vor männlich schön zu schätzen,|<153>

    Ich habe nichts an mir, als (Himmel laß mir zu,

Ich will hier meinen Ruhm vor tausend Männer setzen,)

    Nichts hab ich kostbares, als ein Gemüht wie Du.

Drum bist du ein Magnet? Will ich den Stahl bedeuten,

    Du Agstein? Bin ich Spreu: Ach zeuch mich doch an dich.

Bist du ein Reben-Stock von Götter Süssigkeiten?

    Um diese winden auch die schlechten Ulmen sich.

Wohl, Schönste, wirst du mir heut keine Gunst versagen,

    Nimmst du, mein Engel, mich, wie meine Geister hin,

So spür ich, wenn dein Arm, der Englisch mich wird tragen,

    Daß ich am Engel-Tag gebohren worden bin.
 

Die Gedancken, das darinnen abgebildete Vergnügen, und die genaue Ubereinstimmung der Hertzen zwischen Selandern und Arismenien waren Tyrsates durchaus so annehmlich, daß, wo er ein schönes Frauenzimmer vor sich gefunden, er sich gleich verliebt hätte.|<154>

Allein, da es in Ermangelung dessen noch eine Zeitlang anstehen muste, war er zu frieden, in ruhiger Freyheit seines Hertzens zu bleiben, und Selandern an seinem geliebten Ort zu suchen, weil er ihn gewiß da vermuthete.

Er traf ihn in dem aufgeräumsten Humeur, wie er gemeiniglich war, und zwar in einer artigen Arbeit an, denn er half ihr welche Frantzösische Bilder auslegen, oder mit wohl ausgesuchten Farben auskleiden; Daher sie sämtlich darüber schertzten, und Tyrsates, um zu beweisen, daß er an Gefälligkeit Selandern nichts nachgeben wolle, Arismenien so lange qvälte, biß sie ihn ebenfals darinnen ein wenig unterrichtete.

Unter vielen Artigkeiten des Tyrsates eine zu erwehnen, so bekam er einen verliebten Kerl auf einem Bilde vor sich, welcher ein Affections-Band, so seine Maitresse am Strumpf getragen, immer küßte, und es am Hals gehangen.

Er nahm daher Anlaß, über die süssen Einbildungen vieler Verliebten zu schertzen; und mit guter Manier beyden zu eröffnen, daß er von dem Innhalt oben gedachter Verse oder ihren zuweilen geführten Discoursen was wisse, fieng er an: Weil es aber wo nicht nach der Verliebten, doch nach der Staats- und galanten Welt, Ritter-Orden auszutheilen, so könte er, wann sie ihm die Ehre eines Ordens-Meisters geneigt erlauben wolten, mit viel besserer Art ihnen beyden den Orden de la noble Sympathie,|<155> (oder: Der edlen Ubereinstimmung der Hertzen) austheilen, und von ihnen den Orden der Edlen, und auf seiner Seite ergebenen Freundschaft empfangen.

Hiermit nahm er drey zu Auslegung der Bilder gehörige Stück-Bänder und offerirte ihnen zwey, eins aber behielt er vor sich. Selander lachte über diesem artigen Streich, welchen er so wohl, als Arismenia verstand, und wie er seines behielt, so nöhtigte er auch Sie, daß sie es endlich annahm, und man allerhand Kurtzweil darüber trieb.

Arismenia wolte ihnen beyden die Zeit besser passiren, und bat sie also zu einem Allombre Spiel, wovon sie eine so grosse Liebhaberin, als sie darinnen glücklich war.

Nach einigen Stunden beurlaubte sich Tyrsates bey ihnen beyden, weil ihm Selander in geheim eröffnet, daß er mit Arismenien noch etwas allein zu reden; Und hierauf forschte sie, wo Tyrsates auf den Einfall von der Sympathie gekommen, und ob er ihm vielleicht die Verse lesen lassen, oder ihm auch ihre unter sich zuweilen geführte Discourse vertrauet?

Selander hatte von Tyrsates schon erfahren, daß er auf seinem Zimmer gewesen; Und weil er sich besann, was er unter seinen Schriften liegen gelassen, entdeckte er Arismenien seine Muhtmassung hier über, und bat sie verpflichtet: Ihm einen aus|<156>Nachläßigkeit begangenen Fehler zu vergeben, welches er deswegen einen Fehler nennte, wo es ihr mißfallen, daß Tyrsates auf diese Art gesehen, wie sehr und wie edel er sie liebe:

Arismenia antwortete: Weil die Welt ohne dem glaubte, daß er sie liebte, so wäre ihr angenehmer, wenn sie auf solche unschuldige Manier erführ, daß er sie edel liebe.

Selander küßte sie vor diese schöne Erklärung, und nachdem bat er sich die Erlaubnis aus, zu einem Cavalier auf das Land zu fahren; Mit der Versicherung, daß es ihm zwar nahe gehen würde, ihre allerliebste Gesellschaft auf ein acht Tage ungefehr zu entbehren; Allein da er es diesem guten Freund schon vielmahls abgeschlagen, und doch versprochen, ihn einmahl zu besuchen, nöhtige in der Wohlstand, sein Vergnügen selbigem nachzusetzen; Doch solte es wider dero Willen nicht geschehen.

Arismenia willigte gar gerne darein, indem es billig, seiner guten Freunde nicht gar zu vergessen; Und wünschte: Daß dieser Zeit-Vertreib auf dem Land ihm den Verdruß ersetzen möge, welchen sie ihm durch ihre Ausfahrten zuweilen auch wider Willen gemacht.|<157>

Der Verdruß meiner itzigen Ausfahrt, erwiederte Selander, wird einiger massen erleichtert werden, wenn Ma Chere mich selber bittet, diese Gesellschaft nicht auszuschlagen, damit mir zum wenigsten in der Unruh meiner kurtzen Entfernung einbilden möge, als ob ihnen ein Gefallen dadurch geschehen.

So bitte ich Sie denn darum, antwortete Arismenia, und versichere, daß mir dadurch in der That ein Gefallen geschieht, wenn Sie ihren guten Freunden meinetwegen nicht mißfallen.

Wenn ich meinen guten Freunden, versetzte Selander, und der liebsten Arismenien zugleich gefallen kan, ist es mir angenehm; Sonsten aber will lieber der gantzen Welt, als derjenigen zu wider seyn, ohne die mich die gantze Welt nicht kan glücklich und vergnügt machen.

Wenn ich aber, fuhr er nach einer kleinen Weile, in welcher sie sich mit Küssen unterredeten, fort, mit meinem Gemüht alle Augenblicke bey ihnen bin, so wird es ja so glücklich seyn, bey ihnen ein Hertz anzutreffen, das auch zuweilen an mich gedenckt?

Arismenia versicherte: Daß er darinnen|<158> besser angeschrieben stünde, als er vielleicht glaubte. Und nachdem nahmen sie verbündlichen Abschied voneinander.

Selander fuhr den andern Tag bey anbrechendem Morgen hinaus, und traf eine ziemlich starcke Gesellschaft, theils von Frauenzimmer und Manns-Personen an. Was recht Galantes gieng unter solcher nicht vor, aber wohl possierliche Sachen, darunter die erste, daß sich ein gewisser Magister, den ein anderer von Adel, als seinen Hof-Meister seiner Kinder mitgebracht, in eine Dame verliebte, die nicht häßlich von Person, und dabey von lustigem Humeur war.

Der gute Magister nahm sich die Künheit ihr seine Liebe mündlich, wie der Compagnie durch Minen, zu entdecken; Und nachdem die Dame manchen Spaß mit ihm gehabt, er aber dadurch so frey wurde, sie um eine Nacht-Visite zu ersuchen, stellte sie sich, als ob ihr dieses nicht unangenehm, also, daß sie nach langem Bitte überwunden schien, ihm solche zu versprechen, wenn es nur in Geheim zugehen könne.

Selander war vorhero mit ihr bekannt gewesen; Dahero überlegte sie mit ihm, wie man diesen unverschämten Schlucker bezahlen möchte.

Sie untersuchten die Gelegenheit, wo sie am besten ein Lager vor ihm bereiten konten; Und weil vor der Damen ihrem Schlaf-Zimmer noch eine Kammer mit einem Bett war, dessen sich ihr Mädgen bediente, überredete sie ihn, sich zu Mitternacht in|<159> solches zu verfügen, mit der Versicherung, Sie wolle auf ein gegebenes Zeichen vom Husten alsofort bey ihm seyn; Ihr Mädgen solte aber anderswo schlafen; Denn in ihrem Zimmer schicke es sich nicht, weil darneben eine andere Dame ruhete.

Der Herr Magister begab sich am ersten mit zu Bett, weil er vor Ungedult nicht länger in der andern Gesellschaft seyn konte; Und hierauf ließ ihm Selander den Schlaf-Rock heimlich wegstehlen, damit er in blossem Hemd auf seinem Sammel-Platz erscheinen müste. Er fragte auch wenig darnach, ob es gleich des Nachts schon ziemlich kalt zu werden anfieng, und wanderte dergestalt in aller Stille, und unter Bedeckung der Finsternüß nach dem bestimmten Ort.

Er fand das Nest leer; Und weil er theils aus Frost, theils aus Furcht zitterte, ob ihn auf solchen bösen Wegen nicht ein Gespenst erschrecken möchte, warf er sich geschwind in selbiges. Allein an statt, daß er husten solte, fieng er überlaut an zuschreyen, denn man hatte das Bett so wichtig mit Dornen durchgespicket, daß er an die Rosen der Wollust davor nicht gedencken konte.

In dem Augenblick kamen Selander und der von Adel, bey dem er Hofmeisterirte, mit dem Licht darzu, und besahen diesen Herrn, wie er in dem kurtzen Magister Hemd und mit blutigen Beinen in der Cammer herum tantzete.|<160>

Eben so bald öffnete auch diese Dame ihr Zimmer, und fragte gleichsam gantz erschrocken, was hier in so später Nacht vor ein Lärm wäre, dabey sie sich über dem Anblick unsers nackigten Herrn Magisters nicht wenig verwundernd stellte.

Da gieng es nun an ein Examiniren, was ihn zu so ungewöhnlicher Zeit und in blossem Hemd hieher getrieben: Wer war aber mehr in Aengsten, als der gute Herr Magister? Denn er wuste im geringsten nichts zu sagen, und durffte am wenigsten gestehen, daß ihn diese Dame so wohl betrogen.

Nachdem er nun hundert derbe Ausputzer von seinem Herrn bekommen, und die Dame Satisfaction begehrte, daß er ihr Mädgen, wie aus allem zu glauben verunehren wollen, schloß sie gleichsam erzürnt ihre Thür hinter sich zu, Selander und der von Adel aber verriegelten die andere, daß der verliebte Kautz darinnen bleiben, und weil das Bett-Tuch zugleich mit Pferde Staub wichtig ausgewürtzet war, sich diese Nacht fast zu Tode kratzen muste.

Den ander Morgen brachten ihm seine Untergebene den Schlaf-Peltz, und hohlten ihn in völliger Procession aller Cavaliers und Dames ab; Dabey Selander, um ihn wegen dieses Schimpffes zu consoliren, ihn unter die Märtyrer zehlte, weil er wie ein gewisser von den Heiligen, sich in Dornen herum weltzen müssen, um den Kitzel der Wollust zu vertreiben.|<161>

Wenn man in Unglück Gefehrten hat, soll es vor einen Elenden ein nicht geringer Trost seyn; Und vergaß man einigermassen die Raillerie über den Herrn Magister, nachdem dieser gantze Adliche Hof sich mit der Zeitung von einem Gespenst trug, und seine Gedancken also auf was anders zuwenden Ursach bekam.

Denn einige von den Bedienten, welche nach Mitternacht von ihren Herren gangen, waren durch ein grosses und ungeheuers Gespenst, so gantz weiß, und bald groß und klein, dermassen erschreckt worden, daß man wegen des entstandenen Geschreyes glaubte, es sey Feuer verhanden, und sich hernach niemand mehr bey später Zeit aus seiner Kammer wagen wollte.

Einige Tage giengen hin, da es bald dem bald jenem begegnet war, daß auch die Gäste deswegen sich zum Aufbruch wolten gefast machen. Hierüber ward aber der Herr dieses Land-Gutes so bestürtzt, daß weil er vormahls dergleichen nie gehört, er sich nun vornahm, des Nachts gantz allein aufzupassen, und zusehen ob es würcklich ein Gespenst, oder eine Phantasie der Leute.

An Hertzhaftigkeit mangelte es ihm nicht, daß er auch niemanden ein Wort davon sagte, sondern ohne Beystand in einer Ecke auf dem Saal, worüber das Gespenst marchiren solte, bis zum zwey Uhr des Nachts wartete.

Da sahe er nun das, was er nicht glauben wollen: Denn es kam ein überaus langes und schneeweisses Ding daher geschlichen, daß er es im geringsten nicht|<162> konte gehen hören, und verfügte sich, sonder ihm ein Leid anzuthun, in eine Kammer, die sich sonder Anrührung aufthat, als ob sie aufgeblasen worden.

Unserm Herrn von Adel stunden die Haare ein wenig zu Berge, denn er erkannte an allen Eigenschafften, die man sonst den Gespenster zulegt, daß es in der That was mehr als eine Einbildung der Menschen; Er wäre auch gern fortgegangen, wenn er nicht die Kammer vorbey gemust, in welche sich das Gespenst begeben; Dahero blieb er in grosser Furcht stehen, und besann sich auf allerhand Sachen, damit man, wie er ehmals gehört, die Gespenster vertreiben könne.

Es fiel ihm endlich ein, daß wenn man zu einem Gespenst sagte: Alle gute Geister loben GOtt den HErrn, so könne es einem nichts thun.

Sich darauf verlassend verzögerte er eine gantze Stunde, ehe das Gespenst in seiner gräßlichen Politur sich wieder sehen ließ; Und ob ihn gleich ein neuer Schauer überfiel, faßte er dennoch einen Muht, daß er mit einem Stock in der Hand auf solches zugieng. Das Gespenst machte sich abscheulich groß, da es ihn erblickte; Allein der von Adel, je näher er dem Gespenst kam, je weniger hielt er es vor eins, denn er sahe nichts als ein weisses Tuch vor sich; Und um zu wissen, was unter solchem verborgen, schlug er mit dem Stock nach ihm. Die Frömmigkeit dieses Gespenstes machte den von Adel immer behertzter, daß er Schlag vor Schlag auf solches that, bis er diesen unsaubern Geist, nicht durch Fasten und Beten, sondern mit einer derben Prügel-Suppe dergestalt aus-|<163>trieb, daß er Bett-Tuch und alles liegen ließ, und im blossen Hembde in einer recht menschlichen Gestalt und viel kleiner als zuvor ausfuhr.

O ho! sagte der von Adel, das muß einer von den guten Geistern seyn, weil er die Menschen lieb hat: Denn dieser Gast, wer er auch unter der Gestalt des Gespenstes war, kam aus der Kammer seiner Liebsten ihrer Zofen, worinnen er sich über eine Stunde verweilet.

Um daß nun dieses Mädgen nicht auch einen Spiritum Familiarem kriegen, und also das gantze Hauß voller Gespenster werden dörfte, nahm er das Bett-Tuch zu sich, um morgen Visitation zu halten; und nunmehro verwunderte er sich nicht mehr, wie das Gespenst so lang seyn können, denn er fand einen Stock, damit es das Bett-Tuch ohnfehlbar in die Höhe gehoben und sich alsobald grösser und kleiner gemacht.

In dem Augenblick aber, da er fortgehen wolte, entstund ein heftiges Geschrey, welchem der von Adel nachlief, und die Kammer eines Fräuleins, so von den Fremden nebst ihrem Mädgen hierinnen schlief, offen, und sie in tausend Aengsten fand. Denn da klagte man abermahl über das Gespenst, welches nun so verzweifelt kühne geworden, daß es dem Fräulein das Bett-Tuch unter dem Leibe, und sie damit auf die Erde gerissen, worauf es mit dem Bett-Tuch fort gelauffen.

Der von Adel tröstete dieses Fräulein und versicherte, daß es kein wahrhaftes Gespenste, sondern weil es von ihm so und so tractirt, und ihm sein Tuch|<164> genommen worden, habe es sich ohnfehlbar ein anders stehlen wollen, damit der Mangel desselben im Bette nicht verrahten möge, wer es gewesen.

Dergestalt bracht er das Fräulein wieder in Ruh, daß sie gern sonder Bett-Tuch liegen blieb, nachdem sie sich nichts weiter von diesem Polter-Geist zu befürchten; Er aber gab des Morgens seiner Liebsten Ordre, die Betten durch zu suchen, um zu sehen, ob ein jedes sein rechtes habe; Und da ward befunden, daß dieser verliebte Nacht-Geist der Herr Informator im Hause gewesen.

Der von Adel vertraute es seinem wehrten Freund Selandern und dem andern von Adel, dessen Hof-Meister gleichfalls eine so schöne Wallfahrt halten wollen; Und weil sich diese beyde Herren so wohl legitimirt, nahm man sich vor, sie auf eine gute Manier nachdrücklich zu beschimpffen.

In dem Speiß-Gemach bauete man oben an der Tafel von dem Bett-Tuch ein Gerüste, das einem Baldachin nicht unähnlich sah; Hierauf fiengen sie in einem andern Zimmer, sonder dem Informator ein Wort zu sagen, daß man dieses Nacht-Gespenst kenne, ein Spiel an, wer König seyn würde: Denn man wolte, wie sie vorgaben, diesen Tag eine Hof-Stadt bei der Tafel formiren, und es möge auch treffen, wen es wolle, der solle von den andern bedienet werden. Weil nun auch die Zofe mit spielen|<165> muste, traff den Herrn Informator und selbige das Looß, daß selbige als zwey Königliche Personen unter der neuen Art von einem Thron-Himmel, der andere Herr Hof-Meister aber bey der Dame, als seiner im Spiel gewordenen Gemahlin, sitzen muste, welcher er zuvor dieses Glück in der Nacht gönnen wollen.

Diese beyde Paare hatte man oben zusammen gefügt, und zu einem grössern Splendeur der Königlichen Hoheit, dem Herrn Informator den Stock, statt des Zepters in die Hand gegeben, dessen er sich die Nacht unter der Gestalt eines Gespenstes bedienet.

In der grösten Ernsthaftigkeit schraubte man sie beyde auf die empfindlichste Art, und ob sie gleich wusten, daß man sie mit aller dieser Veranstaltung wegen ihrer begangenen Thorheiten durchzog, musten sie sie dennoch stellen, als verstünden sie es nicht.

Immittelst war Selander bey aller dieser Kurtzweil zu friedener, wenn er seinen Gedancken zu weilen allein Audientz geben konte, und die Hochachtung, nach welcher ihn auch das Frauenzimmer allezeit gern um sich leiden möchte, kam ihm vor diesmahl theuer zustehen, denn sie liessen ihn innerhalb dreyen Tagen kaum so viel Zeit, einen Brief an Arismenien zuschreiben.

Dieses war durchaus lustig, weil, wenn er ein paar Zeilen aufgesetzet, man ihn wieder zu der Gesellschaft holte, daß er also mehr seine schertzhafte Einfälle über die possierlichen Streiche, die unter den andern auch vorgiengen, als die Zärtlichkeit seiner Liebe gegen sie ausdrückte.|<166>

Man vertrieb sich allemahl nach der Tafel die Zeit mit einem Spiel, darinnen viel von Küssen vorkam; Und wenn denn Selandern das Glück im Lossen, oder der Appetit des Frauenzimmers mehr als andere mit dieser Affection regalirte, gab es bey manchem Cavalier eyfersüchtige Augen, so gar, daß es auch Verdrüßlichkeiten setzte.

Denn ein Obrist-Lieutenant hatte sich in ein Fräulein verliebt, die hergegen an Selandern was gefälliges angetroffen. Weil er nun von der Italiänischen Luft auch die Heftigkeit der Jalousie mochte bekommen haben, da er sonsten ein Frantzose von Geburt, gieng er mit seinem Verdacht so weit, daß er bey Nacht-Zeit Schildwacht stund, ob auch Selander dem Fräulein im geheim zusprechen würde.

Das Unglück muste es fügen, daß ihm ein anderer im Schlaff-Rock begegnete, den er vor Selandern hielte, und welcher nach einem geheimen Verständniß mit der Damen dieses Schlosses eine Visite nahe bey dem Zimmer gedachten Fräuleins ablegen wolte, als wohin ihn seine Maitresse bestellt.

Er wartete demnach bis auf dessen Zurückkunft, und fiel ihn, sonder ein Wort zu reden, mit dem Degen in der Faust an: Der andere, welcher kein Gewehr bey sich hatte, und sich einbildete, es sey der Herr des Schlosses, retirirte sich in die nechste, nehmlich in Selanders Kammer, daß also dieser eyfersüchtige Amant, um voritzo keinen weitern Lärm zu machen,|<167> den Morgen darauf Selandern noch im Bette dieses Billet zu sendete:



Monsieur.

Wofern Ihr euren Feinden, unter welchen die Neben-Buhler die grösten seyn, mit so guter Resolution könnet entgegen, als verliebt in die Kammern solcher Fräuleins gehen, von welchen meine ältere Bekandschafft euch billig abhalten solte: So werdet Ihr nicht abschlagen, sonder Beystand und ohne jemanden ein Wort davon zu sagen, an dem kleinen Gehöltze sonder Verlust der Zeit zu erscheinen; Und alsdenn wird sehen, ob Ihr vor einen braven Cavallier so wohl als einen Amanten bestehen könnet,

Eurer

schon
    wartender

Feind.



Selander verwunderte sich zum höchsten über die Ausfoderung von einem Cavalier, dessen Nahmen er noch nicht einmahl wuste, weil seyn eigener Diener dieses Duell überbracht; noch mehr aber einer|<168> Sachen wegen, daran er so wenig schuldig, als daß er den grossen Mogul diese Nacht zum Hahnrey solte gemacht haben.

Er erhub sich demnach alsofort von seinem Lager, und ritte sonder jemandes Gewahrwerdung und allein mit seinem Diener wohl bewaffnet hinaus, um seinen Feind kennen zu lernen, und selbigem entweder die ungleichen Gedancken, oder unanständige Meinung zu benehmen, daß er mit dem grossen Gewehr nicht so gut, als mit dem Kurtzen fechten könne.

Er befremdete sich, da er den Obrist-Lieutenant vor dem genannten kleinen Gehöltze halten sahe, dahero bot er ihn bey der Näherung einen guten Morgen und fragte: Ob er ihn aus Schertz an diesen Ort bestimmt, oder ob er in der That glauben solte, daß er ihm die Gunst einer Dame dergestalt abzustreiten suchte, um die er sich niemahls bemüht.

Ich habe mich zu einen andern Disput als mit blossen Worten, resolvirt, antwortete der Obrist-Lieutenant, und wenn ihr diese Nacht noch so viel Kräffte von dem bewusten Fräulein übrig behalten, euch wegen des mir gethanen Unrechts zu beschützen, werden ihr mir solches den Augenblick zeigen müssen, und stelle ich euch aus Höfligkeit noch die Wahl der Waffen frey.

Ihr seyd in einer ungegründeten Mei-|<169>nung von mir, versetzte Selander, sintemahl ich das Fräulein, wie mich, vorzu honnet halte, als solche mir vorgeworffene Ausschweifungen zu begehen: Vielweniger weiß ich, daß ihr eine Foderung an dies Fräulein habt, und durch meine höfliche Bedienung euch Eintrag geschehen. Habt ihr aber Lust, mich kennen zu lernen, so dürfft ihr so unbillige Beschuldigungen nicht zum Deck-Mantel brauchen, sondern frey sprechen, ich bin dem Augenblick parat.

Nichtswürdiges Frauenzimmer, hub der andere erzürnt an, mag sich durch eure gute Worte zur Barmhertzigkeit bewegen lassen, bey einem braven Cavalier aber wird was mehr erfodert; Und noch steht euch die Wahl der Waffen frey, oder ich wehle sie selber.

Selander sahe, daß sich der Obrist-Lieutenant in der Güte gar nicht wolte bedeuten lassen, sondern ihn mit Gewalt vor denjenigen hielte, welcher des Nachts zu den Fräulein solte geschlichen seyn; Demnach zog er von Leder, weil er sich um einen blossen Verdacht herum zu schiessen nicht von dem Wehrt achtete, und versetzte seinem erbitterten Gegentheil eine Wunde in den Hals und die andere in den Arm, dabey er aber auch an der rechten Hand leicht blessiret ward.|<170>

Der Obrist-Lieutenant war nichts destoweniger so ergrimmt, daß er mit der lincken Hand nach den Pistohlen griff; Allein sie wurden von einem Cavalier geschieden, der in ihrer Compagnie auf dem Schlosse mit gewesen, und weil er dieses Gefecht gesehen, Sporenstreichs hinzu rennete, um die Ursache zu vernehmen.

Er fragte demnach aus Verwunderung, warum sich ein paar Cavalier miteinander allhier schlügen, die gestern so gute Freunde gewesen? Und Selander trug keine Bedencken ihm die gantze Sache und des andern seinen irrigen Verdacht zu erzehlen.

Er stutzte hierüber nicht wenig, und fragte den Obrist-Lieutenant: Ob er derjenige gewesen, welcher ihn die vorige Nacht attaquirt? Wie? antwortete dieser, haben Sie, und nicht Mons. Selander mir bey dem Fräulein Eintrag gethan? So ist mir leid, daß nicht in dem Stande, Revange zu nehmen; Doch behalte mir solche bis nach meiner Genesung vor.

Weder ich noch Mons. Selander, gab dieser hierauf, sind bey einem Fräulein gewesen, wie ihr muhtmasset, sondern meine so späte Visite hat eine Dame angenommen, an die von ihnen beyden niemand eine Prętension zu machen? Weil mich aber wegen des unvermuhteten Uberfalls in Mons. Selanders als das näheste Zimmer retirirte, und son-|<171>der von ihm gehört zu werden, auch wieder heraus gangen, so ist bey ihnen ein irriger Verdacht daraus entstanden.

Selander bekam hierdurch einiger massen Licht von des Obrist-Lieutenants seinem Argwohn; Dieser aber wurde beschämt, daß ihn die Eyfersucht so sehr geblendet, und er sich so weit solte vergangen haben; Und da hernach der andere, nachdem man ihm alle Verschwiegenheit zugeschworen, aufrichtig bekennete, wie er der Dame auf diesem Schlosse des Nachts zugesprochen, und in Meinung, der Mann habe ihn attrapirt, zu Vermeidung ferner Ungelegenheit anitzo sonder Abschied fort reiten wollen: So bat der Obrist-Lieutenant bey Selandern um Vergebung, und muste wegen seiner empfangenen Wunden sich trösten, daß er solcherGestalt Ruhe in seinem Hertzen bekommen, und ihm die Hefftigkeit seiner Jalousie benommen worden.

Man versprach hierauf einander ewige und aufrichtige Freundschaft, und begab sich in ein ohnweit gelegenes Hauß eines Gärtners, wo sich der Obrist-Lieutenant von seinem Diener, der ein Balbier, verbinden ließ; Denn mit Selandern seiner Wunde an der Hand hatte es nichts zu bedeuten, daß er auch bey der Ankunft auf dem Schlosse einen Brief an Sie zu schreiben vermögend war; Und schien ihm nicht so wohl dieses, als die Gelegenheit zu hindern, da ihm die andern vornehmlich das Frauenzimmer keinen Augenblick allein zu seyn verstatten wollen.|<172>

Wir wollen die Entschuldigungen nicht anführen, welche unsere drey Cavaliers wegen ihrer entstandenen Streitigkeit bey dem Adel des Schlosses und der übrigen Compagnie gemacht, denn hier suchte man so gute Ausflüchte hervor, als es möglich: Sondern erwehnen allein, wie Selander sich dann und wann entfernte, um seine Gedancken an die schöne Arismenia aufzusetzen; Und solches geschah, wenn ja keine andere Gelegenheit vorhanden, des Morgens früh annoch im Bette: Denn wenn das Frauenzimmer nur merckte, daß er aufgestanden, so hohlten sie ihn schon und zu weilen im Schlaf-Rock zu der übrigen Gesellschaft; Ja sie waren so frey, daß sie ihn ein paar mahl aus den Federn jagten.

Dessen ungeacht, und mitten unter den grösten Lustbarkeiten, waren seine Regungen gegen Arismenien die allerzärtlichsten; Und wer nicht gewust, was eine edle Liebe in einem edlen Hertzen vor schöne Empfindungen könne verursachen, wird es aus diesem Brief satsam ersehen, worinnen mehr das Hertz als die Kunst, oder die Geschicklichkeit durch die Liebe gearbeitet.



Madame.

Tausendmahl bitte um Vergebung, daß an Dieselben einen lustigen Brief geschrieben; Denn Sie werden mein Gemüht nach meiner Schreib-Art geurtheilt und ge-|<173>glaubt haben, daß mir Dero Entfernung nicht Marter genug verursache, und ich Sie nicht so zärtlich lieben müsse. Aber ich sterbe fast vor Verdruß, daß ich es gethan, und daß, indem die hiesige Compagnie mich in den getreuesten Gedancken von ihnen stöhren wollen, ich mehr über sie geschertzet, als die Heftigkeit meiner Neigung entworffen. Kein Verbrechen kan mit einer grössern Reue gebüßt werden, als mir meine Liebe die drey Tage darnach deswegen empfinden lassen; Und wo es Madamen zu einem Mitleiden bewegen könte, wolte betheuren, daß alles anwesende Frauenzimmer mit einem solchen Abscheu, wie mich selber angesehen, weil es mich zu diesem Fehler verleitet. In meiner Abwesenheit, ich sage, in meinem Unglück, wäre ich glückseelig, wenn meine Augen die annehmlichste Dame von der Welt allhier angetroffen; Es würde, wo ein unvollkommenes, doch ein so gutes Portrait von meinem geliebten Original gewesen seyn, als es die Geschicktesten Mahler entwerfen können. Durch dieses hätte mir zum wenigsten die Helfte vor der Anmuht meiner Englischen Arismenia allezeit vorstellen und mich nicht mit Gesichtern plagen dürfen, die|<174> den angenehmen Schatten, der mir von ihnen vor den Augen schwebet, durch ihre Unannehmlichkeit immer zu vertreiben suchen. Ja ich hätte Madamen allein adorirt, und mich über andere moquiren können, und Sie würden die innersten Regungen meines Hertzen im ersten wie in diesem Brief gelesen haben. Aber wer ist Schuld, Madame, daß ich vor die liebste in verdrießlicher Gesellschaft leben muß, und was hat mich von Ihnen, ich meine von mir selber getrennet? Ich Unglückseeliger! Mein Verstehen war es, daß bey Ihnen von einer Abreise erwehnte; Ich hätte es abschlagen sollen, sonder ein Wort bey Ihnen davon zu reden: Denn was hatte ich nöhtig, andern Leuten zu gefallen und gegen meine Marter selber unempfindlich zu seyn? Ja, ich armer bin Schuld, und Sie nicht, allerliebste Arismenia, denn ob ich gleich bezeigte, daß ihre Erlaubniß eine Grausamkeit vor mich sey, so wäre doch Ihre Generosité zu groß gewesen, mich von freyen Stücken von Venedig zu verbannen. Madame, die Welt hat vielleicht noch nicht erlebet, daß jemand, der so sehr als ich liebet, an der Abwesenheit seiner Schönen selber Ursach? Und weiß wohl|<175> schwerlich zu begreifen, mit was vor einem Titul ich deswegen zu belegen? Allein ich schwere, daß sie auch weder die Marter erleben noch begreifen soll, mit welcher sich meine Seele foltert, und dieses wider mich selbst begangene Verbrechen büsset. Ich seufze, da mit andern auf eine verhaßte Art lachen muß, und dieser unaussprechlichen Zwang raubt mir fast das Leben. Man lässet mich keinen Augenblick allein, um mein Hertz von der Qvaal nur etwas zu erleuchtern, und Stunden von jemanden zu opfern, dessen Jahre Ihnen allein gewidmet. Ach Madame! auch die Träume sind beschäftiget, mich zu kräncken? Ich stehle mich weg, daß nach meinem Bette komme, um meinen Gedancken Audientz zu geben, und da schreibe ich, wie Sie sehen, so schlecht. Unter unendlichen Seufzern, unter tausend verwirten Betrachtungen, ob meine Liebe ewig glückseelig bleiben werde, und unter unzehlbarer Verehrung meiner unvergleichlichen Arismenia schlaf ich ein. Umarme ich meine Arismenia nun, als vormahls gegenwärtig und in der schönsten Gutheit vor mich, so werde ich halb rasend, wenn ich frühe das Küssen nur ümfast! Und stellet Sie denn ein Traum|<176> mir abwesend vor, wie es in der That ist, so habe des Morgens, wann mich die übrigen aus der langen Ruhe, wie sie sagen, wecken wollen, genug zu thun, die in meinen Augen stehende Thränen vor eine Würckung des Schnuppens auszulegen; Weil man vor eine Thorheit halten möchte, was bey einer so edlen Liebe die gröste Tugend. Madame, mein Schmertzen würde endlich öffentlich ausbrechen, wann mich nicht Dero letzte gütigste Versicherung tröstete: Denn bey meinem Abschied bat ich sie, mich in geneigtesten Andencken zu behalten, und Sie hatten so viel Mitleiden, mich zu versichern, daß darinnen besser angeschrieben stünde, als ich vielleicht glaubte. Liebens-würdigste Arismenia, dieses eintzige erhält mich, und macht, daß ich sonder die andere Compagnie und sonder Abschied nicht den Augenblick fortlauffe. Wie Sinnreich bin ich aber nicht zu meiner Qvaal? In dem Moment erinnere mich, daß Sie beym Adjeu kein Andencken von mir ausgebeten. Es ist nicht nöhtig, ich gestehe es, weil Sie wissen, daß ich Sie mehr liebe, als mich selber, und noch mehr anbete, als wie ich liebe. Aber wodurch hätten Sie mich auf der Welt schöner ver-|<177>sichern wollen, daß ein schätzbares Andencken von Ihnen zu hoffen, als wenn Sie verlanget, in eines zwar armseeligen, doch getreuen Gunst gleichfalls zu stehen? Ich sehne mich nach nichts mehr, als vor ihren schönen Füssen zu liegen, und entweder mit meinen Bitten oder meiner Umarmung dero Hertz zu erweichen, mich um etwas zu ersuchen, so Sie mehr als ich selber in Gewalt haben. Ja ich sehne mich, aus Liebe und aus Unruhe meines Gewissens. Ach Madame! Wie gerne habe ein Verbrechen verschweigen wollen, daß Sie von meiner Tendresse nicht glauben werden? Aber es martert mich zu tode, wo mein Hertz nicht davon erleichtere und bekenne, daß ich verreiset, um in anderer Frauenzimmers Compagnie die Heftigkeit meiner Passion gegen Sie zu mindern. So unverantwortlich ist meine Intention gewesen, und so unwürdig bin ich Ihrer Gutheit. Wollen Sie mich deswegen straffen? Sie haben es schon allzusehr gethan, denn je mehr ich Frauenzimmer sehe, je mehr Siege erhält dero Anmuht über Sie und über mein Hertz? Werde ich nun bey meiner Wiederkunft nicht die Glückseeligkeit erhalten, Sie allein und ewig zu sehen, so will einen Ort in der Welt|<178> suchen, wo von allen Menschen entfernt lebe, oder nur lauter Unglückseelige hinkommen. Adjeu, Madame dergleichen Gedancken setzen mich in einen Stand, wo meine Zärtlichkeit wieder auslöschen wil, was ich geschrieben. Adjeu.

Madame

     Dero
Gehorsamster und getreuester

Selander.



Diesen, wie auch den vorigen Brief sendete er an den Tyrsates, um solchen an Arismenien zu bestellen; Und da er noch ein paar Tage sich auf dem Lande verweilen müssen, brach er endlich mit der andern Gesellschaft nach Venedig wieder auf, und stattete auch so gleich Visite bey Arismenien ab.

Sie empfieng ihn mit der angenehmsten Freundlichkeit, und erkundigte sich des Zeit-Vertreibs, welchen er wie sie glaubte, ohnfehlbar nach seinem Wunsche würde genossen haben.

Er versicherte das Gegentheil, und bat, wo sie ihm keinen völligen Glauben beymessen wolte, den letzten an Sie geschrieben Brief zu fragen, und nur so viel|<179> zu seinen Vergnügen zu glauben, daß er aus aufrichtigem Hertzen geschrieben.

Arismenia schiene darbey zweifelhaftig, weil Sie von seinem gehabten Duell wegen eines Fräuleins bereits Nachricht erhalten, daß also Selander genug zu thun, ihre alle ungleiche Gedancken zu benehmen.

Immittelst verwunderte er sich zum höchsten, wo sie dieses schon erfahren, und bat sehr, ihm zu entdecken, mit wem sie so vertraute Corresponedence von dem Adelichen Schloß gehabt. Allein seine Bemühung war vergebens, und Sie wolte ihn überreden, es habe ihr nur davon geträumet, und würde Sie nunmehro mehr als jemahls auf die Träume was halten, da es so wohl eingetroffen.

Selander muste sich damit befriedigen lassen, ob er gleich in seinem Hertzen was anders urtheilte; Allein was ihm noch mehr seltene Gedancken erweckte, war, daß sich Arismenia zwar sehr gefällig in ihrem Wesen, aber dabey so retirée aufführte, daß sie ihm keinen Kuß weiter verstatten wolte, und zu ihrer Entschuldigung vorwendete: Sie wolle aus der vorigen Liebe eine edle Freundschaft machen, weil sie glaubte, daß diese eher als jene beständig zu unterhalten.

Wenn man glaubt, daß Selander aufrichtig geliebet, so wird man auch von sich selber urtheilen können, daß diese fremde Aufführung ihm nicht wenig|<180> nahe gegangen. Gleichwohl war es nicht zu ändern, und alle sein Bitten diente zu nichts, als ihm dieses, wiewohl mit der artigsten Manier, noch etliche mahl zu sagen, was er zuvor von ihr gehöret.

Er gieng unruhig von Ihr, und da er des andern Tages in ihrem Hause wieder einsprach, muste er sich mit der Entschuldigung befriedigen: Sie sey nicht zu Hause.

Selander wuste das Gegentheil allzu wohl, indem er Sie so gar auf ihrem Zimmer reden gehört; Dahero sann er allen diesen Sachen weiter nach, und hielt davor: Sie müsse ohnfehlbar einen andern Cavalier angetroffen haben, welcher Sie mehr, als er Sie vergnügen könte, weswegen Sie ihn auf diese Art loß zu werden gedächte.

Ist dem also, fieng er zu sich selber an, so liebe ich Sie zwar, aber nicht so, mich dabey zu hassen; Und ich werde die Grösse und die Aufrichtigkeit meiner Liebe nicht besser zu erkennen zu geben wissen, als wenn ich mein Vergnügen dem ihrigen nachsetze. Du darfst es nur sagen, wehrte Arismenia, fuhr er fort, hat mir der Himmel ein Hertz gegeben, von deiner Annehmlichkeit gerühret zu werden, so hat er mir auch so viel Großmuht dabey verliehen, dasjenige zu ertragen, was ihm|<181> nicht gefällt. Wehle nur einen andern, es wird mich zwar kräncken, allein mein Gemüht ist nicht vermögend, was anders als den Schluß des Himmels zu seinen beständigen Vergnügen zu wehlen.

In solchen Gedancken kam er zu Tyrsates und danckte ihm wegen richtiger Bestellung der Briefe an Arismenien. Tyrsates ümarmte ihn, und sagte: Wenn ich ihnen mein liebster Freund nur so ein Vergnügen dadurch erwiesen, als ich wünschte, so würde es mein eigen Ergetzen seyn; Allein ich fürchte, ihr Glück in der Liebe dürfte an dem Ort vor sie nicht beständig blühen, und was mich überaus kräncket, ist, daß ich ihnen dieses sagen muß. Die Gesetze der Freundschaft erfodern das von mir, was andere würden verschwiegen haben, und sie werden es so wohlmeinend aufnehmen, als mir von einem Gemüht versprechen kan, welches so edel als das Ihrige zu erkennen das Glück gehabt.

Sie sagen mir nur liebster Tyrsates, antwortete Selander, was ihre Aufrichtigkeit und die wahre Beschaffenheit der Sache in diesem Stücke haben will: Mein Gemüht|<182> habe bereits zu allen gefast gemacht, und aus der Aufführung Arismeniens seit meiner Wiederkunft schon geurtheilet, was sie widriges in meiner Liebe werde sagen können.

Hat ihnen denn, fragte Tyrsates, Arismenia die ewige Treue versprochen, und sind sie mit ihr bis auf eine Vermählung verbunden? Mein wehrtester Tyrsates, gab Selander hierauf, mein Wunsch ist zwar allezeit so weit gegangen; Aber nachdem ich mehr aus ihrem Wesen als Reden wahrgenommen, daß Sie mir so viel nicht sagen wolle oder könne, so habe auf keine Sache weiter dringen wollen, die ich allezeit geglaubt, daß man sie mit vollkommenem und freyem Hertzen verschencken müsse.

So seyn sie denn in einem Stücke noch glücklich, antwortete Tyrsates; Und als ein vertrauter Freund bey ihnen zu handeln, so hat sich Arismenia mit ihnen in keine Vermählung einlassen können, nachdem sie mit einem gewissen Obristen vor langer Zeit ein Bündniß eingegangen, ein ander auch in dem ledigen Stande lebenslang zu lieben. Dieser wird nun in kurtzer Zeit aus dem Felde und in Venedig kommen, und der Obrist-Lieutenant, welcher mit ihnen auf dem Land die|<183> Händel gehabt, hat, wie er mir gestern selber gestanden, schon ein paar Tage vor ihrer Wiederkunft Briefe von demselben an Sie abgeschickt. Aus diesem allen urtheilen sie nun, ob sie jemahls in dieser Liebe werden glücklich seyn? Ich kenne ihr Gemüht, das überaus edel zu lieben geschickt, aber allein unvermögend ist, den geringsten Eintrag zu leiden. In einer erfolgten Heyraht würden sie bey allem ihren Ergetzen tausenderley verdrießliches Nachsinnen haben, ob Arismenia den Obristen nicht mehr geliebet, als man ausser der Ehe thun solle, denn man kann alles vergessen, ausser allein diejenige Beleidigung nicht, die nimmermehr kan ersetzt werden. Sie haben einen edlen Ehrgeitz und würden ihr Leben nicht vor den Schimpf achten, wenn einer sich von derjenigen was wider die Ehre rühmen könte, mit der sie alle ihre Ehre lebenslang theilen wollen. Ja da Arismenia bey der blossen Nachricht, der Obriste werde nunmehro wiederkommen, ihnen die vorige Gunst nicht mehr verstatten will, was werden sie nicht zu gewarten haben, wenn er gegenwärtig? Mehr will anitzo nicht sagen, beschloß Tyrsates seine Raisonnements, denn was zu ihrer Ruh und Be-|<184>freyung von solchen Banden dienet, werden sie schon bey sich haben.

Selander blieb eine gute Weile nachsinnend über Anhörung so nie vermuhteter Sachen; Und weil Tyrsates glaubte, es würde seinem Hertzen schwer fallen, einen Schluß zu ewiger Vermeidung einer Person zu fassen, die er eine ziemliche Zeit so zärtlich geliebet, betrübte es ihn, und wolte ihn durch ein und andere Gründe zu frieden stellen.

Allein Selander antwortete: Sie bemühen sich nicht, mein wehrter Tyrsates, mir mehr Gründe beyzubringen: Ich kenne mein Verhängniß im Lieben, und wie es allezeit grausam gegen mich gewesen ist; Und was ich ihnen itzo nicht sagen kan, soll ihnen die Verfliessung etlicher Tage offenbahren.

Selander küßte hierauf Tyrsates, und nachdem sie eine Zeitlang von andern Materien gesprochen, gieng er in Assemble, wo er Arismenien anzutreffen vermeinte.

Er fand sie auch daselbst, und führte sich gantz gefällig gegen Sie auf, dabey er sich nicht das geringste mercken ließ, was er von Tyrsates erfahren; Bey dem Abschied aber, bat er sich die Erlaubnis aus, Sie nach Hause zu begleiten, und erhielte solches sonder Weigerung.

Daselbst beklagte er sich nun nochmahls über die Aenderung ihrer vorigen vollkommenen Gunst gegen ihm, und bat, ob es ihr denn nicht möglich, ihm die Ursach davon zu eröffnen?|<185>

Sie antwortete, daß sie keine andere wüste, als weil sie aus gewissen Umständen, die sie ihm nicht sagen könne, eine Liebe zwischen ihnen in einem andern Stand nicht vor glücklich oder möglich schätzte, ob sie es gleich wünschte: Darum solte er sich befriedigen lassen, daß sie ihm eine ewige und treue Freundschaft hiermit verspräche, und solche lebenslang zu halten wolle verbunden seyn.

Selander nahm dieses Anerbieten mit verpflichtester Dancksagung an, und versicherte im Gegentheil, daß er eher ersterben, als die Gutheit vergessen würde, die er von einer so liebens-würdigen Person genossen, und solte ihm hinführo sein Vergnügen seyn, ihr in dem Character der Freundschaft durch alle ersinnliche Dienste die Ergebenheit zu zeigen, welche er ihr, wenn es dem Himmel gefallen, durch die honneteste Liebe weisen wollen.

Damit Sie aber wissen möge, daß ihm die Ursache ihrer Weigerung zu einem genauen Bündnis mit ihm nicht unbekandt, so eröffnete er ihr von dem Obristen, was er von Tyrsates erfahren.

Sie gestund es, in dem sie es nicht läugnete, doch wolte sie auch nicht sagen, daß es eine Liebe, weil sie sonder Verletzung ihrer Tugend das keine Liebe|<186> nennen konte, die niemahls auf eine tugendhafte Manier vollzogen würde, und gab dem längst gehabten vertrauten Verständnis mit ihm den Nahmen einer Freundschaft.

Selander wendete nichts darwider ein, und begnügte sich bloß damit, ihr ein edles Gemüht sehen zu lassen, indem er sie mit der höflichsten und verbindlichsten Art bediente, und auch so Abschied von ihr nahm.

Ein paar Tage giengen hin, da er sie zwar sprechen wollen, aber würcklich nicht zu Hause angetroffen, indem sie ohngefehr zu welchen guten Freundinnen gefahren; Als er dahero alle Anstalt zu einer Abreise aus Venedig gemacht, und ohne dem glaubte, daß ihm ein mündliches und ewiges Adjeu von ihr schwer fallen, und bey Erblickung ihrer Zärtlichkeit ihn inskünftige nur mehr beunruhigen dürfte, nahm er schriftlichen Abschied und schickte ihr folgenden Brief zu:



Madame.

WIewohl mir das Glück gewünschet, mich noch Zeit meines Hierseyns an Ihrer angenehmen Conversation zu vergnügen, so habe doch etliche mahl meine Aufwartung vergebens zu machen gesucht. Da nun die Zeit da, in welcher mir mein Verhängnis zu reisen befiehlet; So nehme hier-|<187>mit von Madamen verpflichtesten Abschied. Dero mir noch neulich versprochene ewige Freundschaft macht mich glauben, wie mir auf mein gehorsamstes Bitten eine Visite würde erlaubt gewesen seyn, um mein Adjeu mündlich zu sagen; Allein ich will mich einer sonst vor mich so schätzbaren Sache selbst berauben, um Madamen der Mühe zu überheben, eine Compassion mit mir zu haben, wenn sie sehen, daß es mir schwer ankäme. Ja, da ich reisen muß, so will mir Venedig nicht dem letzten Augenblick noch unentbehrlich machen, welches geschehen dürfte, wenn von Madamen gehen wolte. Ich sage demnach verbundensten Danck vor alle Gutheit, die so vollkommen und auch so unverdient genossen, daß solche lieber mit stillschweigendem Hertzen ehren, als in unzulänglichen Worten rühmen will, und versichre, wie das Gedächtnis davon niemahls bey mir ersterben wird: Wäre ich in so glücklichem Stande, meine Erkenntlichkeit in der That sehen zu lassen, wie es die Kost-|<188>barkeit Dero Affection erfodert, so würde dieses noch einiger massen zur Satisfaction meines ihnen gantz ergebenen Gemühts dienen; So aber bleibe ein ewiger Schuldner, und, weil es bey einer großmühtigen Person ist, kräncket mich mein Unvermögen nicht so sehr. Ich bitte den Himmel, daß wenn mir die Abwesenheit so unerträglich fallen wird, als mir vorstelle, mir nur die Zufriedenheit darinnen zu schencken, und es der Madame Arismenien wohl gehen zu lassen. Um ein geneigtes Andencken vor mich will ich nicht anhalten, denn mich deucht, daß wenn mich solches Madamen Gütigkeit versicherte, es zu gefährlich vor mich seyn, und daß mir anderwerts nicht sonder eusserstem Zwang würde flattiren können, wie sich ein solches Frauenzimmer, als Madame, eines unterthänigen Dieners wohl erinnere. Aber eine Bitte werden mir Madame nicht versagen, ob mich gleich schäme, solche vorzubringen; Wenn sie aber meinen Zustand erwegen, so hoffe nicht, daß Sie dar-|<189>über zürnen werden. Was ist Ihnen mit den Briefen und Versen eines Unglückseeligen gedient? Sie haben tausend Gelegenheiten, Ihrem schönen Geist mit etwas besseres und angenehmers zu divertiren, als was von mir kommen; Und ich würde entfernet mich nur martern, wenn ich dran gedächte, daß sie dergleichen von mir läsen. Ich könte noch viel sagen, wenn nicht Madamen durch eine so starcke Meinung beleidigte, als sey Ihnen an solchen Kleinigkeiten was gelegen; Oder, als ob ich Dero edles Gemüht nicht kennte, das mehr zu eines andern Ruhe, als jemanden zu kräncken geschickt ist. Nur dieses muß als eine Schwachheit von mir erwehnen, daß sonder meinen geschriebenen Sachen anderwerts tausendmahl unruhiger leben würde. Adjeu denn, Madame, ich versichere nochmahls alle Honneteté, und eine solche Aufrichtigkeit, wie Sie von einem Diener glauben können, den Sie, wie mich, gekandt. Ich wünsche alle Glückseeligkeit, und eine Vergnügung des|<190> Gemühts, die das Meinige würde empfunden haben, wenn ich Madamen nicht gesehen; Und ersterbe unter der Ehre eines respectuösen Freundes

Madame.

Dero
Verpflichtester und gehor-
    samster

Selander von Amalienburg.



Ob Arismenia durch sothanen unvermuhteten Entschluß nicht gerührt worden, ist gar nicht zu zweifeln: Sie ließ ihm zur Antwort sagen, daß sie ihm mit allem dienen wolte, was er verlangte, wenn sie das Glück würde haben, ihn bey sich zu sehen.

Selandern wären zwar seine Briefe höchst lieb gewesen; Allein sie selber abzuholen schien vor sein Gemüht zu gefährlich zu seyn; Dahero entschuldigte er sich nochmahls zum verpflichtesten, und schrieb: Daß wenn er sich bey der neulichen Visite einbilden sollen, wie es die allerletzte, er nicht in dem Stande würde gewesen seyn, von ihr|<191> zu gehen, Anbey ersuchte er sie um seine Briefe, jedoch mit einem Hertzen, womit man Personen bitten könne, deren Befehle man ehren müsse, wenn sie auch zu unserm Mißvergnügen ausschlügen.

An statt der Briefe erfolgte von Arismenien ein inständiges Ersuchen, vor seiner Abreise doch noch einmahl zu ihr zu kommen. Selander danckte wegen so gütiger Erlaubnis; Machte aber alle seine Sachen fertig, und da er unter einer Anzahl guter Freunde bereits auf dem Schiffe stund, um abzuseegeln, schickte er ihr folgendes Billet zu:



Madame.

WEil auch bey dem letzten Augenblick in Venedig an nichts anders als an Sie gedencken können, so habe die Ihnen gewidmete vollkommene Ergebenheit lieber beobachten, als mich geruhiger wissen, und dieses schriftliche Bekäntnis zu meinen andern Briefen legen wollen. Dieses Gedächtnis von einer Person, welche mir auf der Welt am liebsten gewesen, nehme nunmehro mit auf die See, und werde mitten unter den Wellen|<192> beseuftzen, was anitzo schon bereue: Dieses ist: Die wehrteste Arismenia, wenn es auch zu meinen eussersten Unglück, nicht noch einmahl gesehen zu haben, mit der ich noch so unendlich viel zu reden; Und daß mein Verhängnis, indem nun abfahre, mir nicht anders zu sagen erlaubet, als:

Adjeu Madame.

Dero
Ewig verbundener und unglück-
seeliger

Selander von Amalienburg.



In dem Selander dem Tyrsates, welcher sich noch einen Monat in Venedig aufzuhalten, und nach erhaltenem Schreiben seinem wehrtesten Freunde nachzureisen gedachte, den Brief überreichte, wurde auch vom Lande gestossen, und damit Venedig oder vielmehr der Liebe zu Arismenien ein ewiges Adjeu gegeben.

Tyrsates sprach persönlich bey Arismenien ein, die so wohl in ihrem Hertzen empfunde, als sie|<193> eusserlich blicken ließ, daß sie durch den Verlust Selanders von neuem zur Witbe worden. Denn gewiß, ihre Wehmuht war sehr heftig, und Tyrsates war unvermögend, ihr einen andern Trost einzusprechen, als daß er versicherte, sein geliebter Freund werde in kurtzem wieder kommen, und nach Aenderung ein und anderer Umstände, wenn solche Arismenien möglich, seine Glückseeligkeit in der vorigen Intention suchen.

Bey dieser Hoffnung richtete Arismenia ihre Augen wieder in die Höhe, die sie sonst wegen der Thränen nieder geschlagen; Gleichwohl da ein starcker Zweifel sich nicht unbillig deswegen in ihr ereignete, konte sie den Lauf ihrer Schmertzen doch nicht gäntzlich hemmen, und Tyrsates muste sie weinend hinterlassen.

Tyrsates hatte durch die Abreise Selanders und die eusserste Betrübnis Arismeniens so viel unruhige Gedancken bekommen, daß er sie durch einen Spatziergang ausser Venedig zu vertreiben suchte.

In der Gegend, wo die Venetianer ihre schöne Lust-Häuser gebauet, schiene er seine beste Vergnügung im Uberlegen zu finden, und war in vielen schönen Betrachtungen der Heftigkeit der Liebe eine ziemliche Weile fortgegangen, als er durch das Anschauen eines Menschen daran gehindert wurde.

Dieser, welcher dem Ansehen nach ein Cavalier, stund an einem Eichen-Baum, und war höchst beschäftiget, mit einem Messer ein Loch in selbigen zu gra-|<194>ben. Welches den Tyrsates so neugierig machte, die Ursach dessen zu erfahren, daß er sich also nahe dabey hinter einen Busch schlieche, wo er drey bis vier Schritte von diesem Fremden war.

Die Grösse der Andacht bey dieser Verrichtung mochte den andern so sehr ausser sich selbst gesetzt haben, daß er Tyrsates nicht vermercket, deswegen grub er immer fleissig zu, bis ein Loch in den Baum, daß man eine Welsche Nuß darinnen verstecken können.

Hierauf kriegte er eine Muscate aus der Ficken,* schnitte selbige mitten von einander, und grübelte mit dem Messer darinnen. Da dieses auch fertig, hub er an:
 

Wie Caelia und ich dem Nahmen nach hier stehen,

So soll auch unser Hertz sich stets vereinigt sehen.
 

Hierbey fing er an: Osmathiel, &c. &c. Und betete einen Hauffen Beschwerungs-Nahmen her, welche Tyrsates nicht alle behalten konte.

Alsdenn suchte er ein Papiergen hervor, darinnen ein wenig Haar lagen: Solche wickelte er um die beyden Stücke Muscaten, und band sie mit diesen schönen Reimen zusammen:
 

Wie ich von Caelien die Haar

In der Opera gestohlen fürwahr,|<195>

Und itzt in dieses Loch mit fahr,

So werden wir auch eine Zeit ein Paar.
 

Nach dessen Endigung fuhr er geschwind mit dieser mit Haaren umwundenen Muscaten in das Loch im Baum, und sagte im Zumachen desselbigen viele Beschwerungs-Nahmen wieder her; Damit gieng er gerade vor sich weg nach Venedig zu, sonder sich umzusehen.

Tyrsates hatte viel verliebte Streiche erlebt, aber so einen noch nicht; Und das Mittel, seine unruhige Gedancken durch einen Spatziergang zu vertreiben, stellte sich durch diesen Zufall so vollkommen ein, daß er in Lachen und Schertzen zu Venedig wieder war, ehe er sich dessen fast vermuhtet.

Seine erste Sorge war, diesen verliebten Zauberer kennen zu lernen; Und solcher Glück erhielt er bald, indem er auf einer grossen Gasterey, wo auch Caelia sich befand, in dessen Compagnie kam.

Er war würcklich ein Cavalier, und von Person nicht eben häßlich; Aber alle seine Minen und Geberden gaben an den Tag, daß ihn der Cupido gewaltsam geprügelt.

Caelia mochte ihm gleichfalls nicht ungewogen seyn, weil sie die Köpfe über der Tafel immer zusammen steckten, und wenn sie ihm ihre Liebe nicht antrug, ihm doch verstattete, ihr sein heimliches Anliegen in Gegenwart anderer so vielmahls zu eröffnen.|<196>

Tyrsates hatte die Ehre, gleichfalls neben einer Opern-Schönheit zu sitzen, denen Nahme Calpurnia, und welche ihn schon längst curiös gemacht, um zu erfahren: Ob sie auch von der Sorte manchen Theatralischen Frauenzimmers, deren Theatrum innerhalb dreyer Stunden acht bis neun Haupt-Schüber vertragen, und in einem Jahr mehr als tausenderley Auftritte leiden kan.

Er unterhielte sie demnach eine Zeitlang im Discours; Und weil er sie sonsten gesprochen, und sie gar frey im Schertzen gegen ihn war, rühmte er ihren artigen Verstand, und sagte: Wie er sich längst so glücklich gewünschet, mit einem Frauenzimmer umzugehen, die von so unvergleichlich schönem und lustigem Humeur als die allerliebste Calpurnia wäre. Sie antwortete gar leutseelig hierauf, und fragte: Warum er nicht dann und wann zu ihr gekommen, da er versichert, wie ihm ihr Zimmer mit Vergnügen offen stände.

Ach! hub Tyrsates an: Ich habe mich dieses Vergnügens mit Gewalt berauben müssen, weil es vor mein Gemüht allzu gefährlich, zu einem recht schönen Frauenzimmer zu gehen, und vergebens zu seufzen. Je nu! hub Calpurnia an, Sie werden ja auf|<197> einmahl nicht so viel prętendiren? Dabey sie ihn so freundlich ansahe, als ein Fuchs, der Raben zu fangen gedencket.

Und eben dieses, allerliebste Calpurnia, fuhr Tyrsates fort, ist mein Unglück, daß ich bey so charmanten Frauenzimmer nach etwas seufzen muß, welches, weil es zu schätzbar und ich mir nicht zu erlangen getraue, von der angenehmsten Compagnie mich vielmahl verbannet. Calpurnia fieng darauf mit recht verliebten Blicke zu ihm an: Sie kommen dann; Es soll sich schon alles schicken.

Schönste Calpurnia! fragte Tyrsates gleichsam vor Freuden aus sich selber: So soll ich nicht vergebens seufzen? Je ney doch, hub sie mit verbindlicher Ungedult an; Sie sind auch gar zu arg. Dabey sie ihm die Hand unaufhörlich drückte.

Man kan leicht erachten, daß ihr Tyrsates tausend Verpflichtungen vor die Anerbietung einer Gunst gemacht, ausser dem ein Frauenzimmer nichts kostbahrers auf der Welt verschencken kan; Aber wenn ich dabey sagte: Daß sich Tyrsates in seinem Hertzen so sehr über sie moquirt, als er verliebt von aussen schien, dieses hiesse die Wunder-süsse Entzückung von einem Frauenzimmer, damit sie Leute vor deren Genüß öfters fast sterbend machen, allzu gleichgültig|<198> tractiren: Darum will es nicht sagen, sondern einen geneigten Leser dencken lassen, was er will.

So viel aber Tyrsates an diesen beyden Opern-Frauenzimmern zu tadeln hatte, so fand er dennoch eine Tugend an ihnen, die er höchst beneiden muste, weil er es ihnen in keinem Stücke gleich thun könte: Dieses war: Daß sie unvergleichlich sauffen konten.

Caelia leerete in einem Augenblick sechs bis sieben Stutz-Gläser Wein aus, und machte sich ein Gloir, wenn sie einem jeden Bescheid that, und keinen Augenblick ein Glaß vor sich stehen ließ.

Da nun der Wein ein wenig in Kopf gestiegen, goß Caelia ein Glaß Wein auf den Tisch, und patschte mit beyden Händen so manierlich und so derb drein, daß die Suppe davon allen Anwesenden ins Gesicht flog, und sie sich vor Lachen nicht zu halten wusten.

Calpurnien waren die Geister auch schon mehr als zuvor rege gemacht worden, darum reitzte sie Caelien noch immer je mehr an, sich zu prostituiren, vielleicht weil sie ein heimlich Vergnügen daran hatte, und haselirte selber überaus artig mit.

Weil nun Caelia viel saftige Discourse öffentlich führte, deren sich Tyrsates gegen Frauenzimmer würde geschämet haben, hub er aus Schertz an: Ihr seyd allerliebste Jungfern.

Ey, schiß dir in die Jungferschaft, gab|<199> Calpurnia geschwind darauf, es ist keine Mode mehr, Jungfer zu seyn. Und in so süssen Complimenten fuhr man bis zu Endigung der Gesellschaft fort, nach welcher ein jeder ein Frauenzimmer nach Hause begleitete, welches durch ihn die Compagnie, die Compagnie aber durch mich den Geehrten Leser um Vergebung bitten ließ: Nicht ungütig zu deuten, so etwas allzu freyes mit untergelauffen, mit der Entschuldigung, daß weil gezwungene Sachen verhaßt, man es am schönsten zu machen vermeinet, indem man es am natürlichsten gethan.

Der Sammel-Platz bey Calpurnien ward des andern Morgens in ihrem Hause beschieden, und dieses hatte Tyrsates heilig versprochen: Allein wer aussen blieb, war auch niemand anders als Tyrsates.

Die eine Ursach gab sein Humeur, welcher bey allzu lustigen Discoursen von Frauenzimmer zwar aus Gefälligkeit mit lachen, aber im Hertzen nicht verwehren konte, einen Abscheu davor zu tragen; Die andere aber mochte seyn, daß er sich was angenehmes an einem Fräulein ausgesehen, die ihm das Verlangen nach anderer und zwar so sauberer Compagnie leicht vertreiben konte.

Dieses Fräulein hatte den Ruhm in Venedig, daß sie schön würde zu lieben wissen, wenn sie nicht dabey einen Verstand besäß, dadurch sie nicht wieder verliebt zu machen wäre.|<200>

Tyrsates, der wie gesagt, schon was annehmliches an ihrem Wesen gefunden, ward also durch eine andere Passion noch bewogen, einen verliebten Sturm auf sie zu wagen, und hielte es sich vor eine galante Ehre, wenn er in seinem Suchen nicht unglücklich.

Er trug ihr demnach bey guter Gelegenheit seyn Hertz mit der verbündlichsten Manier an; Und was seine Neigung noch heftiger und beständiger gegen sie machte, war, daß sie ihm eine vollkommene Gegengunst abschlug.

Er bediente sie also unablässig, und um zu seinen Entzweck zu gelangen, so begieng er bey vielen Klugen, und ausgesuchten Liebes-Maximen, auch die allergrösten und zärtlichesten Schwachheiten, daß, ob er sich gleich niemahls flatirt, die in der Liebe delicatesten, und dabey eigensinnigen Hertzen zu gewinnen, er sich dennoch in dieser Kunst vor ziemlich geübt halten muste, nachdem er dieses Fräulein endlich besieget.

So gleichgültig er nun in seinem Hertzen bey dieser Amour zu bleiben vermeinet, so sehr betrog er sich in seinem Urtheil, denn er war ziemlich verliebt, und die Merckmahle seiner innersten Neigung, wovon dieses Fräulein eine vollkommene Kennerin, mochte sie nicht wenig mit bewegen, sich ihm vollkommen zu ergeben.

Ich nenne dieses allhier eine vollkommene Liebe, worinnen uns das Geliebte nichts vollkommenes zärtliches und doch|<201> honnetes abschlägt; Welche Gutheit Tyrsates dergestalt erkannte, daß er sich dieser Schönen getreu und vollkommen ergab, und sich in seinem Hertzen nicht wenig moquirte, wenn Caelia und Calpurnia bemüht waren, ihn von der Bedienung dieses Fräuleins abzubringen, und hingegen an sich zu ziehen.

Denn ob wohl Caelia auf Tyrsates voriger Aufführung genugsam gesehen, daß sie sich keine Rechnung auf ihn zu machen: So vergessen doch Coquetten leicht, was zu ihren Verdruß dienet; Und also meinte sie, ihn unter die Zahl der andern durch ihre Schmeicheleyen endlich zu logiren, welche zu ihrem sattsamen Contentement ziemlich weitläuftig war.

Wenn nun Tyrsates ihrem Hause vorbey wanderte, da sie am Fenster lag, ward ihm die Passage etliche mahl durch das inständige Ersuchen zu ihr zu kommen, nach seiner Schönen gesperrt, indem er, wie sie sagte, ein Vergnügen nicht so weit suchen dürfe, was er in der Nähe habe.

Tyrsates muste demnach, um nicht allen Wohlstand aus den Augen zu setzen, zu weilen ein paar Stunden bey ihr verderben, und weil sie ihn überall, und auch in ein Zimmer führte, wo ein artig Ruh-Bett vor ein paar Personen stund, um vielleicht durch den Anblick desselbigen bey ihm zu erwecken, worzu ihn die Natur oder sein Gemüht nicht genugsam aufmunterte: So bekam er gleichsam zur Vergeltung seiner Ungedult was curiöses in die Hände.|<202>

Caelia war mit Tyrsates eben in einem Liebes-Discours begriffen, dadurch sie ihm mit den theuresten Versicherungen wolte glaubend machen, wie sie niemahls geliebet, und wie sie besorge, daß wenn sie lieben werde, worzu ein so artiger Cavalier als Tyrsates sie leicht bewegen könne, sie tausenderley Unruhe wegen all zugrosser, treuer, und beständiger Ergebenheit werde ausstehen müssen: Ich sage, Caelia würde auf Tyrsates Verlangen eben einen förmlichen Eyd wegen ihrer Honneteté ablegt haben, als sich ein Galant unten durch seinen Diener anmelden ließ.

Caelia bat demnach Tyrsates, einen Augenblick allhier allein zu verziehen, sie wolle nur ihrem Mädgen Ordre geben, abzuweisen, es möchte kommen, wer nur wolle.

Tyrsates war es wohl zu frieden, ihr einen Augenblick loß zu werden, denn er hatte den Schlüssel an einem kleinen Kästgen gesehen, worinnen er Briefe und dergleichen curiöse Sachen vermuhtete; Und hierauf eröffnete er solches, und nahm in höchster Geschwindigkeit von Briefschaften zu sich, was ihm am ersten in die Hände kam, weil Caelia bereits zurück kehrte.

Tyrsates empfieng sie mit verstellter Freundlichkeit, und schmeichelte ihr mit vielen hervorgesuchten Lügen überaus; Weil sie aber vorhin von einer honneten Liebe gegen ihn geredet, so fieng er einen solchen Discours von der Vergnügung aus einer honneten Amour an, und behauptete das alleredelste Wesen|<203> der Keuschheit dergestalt, daß sie nicht viel darnach fragte, seiner Visite überhoben zu werden.

Ob es ihr in der Seelen nicht verdrossen, daß Tyrsates die Art zu leben, so wenig verstehen wolte, und ihre Discourse von der Keuschheit und Honneteté in Ernst aufgenommen, lassen wir einen jeden selber urtheilen: Nur dieses müssen wir sagen, daß sie in den schönsten Sitten-Lehren von einem vollkommen Tugendhaften Leben, und der daraus entstehenden wahrhaften Ruhe und Vergnügung des Gemühts voneinander gegangen.

Tyrsates wuste nicht, wo er einen Ort geschwind genug antreffen solte, um seine Neugierigkeit in Lesung der von Caelien gestohlnen Sachen zu stillen, und weil Asteriens von Sternen-Feld, so hieß die Dame, die er liebte, ihre Wohnung am nächsten, begab er sich in solche, und ließ sich, da sie nicht zu Hause, von ihren Bedienten ein Zimmer öffnen, in welchem er seine Beute auskrahmte.

Aber wie ärgerte sich Tyrsates nicht, da er an statt verliebter Briefe einen Calender in die Hände bekommen? Er schmieß ihn aus Verdruß auf die Erden, und würde ihn schwerlich wieder aufgehoben haben, wenn nicht ein kleiner Zettel heraus gefallen, den er endlich des Aufhebens wehrt achtete.

Es war ein Billet, das, wie aus der Unterschrift zu ersehen, ein Cavalier an Sie geschrieben; Und der Innhalt bestund in folgenden:|<204>



Mademoiselle.

MIch verwundert höchstens, daß Ihr euch ein paar mahl vor mir verläugnen lassen, und einen andern Galant, den Capitain Vogler, auf eurem Zimmer gehabt. Vielleicht, daß ihr schon vergessen, wie ich beschaffen bin, und nicht mehr wisset, wie zulänglich und völlig ich euch sonsten contentiret: Um eurer Gedächtnis also in vergangenen Sachen zu stärcken, habe meine innere Qualitäten abschiltern lassen, und übersende sie euch nicht allein zu einem beständigen Anschauen, sondern auch zu der Curiosité, in Betrachtung anderer Meriten zu erwägen, ob ihr eurer zu grossen Tugenden geneigten Affection durch bisherige Verachtung der Meinigen nicht Tort gethan. Soltet ihr etwan böse seyn, daß bey den letzten Caressen den blauen Sammet auf eurem Ruh-Bettgen ein wenig verdorben, so offerire mich, euch gantz neuen davor zu schaffen. Ist euch aber der tägliche Wechsel so sehr beliebt, daß ihr mich durchaus nicht weiter zu vergnügen gedencket, so werden einen gantzen Tractat von eurer kahlen Affection und eurem allzu weitläuftigen Umgange mit ehe-|<205>sten heraus geben, und diese Defensions-Schild eurer Honneteté an eurer Thür abmahlen lassen, so ihr allhier nur auf Papier abgeschiltert erhaltet. Ich weiß wohl, daß ihr nach aller Prostitution nichts fraget, und schon so ausgehärtet seyd, alle Anstösse an eurer Ehre zu ertragen; Aber ihr wisset auch, wie man die Kaltsinnigkeit von einem Frauenzimmer leicht erdulden kan, bey der wir über dreyßig mahl nicht vergebens geseufzet. Machet also so viel Reflexion hierüber als es nöhtig erachtet,

Euer

Annoch
    Wohlmeinender Freund.

Hauptmann Gazoni.



Tyrsates lachte nun wiederum von Hertzen und hub den Calender gütiger auf, als er ihn weggeschmissen, um vielleicht noch mehr angenehme Briefe darinnen anzutreffen.

Doch er fand keine so honnete Billets mehr, aber was weit angenehmers, als er jemahls gesucht:|<206> Denn dieses war ein Schreib-Calender, in welchem Caelia nicht nach dem Wetter des Himmels gesehen, sondern darinnen aufgezeichnet, was vor lustige Tage sie ihren Galans verschaffet.

Man sagt sonsten: Die Menschen machen die Calender, der Himmel aber das Wetter; Doch Caelia konte allein was Wunder-würdiges und fast über-natürliches von sich rühmen, indem sie Calender und Wetter hier zugleich gemacht.

Er fieng an, solchen durch zu blättern, und nachdem er sich bald kranck gelacht, ließ er auch andern Zeit, sich darüber zu ergetzen, und communicirte den Inhalt nicht allein guten Freunden, sondern, weil wir das Glück hatten, mit ihm aus Venedig zu correspondiren, erhielten wir gleichfalls eine Abschrift davon, welche wir also, nachdem wir auch nicht drüber verdrüßlich gewesen, dem geneigten Leser zu seinem Divertissement mittheilen und dabey bitten wollen, daß weil den Reinen alles rein, sich Tugendhaft darüber zu erfreuen, und vor allen Mademoisellen Cloelien in Venedig keinen Part davon zu geben, weil wir nicht gesonnen sind, der geringsten Person Tort, geschweige einer so vortrefflichen Virtuosin zu thun.|<207>



Neu-verbesserter
und
vermehrter
Schreib-Kalender,
Auf das Jahr
Venerischer Avanturen, Von
Anno 1580.

1. Jan. Von meinem Spaß-Galant ein schönes Thee-Zeug bekommen: Ihn auf den Abend selber gesprochen, und mich davor erkenntlich gewiesen.
2. – – Auf einer Gasterey gewesen A la Compania Dei Mercanti mit Hauptmann Sculteto, und vielen andern Officiren: Mich berauschet: Handgreifliche Discurse mit Scult: indem er mich nach Hause begleitet.
3. – – Mons. Flachs-Vigelius bey mir gewesen, und mir seine Liebe fast weinend angetragen.|<208>
4. – – Ein Billet von M. Pfeffer-Sacco bekommen: Des Nachts um 11. Uhr von ihm in der Gondel abgehohlet: Um drey Uhr nach Hause kommen: Weissen Atlaß zum Kleide. NB.
5. – – Von Lieutenant Bonifacio einen Brief mit Blut geschrieben erhalten.
6. – – Noch einen von ihnen erhalten, darinnen er mir eine Heyraht angetragen.
7. – – Hundert Ducaten* von einem Narren Sch: bekommen, der gedacht, er bekäm die Jungferschaft von mir.
8. – – Ausgefahren auf ein Rendevous in den Gast Hof Al Aquila Nera: Der Fürst von Tiegerklau mich um zwey Uhr nach Hause gebracht: NB.
9. – –

Mons. Flachs-Vigelius mir vor 100 Thaler Spitzen versprochen NB.
10. – – Allein unn verdrießlich gewesen.
11. – – Mich nackend abmahlen lassen|<209>
12. – – Den Hauptmann Vogler wegen seiner braven Nase zu mir kommen lassen: Mir nur die B. geküßt.
13. – – Mit Baron Reventher in der Opera geredet, der mir den Signor Dettorfe vorgeworffen.
14. – – Mich kranck gestellt, um nicht in der Opera zu singen: Bey Signor Dettorfe vorgegeben, ich hätte eine Purgation eingenommen: Baron Reventher bis des Nachts um 3. Uhr bey mir gewesen: NB.
15. – – Ein garstig Pasquill auf mich gemacht worden.
16. – – Mein Trampel-Galant, Signor Potentio bey mir gewesen: NB.
17. – – Der Hundsfot Flachs-Vigelius fortgereist, und mir die Spitzen nicht gegeben.
18. – – Dieser Tag handelte von einer Materie, davon Mons. Bellefontaine in seinen Monaten schreiben soll; Und weil wir solche nicht haben, lassen wir die Sache unerörtert.|<210>
19. – – KopfWehtage.
20. – – Mich vor allen verläugnen lassen.
21. – – Mein Trampel-Galant Potentio bey mir gewesen.
22. – – Alle Kalbs-Füsse in der Stadt aufgekauft. NB. eine Cur wegen der neulichen Reise.
23. – – Der Obrist-Lieutenant N. mir seine Liebe angetragen.
24. – – Auf einem Garten: NB. vier Visiten des Nachts: Sch. seine Nase mich betrogen.*
25. – – – – –
26. – – Der Baron Filou wegen des Printzen aus Peltzlandio zu mir gekommen. Hauptmann Vogler bey mir gewesen. NB.
27. – – Zu dem Printzen aus Peltzlandio: NB. Baron Filou die versprochene 50. Ducaten* behalten, und mich noch darzu beschimpfen wollen.
28. – – Den Obrist-Lieutenant N. bey mir gehabt: Mir die Heyraht versprochen NB. Ich wers wissen.|<211>
29. – – – – – – –
30. – – Mich mit dem Obrist-Lieutenant N. brouillirt.
31. – – Mit dem Obrist-Lieutenant wieder gut geworden: Mir von neuem die Heyraht versprochen.
1. Febr. Meinem Mädgen Maulschellen gegeben, weil sie den Obrist-Lieutenant heran gelassen, und mich mit Voglern gestöhrt: Ihn hinter die Gardinen versteckt.
2. – – Einen kostbahren SchlafPeltz von Signor Marretigo vor NB. bekommen.
3. – – Der Obrist-Lieutenant eyfersüchtig und verdrüßlich.
4. – – Den Obrist-Lieutenant hinter die Gardinen versteckt, und ihm eine Nase gemacht durch Signor Marrettigo.
5. – – – – –
6. – – Dem Signor Caprano Ohrfeigen gegeben. Des Nachmittags der Obrist-Lieut. NB.|<212>
7. – – Der Obrist-Lieutenant den Zeit-Vertreib der Nonnen in meinem B: gefunden, deswegen mit mir brechen wollen: Ihm die Thür gewiesen.
8. – – Zu Signor Pfeffersacco nach eilf Uhren des Nachts gefahren, rohten Damast bekommen NB.
9. – – Al Scudi di Francia tractirt worden: Mich voll gesoffen.
10. – – Der Obrist-Lieutenant mir geschrieben; Ihm nicht geantwortet.
11. – – Der Obrist-Lieutenant zu mir kommen. Vertragen und in kurtzen zu heyrahten NB.
12. – – Signor Caprano in den Hut ges.
13. – – Der Obrist-Lieutenant bis des Morgens bey mir gewesen.
14. – – Der Schelm mich betrogen, und ist heimlich fortgegangen.
15. – – KopfWehtage
16. – – – – –
17. – – Tyrsates in meiner Kammer früh gewesen: Mich anziehen helfen NB. Ein Schulfuchs, und Bernheuter in der Liebe.|<213>
18. – – Signor Gazoni bey mir gewesen: NB. gute Waden.
19. – – Gazoni bis um zwölf Uhr.
20. – – – – –
21. – – Auf einer Gasterey mit Calpurnien gewesen NB. ein neuer Galant: Heyraht.
22. – – Gazoni NB.
23. – – Hauptmann Vogler wieder kommen bis um ein Uhr NB.
24. – – – – –
25. – – Gazoni.
26. – – – – –
27. – – Auf einer Gasterey mit dem Gast-Hof Scudi di Francia NB. gute Bekandtschaft bekommen.
28. – – Gastoni NB.
1. Mart. – – – – –
2. – – – – – – –
3. – – Aus Curiosité einen Castraten. NB. NB.
4. – – In der Comoedie.
5. – – – – – – –
6. – – Capitain Vogler: NB.
7. – – Schreckliche KopfWehtage
8. – – NB. Malade.|<214>
9. – – NB. Ausgeschlagen.
10. – – Mit dem Medico accordirt vor NB.
11. – – – – –
12. – – – – –


Aus diesen angeführten Monaten kan man die übrigen urtheilen, weil unsere Tugend in Abschreibung derselben ermüdet wird, und dieses vor genugsam erachtet, einem edlen Gemüht einen Abscheu vor ein solch verzweifeltes Leben, wie garstigen und in Wollust ersoffenen Hertzen eine Schaam vor sich und der Welt zu erwecken.

Wie man denn nicht wehnen darf, daß man nur ein Opern-Frauenzimmer in Venedig abschildern wollen: Man könte dieses glauben, wenn nicht so viele andere von Bürgerl. und Adel. Stande noch weit häßlichern Lastern unterworffen, und in den Opern anderwerts und sonderlich allhier, nicht welche edle und tugendhafte Personen zu finden: So aber ehret man die andern, indem man ihren Lob-würdigen Eigenschaften Caeliens Laster, wie der Sonnen ein Irrlicht entgegen stellt: Und weil die Welt ein Schau-Platz, wir aber die Spielenden und unser Leben die Action auf selbigem machet; So hat allhier eine Person auftreten sollen, die durch ihre schlimme Action tausend Zuschauern nur|<215> ein Spiegel ihrer eigenen Unordnungen ist.

Tyrsates rechnete also Caeliens übermässige Ausschweifung in der Wollust der Hitze der Italiänischen Luft zu; Und der Ruhm eines Schulfuchses und Bärenheuters in der Liebe, den sie ihm beygelegt, gefiel ihm in der That nicht übel.

Er verzögerte noch eine gute Zeit in Asteriens Behausung; Allein sein Glück konte vor diesmahl in der Unterhaltung dieses annehmlichen Fräuleins nicht blühen, und also befahl er ihren Bedienten eine unterthänige Empfehlung an sie, und gieng fort.

An der Thür begegnete ihm ein Mensch von der Post, der einen Brief an sie hatte; Solchen nahm zwar ihr Mädgen an, allein Tyrsates foderte ihn wieder, und wanderte damit nach dem Zimmer wieder zu.

Die Vertraulichkeit mit Asterien gab ihm die Erlaubnis, solchen zu eröffnen, und da fand er einen so Wunder-schönen Inhalt, welchen, wie er von Wort zu Wort geschrieben gewesen, aufrichtig entwerfen will.



Ma tres chere,
Und
Gnädiges Fräulein,

ICh wünschte, daß an statt dieses Hand-Briefleins, selbsten könte erscheinen,|<216> dero Zustand mich zu erfragen, und daß es nach Wunsch und allem Vergnügen möchte seyn, von meinem allerliebsten Fräulein selbsten könte benachrichtigt werden, wiewohl nun zwar meine Persohn bey Gegenwart in Venedig bey etlichen mahlen ersuchende, in Dero Zimmer zu erscheinen, leyder das Glück nicht haben können, so hoffe doch, daß dieser geringe Papierne Bohte in so weit wird glücklicher seyn, indem mich von Dero angenehmster Persohn die Permission gegeben worden, auf der Reise habe gleichfals nicht anders gekönt, als mein stetiges und beständiges Andencken mit ein paar Riegen zu erweisen, und wird mir nicht möglich seyn, des mir allerliebsten und angenehmsten Hertzens-Fräulein Asterien zu vergessen, ich hatte in selbigem, so von Mestre aus war geschrieben, auch ersucht, dafern es immer je möglich, mir doch mit ein paar Worte von Dero angenehmsten Persohn zu erfreuen, und selbiges bey meiner Ankunft allhier in Padua, weilen ich eine sehr schlimme Reise gehabt, und bald von den Banditen alle meine Sachen mir genommen worden, also gewünscht finden mögen, allein dieser Wunsch und Glück, wie sehr es auch gewünscht, hat|<217> mir nicht werden wollen, doch lebe anitzo der Hoffnung, daß mein allerliebstes Engels-Kind, so ferne einige Gnaden von ihnen vor mich zu hoffen, und haben möchten, mit einiger Antwort mich bald bewürdigen werden, woferne der Herr in braunen Rocke es nicht zu hindern sich belieben wird lassen, der leyder allzusehr bey Ihnen angemahlet ist, glücklich und recht vergnügt schetzte ich mich, wann durch Dero angenehmste Gesellschaft hätte können länger, ja allezeit geniessen, und gereuet mich anitzo wohl tausendmahl, daß nicht bey meiner Anwesenheit in Venedig um desto kräftiger und mit besserm Nachdruck, wie jetzt, um etwas zu bitten, welches mir im höchsten Grad hätte vergnügen können; Weilen Dero mir angenehmste Persohn lieb und wehrt ist, und recht von Hertzen ęstimire, selbige aber zu meinem Leyd qvitiren muste, und nicht anitzo sehen kan, doch hätte nur können eine Copie, um mich dadurch anitzo, weilen es doch nicht anders hat seyn können, in etwas zu consoliren habhaft werden können, bis etwas die Zeit mich ein mehres hätte vertrösten mögen, und woferne der Herr in braunen Rock nicht das Glück besitzt, vielleicht auch leyder das allerliebste|<218> Hertzens-Original zu besitzen, und zu behandhaben, wann Bitten hülffe, so wolte aus allein Vermögen bitten, daß mein allerliebstes Hertz mich möchte hierinnen erhören, versichernde, daß in dieser Welt kein eintziger Mensch selbiges auf einige Art und Weise, solte zu sehen kriegen, Ubrigens bitte, wann etwan mein allerliebstes Engels-Kind dann und wann einige müssige Stunden möchten übrig haben, doch Ihres ergebensten Dieners sich zu erinnern, wenn meinem lieben Hertz der Herr im braunen Rock nicht irgend im Weg und ins Mittel kommt, und machet, daß es stecken bleibt; Wollen Sie mich aber die Freude und Vergnügen, Dero mich angenehmsten Correspondence zu bewürdigen, so versichere, daß nichts mehr, als eben das wird mir contentiren können; So bald ich an einen Ort komme, und mein trautes Hertz mich antwortet, und ich was schönes finde, werde solches an mein allerliebstes Kind zu adressiren suchen; Es thut mir leyd, daß schliessen muß, derohalben wird Ma tres Cheres, und gnädiges Fräulein es nicht übel deuten, und ich also nicht mehr, als nochmahlen meine oberwehnte Bitte zu wiederholen, absonderlich Dero gutes An-|<219>dencken an Ihren Diener, Mein allerliebstes Hertzens Engels-Kind lebe inzwischen woll und vergnügt: Adjeu, adjeu, adjeu, Chere, Ich verbleibe jederzeit

Meines Allerliebsten Engels-
Kind und Fräulein

Ergebenster Diener     
Taglia Cantoni.

Bost-Scribendum:
Mein liebes gnädiges
Fräulein,
Adjeu, adjeu, Chere!



Tyrsates lachte über diesen Brief, wie es die Wunderbahr-verliebte Schreib-Art erfoderte, und würde seine lustige Gedancken wegen des Herrn im braunen Rock, der er selber seyn solte, an Asterien ausgelassen haben, wenn ihm ihr allzu langes Aussenbleiben nicht eine Unruhe zugezogen.

Denn die Gleichheit ihrer Sentiments hatte unter ihnen nicht allein eine gantz besondere Hochachtung vor einander erwecket, sondern ihre Hertzen waren so fest verknüpfet, als eine rechtschaffene Liebe aus Sympathie würcken kan.|<220>

Nun ward ihre Amour in Venedig desto mehr bekandt, je weniger sie sich angelegen seyn liessen, solche zu verbergen, und die öffentlichen und täglichen Visiten bewegten die Leute zu glauben, es werde auf eine Heyraht unter ihnen beyden angesehen seyn; Zumahl das Fräulein Asterie sich in so guten Credit überall gesetzt, daß man sie nicht vor vermögend schätzte, eine andere vertraute Bekandschaft jemanden zu gestatten.

Beyde hatten sich auch nicht undeutlich mit einander auf ewig verbunden, indem des Fräuleins aufrichtige Affection zu Tyrsates, und die verpflichtete Frage, warum er ihre Liebe suche, ihn veranlaßte, ihr eine ewige Liebe zu schweren, und sie zu versichern, daß er solche mit dem Willen des Himmels dereinsten durch eine ordentliche Heyraht vor aller Welt declariren wolle.

Diese verbündliche Erklärung nahm das Fräulein mit vergnügtem Hertzen an, und versprach ihm im Gegentheil eine treue und immerwährende Liebe, daß sie also in der süssesten Vertraulichkeit bis itzo mit einander gelebet, da er an den Kauder-Welschen Liebes-Brief an sie von einem ihm unbekandten Taglia Cantoni erhielte, und nicht geringe Unruhe wegen ihres gar zu langen Aussenbleibens empfund.

Es war bereits 11. Uhr auf dem Abend, da ihre Leute im Hause nicht das geringste von ihr zu wissen bekamen, und Tyrsates keine andere Nachricht geben|<221> konten, als daß sie mit ihrer Anverwandtin, der Madame Stellanien diesem Morgen ausgefahren, um sich beyde, wie sie glaubten, auf dem Wasser zu ergetzen.

Die Nacht ward mehrentheils sonder Schlaf hingebracht, und der Morgen mit Ungedult erwartet, um an demselben von seiner geliebten Asterien Gewißheit zu erhalten. Allein auch dieses war vergebens, indem sie noch bis itzo nicht nach Hause gekommen, daß also Tyrsates auf unangenehme Gedancken gerieht, und seinen Verdruß zu erleichtern mit einer Gesellschaft Partie machte, die auf dem Meer eine Lust-Jagd angeordnet.

Es war einer der angenehmsten Tage, daß also Tyrsates in dem schönen Wetter und einem sehr propren Sommer-Habit nebst dem Plaisir, die häufigen Vögel der See zu schiessen, eine Erleichterung wegen der Abwesenheit Asteriens suchte, oder sie auch vielleicht anzutreffen vermeinte, weil sie dem vorigen Tag auf eben dem Meer solte ausgefahren seyn.

Man rüstete demnach ein Schiff aus, nahm eine ziemliche Menge Pulver, Kugeln, Bouteilles und dergleichen Vorraht mit, und suchte sich auf diesem kleinem Festin rechtschaffen lustig zu machen.

Man schoß, die Vögel taumelten so artig aus der Lufft herunter, man langte sie aus dem Wasser in das Schiff, man tranck dabey aller Schönen Gesundheiten, und die heitern Blicke der Sonnen leuchteten so anmuhtig darzu, daß Tyrsates mit desto grösserer|<222> Sehnsucht nach Asterien seufzete, um sie zur Gefehrtin zu haben, zu einem Merckmahl, daß ihm die grösten Ergetzlichkeiten ausser ihr unvollkommen wären.

Er sah hierauf ein klein Schiffgen daher segeln, und wie solches nahe kam, fragten sie den Schiffer darinnen aus Kurtzweil: Wo er herkäm, und wohin er wolle?

Seine Antwort war: Er seegle von Ravenna nach Venedig; Und erkundigte sich im Gegentheil: Ob ihnen kein Cavalier bekandt, Monsieur Tyrsates Nahmens?

Tyrsates, der gantz voller Freuden, von Asterien was zu vernehmen, antwortete zugleich, daß er derjenige selber sey; Und alsdenn übergab ihm der Schiffer einen Brief folgenden Innhalts:



Mon Cher.

WEnn sie einige Unruhe meines Aussenbleibens und unverhoffter Abreise wegen ausgestanden, so glauben sie, daß Dero getreue Asterie nicht weniger gelitten. Dieses kan Sie nicht besser versichern, als indem sie tausendmahl bitte mir ihre sonst allezeit beliebte Gegenwart auch vor diesmahl in Ravenna und zwar mit dem allerersten zu schencken. Weil meine Anverwandtin, Madame Stellania, und der Major Schene-|<223>bry, nachdem sie mich auf listige Manier zu einer Spatzier-Fahrt bis nach Ravenna verleitet, nun auch bemühet sind, mich zu einem andern Bündnis zu bereden. Durch Dero Anwesenheit und Beystand aber hoffe noch ferner zu erhalten, die ihnen zu Dero Vergnügen, wo sie wollen, auf ewig gewidmet bleibet.

Mon Cher.

Dero
   Beständig getreue

Asterie.



Anbey war ihm unten im Briefe das Hauß gemeldet, nach welchem er in Ravenna fragen solte.

Eine solche Ursach der Entfernung seiner geliebten Asterien kam ihm so befremdet vor, als sie ihm Unruhe erweckte: Die andern kenneten den Major Schenebry gar wohl; Und weil sie ihm solchen als einen galanten, ansehnlichen und klugen Cavalier beschrieben, so schätzte er seine eiligste Gegenwart allda vor desto nöhtiger, um sein Recht wieder einen so gefährlichen Neben-Buhler zu behaupten.|<224>

Ein recht Verliebter und dabey Großmühtiger unternimmt alles, und alle Gefährlichkeiten scheinen ihm von schlechtem Wehrt zu seyn: Desto mehr erregte sich das heftige Verlangen in Tyrsates, nach Ravenna zu segeln, da der Wind favorabel, und sie sich keine Gefahr zu besorgen.

Weil er aber die übrige Compagnie eine so weite Spatzier-Fahrt zu thun nicht vor geneigt achtete, redete er heimlich mit dem Schiffer, und bewegte ihn durch 20. Ducaten,* daß er das Ruder nach Ravenna gehen ließ, sonder denen übrigen Nachricht zu geben.

Bey so gutem Winde waren unsere Jäger nicht weit von Ravenna, ehe sie die genommene Fahrt beobachtet: Denn die angenehme Lustbarkeit, die Vögel aus der Lufft zu schiessen, hatte sie dergestalt eingenommen, daß sie an keinen Weg oder Schiffen gedachten; Und so weit war es vor Tyrsates recht glücklich gangen.

Der Steuermann aber ersahe in der See ein Schiff, so gerade und mit aufgespanneten Seegeln auf sie zu eilte, dahero er den übrigen davon Nachricht gab.

Dieses war ein Türckischer Caper, welcher durch das unaufhörliche Schiessen unserer Cavaliers war herzugelocket worden, um zu sehen, ob nicht eine Beute vor ihm vorhanden.

Die unsrigen erschracken nicht wenig, da er näher kam, und sie Feinde vor sich erblickten: Zu entrinnen, war ihnen nicht möglich, weil der Caper ein allzu schnelles Schiff, und kaum tausend Schritte|<225> noch von ihnen hatte: Dahero wolten einige, man solte sich ergeben; Andere aber, die der Wein ein wenig mehr als zu tapfer gemacht, und die bey dem Caper keine Canonen sahen, waren zu nichts resolvirt, als sich so lange zu wehren, so lange sie noch Pulver und Bley übrig hätten.

Also musten diejenige, die erst gelindere Gedancken gehegt, der Bravoure der andern weichen, und ungeachtet der ungleichen Anzahl, die sie in Betrachtung des Capers hatten, feurten sie dennoch tapfer auf solche, und schossen drey bis vier darnieder.

Im Gegentheil blieben auch einige von den unsrigen, welche dennoch dieses wenig achteten. Da aber die Türcken zu entern oder aus ihrem Schiff auf das andere zu steigen begunten, so entstund erst eine nicht geringe Unordnung, denn eine solche Menge mit blossen Sebeln über so wenige, die den Tod ihrer Cameraden so wohl zu rächen, als gute Beute zu machen eyferig suchten, war vermögend genung, denen unsrigen die Waffen zu legen; Welches auch dergestalt geschahe, daß nachdem sie ihr Leben durch Ermordung einiger Räuber so theuer als möglich verkauft, sie insgesammt dem Grimm dieser Barbaren herhalten musten.

Der eintzige Tyrsates war bis dato noch übrig geblieben, und mochten sie diesen Cavalier darum verschonet haben, weil sie aus seinem guten Ansehn und sehr propren Habit urtheilten, eine gute Ranzion von ihm zu ziehen, als um welche es denen Räubern allezeit am meisten zu thun.|<226>

Ein Lieutenant auf diesem Raub-Schiff war ein Frantzose, und nach der guten Freundschaft, die ihre beyden Ober-Herren unter sich führten, vielleicht zu dieser Charge kommen: Dieser fragte Tyrsates, wohin er auf diesem kleinen Schiff gedacht, und wie er so verwegen gewesen, sich in so weniger Anzahl gegen sie zu wehren?

Tyrsates antwortete: Daß ihn eine Sache von sehr grosser Wichtigkeit genöhtiget, bey so gutem Wind von Venedig nach Ravenna zu gehen, dabey denn die übrigen Compagnie gemacht, und durch den Wein wären verleitet worden, ihr Leben unnöhtig zu hazardiren. So sie ihn nun nur auf 24. Stunden an das Land zu setzen gedächten, daß er in Ravenna seine Geschäffte ausrichten könne, so wolle er ihnen inzwischen einen Wechsel-Brief von 6000. Ducaten* nach Venedig an den und den Kauffmann geben, und sich den andern Tag wieder bey ihnen einstellen, um bis zur Zahlung der versprochenen Summe bey ihnen zu bleiben.

Um nun seinen Worten einen bessern Nachdruck zu geben, zog er einen Brief heraus, den er zum Glück bey sich führte, und daraus der Frantzose sehen konte, wie er an einen Kauffmann solchen Nahmens in Venedig recommendirt, von selbigem so viel Geld zu heben, als er verlangte.

Dieser Frantzösische Lieutenant mochte den Kauffmann wohl kennen, indem er den Capitain des Schiffes beredete, diesen Cavalier auf seine Parole und einen ihm zugestellten Wechsel-Brief so lange loß zu lassen, als er verlanget; Und das Ansehen nebst der guten Manier, mit welcher Tyrsates seine Worte vorbrachte, mochte vielleicht viel beytragen, diese sonst grausame und fast allezeit unbarmhertzige Nation zu bewegen, daß sie ihn nahe bey Ravenna an das Land setzten, und ihn also frey und sicher gehen liessen.

Tyrsates bat den Lieutenant, welcher ihn aus der Noht geholffen, zum Uberfluß, er möchte morgen bey anbrechendem Tage wieder dahin kommen, um ihn in das Schiff zu nehmen; Und versicherte, daß er an eben dem Orte um die bestimmte Zeit wieder seyn wolle.

Doch dieses war eine Ordre, welche er vor gantz unnöhtig ausgegeben schätzte: Dann ob er gleich sonsten seine Parole zu halten sich durch die Ehre verbunden erachtete, so glaubte er doch, nicht den geringsten Abbruch daran zu leiden, wenn er bey den See-Räubern sein Versprechen nicht erfülle; Und was den Wechsel anbelangte, darum war er wenige bekümmert, weil alle Obligationes in dergleichen Fällen ungültig, und die See-Räuber ihr Handwerck noch nicht recht verstehen musten, da ihnen dieses unbekandt.

Demnach gieng er in dem festen Vorsatz, sie lange genug auf seine Zurückkunft warten zu lassen, in Ravenna hinein, und erkundigte sich auf der Stras-|<228>sen, wo das von Asterien beschriebene Hauß sey. Seine Frage traf unter andern einen Officier, von einem guten Ansehen und wohlgemachten Leibe da sie beyde kaum zehn Schritte noch vom rechten Orte waren.

Dieser Officier war sein Neben-Buhler, mit welchem Asteriens Anverwandtin abgeredet, ihm diese schöne Parthey zu freyen zu helffen, weil sie dem Major weitläuftig verwandt, und als eine alte Dame auf die grosse Beförderung sahe, die er von Hohen als ihm geneigten Personen zu hoffen, nach welcher er sie zu ehligen versprach, und wenn er ein brav Stück Geld gemacht, alsdenn in einer vornehmen Charge geruhig mit ihr leben wolle.

Dieses trug sie Asterien vor; Allein ihre Antwort war: Daß ein mittelmässiges und gegenwärtiges Glück viel höher als die Hoffnung zu einem Grossen zu schätzen, das wohl in einer Zeit fehl schlagen könne, da man nicht nur das andere sondern auch seine Reputation und Jahre verschertzet.

Immittelst hatte die Anverwandtin der Major dergestalt eingenommen, daß Asterie in sonderbahren Aengsten, weil auf dem Abend ein Ball angestellt worden, wobey sie das halbe Ja-Wort solte von sich geben, oder zum wenigsten leiden, daß sie der Major in seinen Gedancken als seine Liebste tractirte, zumahl sie ihren Kräften selber nicht allzuviel zutrauen konte, da sie von einem galanten Cavalier gefährliche Anfälle muste ausstehen, wofern sie Tyrsates Gegenwart nicht wieder alles schützte.|<229>

So nah war aber ihr Vergnügen, daß solches, nehmlich Tyrsates, mit seinem Neben-Buhler bereits im Discours vor ihrem Hause begriffen.

Nun hatte die Freyheit, welche der Major von Madame Stellanien durch einen freyen Zutritt erhalten, nebst der trotzigen Manier, welche Leuten von seiner Profession mehrentheils gemein, ihm bereits so hochmühtige Gedancken eingeblasen, daß er glaubte, niemand könne ohne seine Erlaubnis in das Hauß dieser Dame und zu Asterien gehen; Oder man müsse ihm zum wenigsten Rechenschaft geben, was man da machen wolle.

In dieser festen Meinung antwortete er auf die Frage des Tyrsates: Warum er nach dieser Damen frage?

Tyrsates verwunderte sich zwar über diese verkehrte Antwort, gab aber dennoch höflich darauf: Weil ich die Dame und das Fräulein bey ihr zu kennen die Ehre habe, und also sprechen wolte; Dahero werden sie mich durch die Gefälligkeit, mir ihr Hauß zu sagen, sehr obligiren.

Und sie würden mich verpflichten, versetzte der Major, wenn sie mir die Ursache sagten, warum sie solche zu sprechen verlangten.

Dieser Officier fand an Tyrsates nicht denjenigen den er vermeinte; Und eine so unhöfliche Antwort verdroß ihn dergestalt, daß er ihm wiederum|<230> wissen ließ: Er wolle sie aus Ursachen sprechen, die ein solcher als er nicht wissen solle; Und bereue er nichts als die Mühe, ihn deswegen gefragt zu haben.

Und sie werden ohne mich nicht die Erlaubnis haben sie zu sprechen, gab der Officier wieder darauf, oder es wird – –

Ob er hier gleich still schwieg, so sagte doch seine Mine was allzu Anzügliches, daß also Tyrsates ihm kurtz begegnete: So will ich mir denn die Erlaubnis von einem so brotzigen Kerl schaffen; Hiermit zog er vom Leder, und der andere säumte gleichfalls nicht, sich zur Gegenwehr zu stellen, daß sie also in ein scharffes Gefecht mit einander geriehten, und das Klingen der Degen nebst dem häufig herzu gelauffenen Volck ein solches Wesen machte, daß die Dame und das Fräulein aus ihren Fenstern zu sehen bewogen wurden.

Wie sie sich beyde müssen entsetzt haben, da sie Tyrsates und den Major in der hitzigsten Action mit einander erblickten, kan man leicht urtheilen: Im Hertzen nahm zwar die Anverwandtin des Majors, und das Fräulein Tyrsates Partie; Allein weil damit nichts ausgerichtet, und sie beyde vor rahtsam erachteten, sie geschwind aus einander zu bringen, so ersuchten sie ein paar gute Freunde, die eben bey ihnen waren, inständig darum.|<231>

Da diese hinaus kamen, hatten sich auch schon andere Officier, die da sich aufhielten, um sie versammlet, und nicht allein halb mit Gewalt Friede gemacht, sondern erkundigten sich nun auch um die Ursach ihres Streits.

Keiner konte die recht sagen, doch so viel als sie urtheilten, massen sie dem Major das meiste Unrecht bey, und redeten nunmehro zu einem gütlichen Vergleich.

Der Major hatte durch eine kleine Wunde in den Arm mehr Hochachtung als zuvor gegen Tyrsates bekommen; Und da ihm einer von dem Fräulein und der Anverwandten heraus geschickten guten Freunden ins Ohr sagte: Dieser Cavalier sey ein Anverwandter von Fräulein Asterien: So ümarmte er alsofort Tyrsates, bat um Vergebung seines begangenen Fehlers, und gieng darauf mit ihm in das Hauß des Frauenzimmers, warum sie sich eigentlich mit einander geschlagen.

In der Eyl und in der Angst war von der Anverwandtin und dem Fräulein bereits abgeredet worden, sie wolten Tyrsates vor ihren Anverwandten ausgeben; Und solches liessen sie ihm bey Eintritt des Zimmers durch einen guten Freund, der ihn zu erst empfieng, in geheim eröffnen.

Tyrsates war bestürtzt, seine Schöne so nahe und in dem Hause zu wissen, in welches ihn dieser Major geführt, dahero er folgends urtheilte, daß er wider seinen Neben-Buhler den Degen gezogen; Allein er faßte sich bald wiederum, und war ihm durch|<232> den guten Freund, vor einen Anverwandten allhier zu passiren, schon genug gesagt, sich gefällig gegen dem Officir aufzuführen.

Sie empfiengen demnach einander mit einer freyen Art, wie Anverwandten unter einander zu thun pflegen, und über der Tafel spielte Tyrsates seine Person so wohl, daß sein Neben-Buhler vollkommen betrogen ward; Weil ihn die Madame Stellania, die sonsten ein Unglück besorgt, selber in den Gedancken ließ, die man ihm Anfangs beygebracht.

Nach der Tafel wolte man die angestellte Lustbarkeit vollkommen machen, und zu dem Obrist-Lieutenant, bey welchem der Bal angestellt, in Masquen gehen; Dahero ein jedwedes sich propre zu verkleiden angelegen seyn ließ.

Einige verwechselten nur den Habit mit einander, und nahmen damit eine Masque vors Gesicht, weil sie in der Eil keine andere Masquen-Kleider kriegen konten; Und da Tyrsates, wie vor gesagt, an diesem Tage einen sehr netten Habit angelegt, und der Major die Vertraulichkeit an statt des vorigen Versehens desto vollkommener machen wolte: So bat er ihn verpflichtet, ihm seine Kleidung zu leihen, und davor die seinige anzuziehen, mit der Versicherung daß da sie in einer Leibes Positur, der Obrist-Lieutenant sie beyde am wenigsten kennen werde.

Tyrsates nahm es mit gleicher Höfligkeit an; Und darauf machte man sich bis an den Morgen mit|<233> Tantzen und allerhand Ergetzlichkeiten überaus lustig; Dabey denn Tyrsates unter der Masque eines Anverwandten mit seinem Fräulein so offen reden konte, als er wolte, sonder dem Major eine Eyfersucht zu erwecken.

Er beklagte sich wegen der ausgestandenen Unruh, und des Unrechts, so ihm ihre Anverwandten durch den Vorzug dieses Officiers zufügen wollen; Verpflichtete sich aber anbey höchstens, vor eine so schöne Probe ihrer edlen Beständigkeit, und bat darinnen fortzufahren, mit der Versicherung, er werde es lebenslang mit einer vollkommenen Gegen-Liebe und Ergebenheit erkennen.

Sie hingegen eröffnete ihm die Sorgen, die sie bey solchen Anfällen ausgestanden, und bezeichnete in allen ihren Reden und Wesen eine so grosse Zärtlichkeit, die Tyrsates alles zu überreden vermögend war, was er von einer so schönen und geliebten Person wünschte.

Sie erzehlten einander alle Begebenheiten umständlich, und berahtschlagten sich, wie sie mit Manier von ihrer Anverwandtin und aus Ravenna kommen möchten; Alsdenn fuhr man in den Lustbarkeiten fort, bis, wie gesagt, der Tag anbrach.|<234>

Man führte hierauf das Frauenzimmer nach Hause, und der Major bat Tyrsates, um solchen zu einen Ja-Wort zur Verbindung mit Asterien desto mehr zu verpflichten, auf ein Frühstück zu sich; Allein um sich desto bessern Appetit dazu zu machen, nöhtigte er ihn mit höflicher Art zu einem Spatziergang.

Tyrsates schlug es nicht aus; Und sie giengen an dem Ufer des Meeres in unterschiedlichen Discoursen, darinnen ihm der Major die Liebe zu Asterien bekennete, unvermerckt so weit, bis sie an den Ort kamen, wo der Caper dem vorigen Tag Tyrsates ans Land gesetzt.

Inzwischen ersah der Major ein Schiff nahe an den Strand, und in der Meynung, wie es einem Schiffer in Ravenna gehöre, regte sich eine Begierde in ihm, sich auf selbigem der angenehmen Morgen-Luft und des Plaisirs des Meeres zu bedienen; Dahero lud er unsern Tyrsates zu diesen Zeit-Vertreib ein, und sonder die Antwort zu erwarten, sprang er vor Freuden in solches, in den Gedancken, Tyrsates folge ihm.

Allein diesen hinderte der Anblick der Boots-Gesellen und des Frantzösischen Lieutenants, welche alsofort zum Vorschein kamen, sich von neuen in die Gefahr zu geben; Deswegen blieb er zurück, und erwartete mit Ungedult von ferne, was sich hier ereignen würde.

Diese See-Räuber erkannten den Habit, welchen der Cavalier dem vorigen Tag getragen, und|<235> sonder die Züge des Gesichts genau zu untersuchen, hielten sie ihn vor denjenigen, welchen sie suchten, und machten sich vom Bord in die See.

Der Major erkannte die Gefahr, und verstund so viel aus den Reden des Frantzosen, daß sie ihn an Tyrsates Stelle genommen: Dahero schrye er, man solte den rechten, und nicht ihn nehmen; Allein dessen ungeachtet führten sie ihn zu dem grossen Schiff des Capitains, und mochten ihn entweder nicht recht kennen, oder gedencken, daß sie durch diesen eine neue Rantzion zu gewinnen verhofften.

Er verzweifelte fast über einen solchen Streich, und griff nach dem Degen, um sich zu wehren; Allein einige nöhtigten ihn bald mit blossen Säbeln, der Menge zu weichen, und sich an die Ruder-Banck schmieden zu lassen.

Tyrsates sahe von ferne alles mit höchster Verwunderung an, und wuste selber nicht, wie ihm geschehen. Er hielt es aber vor ein ihm noch glückliches Verhängnis, und schätzte sich am wenigsten verbunden, sich in die Stelle seines Neben-Buhlers zu liefern; Welches, wenn er es auch gleich thun wollen, nichts würde gefruchtet haben, indem sie die Caper sonder Zweifel alle Beyde mit genommen, und er lange genug in ihrer Dienstbarkeit würde geblieben seyn, ehe er sein Löse-Geld erlegen können.

Er blieb so lang gleichsam voller Gedancken stehen, bis ihm der Caper aus dem Gesicht geseegelt;|<236> Und darauf begab er sich wieder nach seiner Schönen Hauß.

Asterie lag noch in Federn und ihre Anverwandtin ruhte gleichfalls; Allein die freudige Post, die er ihr zu hinterbringen gedachte, bewegte ihn zu der Freyheit, Sie durch ihr Mädgen aufwecken zu lassen.

Asterie hörte diese Begebenheit mit einiger Betrübnis vor den unglückseeligen Major an; Doch da sie es vor ein Verhängnis achten muste, in das er selber gelauffen; Und sie sich ausser dem noch viele Verdrüßlichkeiten von ihrem Anverwandten hätte prophezeyen müssen: So überwog die Liebe zu Tyrsates jene Empfindung dergestalt, daß endlich ein rechtes Vergnügen daraus entstund, und sie ihrem Geliebten nicht zärtlich genug zu begegnen wuste, da er ihr schmeichlete: Wie der Himmel ihr Bündnis durchaus nicht wolle getrennet haben, nachdem er auf so nie vermuhtete Manier den Feind ihrer Ruhe aus dem Wege geräumet.

Wie nun die Anverwandtin sich aus den Federn gemacht, bezeugte Asterie ihr Verlangen, wieder in Venedig zu werden, und bat dieselbe, entweder ihr angenehme Reise-Gefertin wieder zu seyn, oder nicht übel zu nehmen, wenn sie mit Mons. Tyrsates sich allein zu Schiff begäbe.

Die Anverwandtin verwunderte sich über solchen Antrag, noch mehr aber da ihr Tyrsates aufrichtig entdeckte, wie es mit dem Major zugegangen.|<237> Gleichwohl war sie noch so klug, ihre innerste Regungen deswegen zu verbergen; Und weil sie noch immer hoffte, der Major werde vielleicht noch wieder kommen, suchte sie die Reise noch etliche Tage aufzuschieben.

Tyrsates besorgte inzwischen, von denen andern Officiren, die ihr mit dem Major spatzieren gesehen, vielen Uberlauff und Verdruß zu bekommen, wo er den andern gelassen; Und dürften sie sich wohl gar einbilden, er habe ihn unredlicher Weise ermordet, und ins Wasser geschmissen, und nur das übrige ausgesonnen.

Diese Gedancken vertrauete er seiner geliebten Asterien, und solche fanden dergestalt ihren Beyfall, daß sie nichts mehr wünschte, als aus Ravenna zu seyn, und Tyrsates ersuchte, heimliche Anstald zu machen, sie wolle ihm folgen, wie er es ordnen würde.

Tyrsates gab demnach bey Stellanien vor, einigen von den Officiren nach der Mahlzeit eine Visite zu geben, und gieng damit an den Strand auf und nieder, bis er einen Schiffer antraff, welcher sie vor gute Bezahlung den andern Morgen bey anbrechendem Tage, wo es diesem Abend nicht seyn könte, in Venedig zu liefern versprach.

Mit dieser angenehmen Post kam er wieder zu Asterien, und erfreute solche so sehr, als sie Stellanien durch eine freundliche und politische Aufführung betrogen, damit sie durch einen Argwohn ihren Anschlägen nicht vorbauen möchte.|<238>

Er gab aber selber gegen ihr vor, daß weil er morgen einige Geschäffte in Venedig zu verrichten, er sich ihrer Güte so lange empfehlen wolte, bis er das Glück hätte, sie in einigen Tagen nebst dem Fräulein Asterien darinnen zu sehen.

Dergleichen Antrag war Stellanien höchst beliebt, weil sie noch immer einige Hoffnung auf des Majors Zurückkunft hegte; Und aus Neugierigkeit getrieben, ob sie in der Gegend an dem Meer nicht ein Merckmahl eines Duells, worauf ihre Muhtmassungen gleichfalls giengen, sehen könte, bat sie Tyrsates, Asterien, und einen von ihren guten Freunden zu einem Spatziergang.

Tyrsates hatte hier keine Zeit mit Asterien viel allein zu reden, gab ihr aber durch Augen-Wincken so viel zu verstehen, als er vor nöhtig erachtete, und willigte nebst dem Fräulein alsobald in Stellaniens Verlangen.

Asterie merckte, was Tyrsates Absehn, und gieng demnach in ihre Kammer, um einige Kleinigkeiten noch zu sich zu stecken, hatte aber, wie das Frauenzimmer insgemein, nicht geringe Sorge, wie es ablauffen würde.

Man gieng hinaus, und Tyrsates führete Asterien, wie Stellanien ein Cavalier, der ihr Freund, und bey welchem sie logirt; Da sie nun an den Strand kamen, sah Tyrsates den Schiffer bereits|<239> auf ihr warten, zu welchem er mit der andern Erlaubnis gieng, um, wie er vorgab, zu sehen, ob er mit ihm handeln könne, daß er ihn morgen nach Venedig brächte.

Dadurch wurde Stellania noch mehr bewogen, ihm Glauben beyzumessen; Und ihre Begierde wegen des Majors zu stillen, spatzierte sie mit dem andern Cavalier im voraus dem Strand hinauf, und ließ Asterien auf Tyrsates warten.

Dieser redete inzwischen mit dem Schiffer, daß er sich fertig machte, den Augenblick abzuseegeln; Und wie es ihm so weit nach Wunsche geglückt, daß die andern ein paar tausend Schritte von ihnen entfernet waren, nahm er seine geliebte Asterie in die Arme und trug sie mehr, als sie gieng, auf das Schiff.

Zum Uberfluß gab er einem Menschen ein Stück Geld und die Ordre, denen andern nachzugehen, und ihnen zu sagen, wie sie sich auf dem Wasser ein wenig divertiren wolten: Damit wurde vom Lande gestossen, und diese beyde Verliebten seegelten nach Venedig zu.

Der Abend war nicht ferne, da sie ihren Entschluß ins Werck setzten; Und weil es also unmöglich in Venedig zu kommen, musten sie des Nachts auf dem Meer bleiben; Dabey der annehmlichsten Asterien und Tyrsates die Zeit nicht lang wurde, indem sie darzu diente, ihre Liebe noch schöner und auf ewig zu versiegeln.|<240>

Bey anbrechendem Morgen hatten sie Venedig in gantz angenehmen Wetter erreichet; Und alsdenn brachte Tyrsates seine Schöne nach ihrem Hause und die Liebe zu ihm war bey Asterien vermögend genug, ihr allen Kummer auszureden, den sie sich wegen dem Unwillen ihrer Anverwandtin zu machen.

Den andern Tag kam Stellania schon nach, und gerade in Asteriens Hauß, weil sie in den Gedancken gestanden, Tyrsates habe sie gar anders wohin geführt.

Da sie nun solche antraf, gieng es gleichwohl an ein Klagen wegen der schlechten Hochachtung, die sie zu ihr trüge, indem sie auf solche Art heimlich von ihr weggefahren. Anbey unterließ sie nicht, ihre Liebe gegen Tyrsates zu verachten, und ihr deutlicher als jemahls diesen Cavalier verhaßt zu machen.

Asterie machte allerhand Entschuldigungen: Und weil ihr Stellania, die ihres Vaters Schwester, endlich zu frey war, gab sie solcher auch teutsch zu verstehen: Wie sie ihre Anverwandten so sehr ehre, als sie Freyheit besäß, nach ihrer eigenen Wahl sich zu verheyrahten, und von keinem, es möchte seyn, wer es wolle, einen Zwang hierinnen zu leiden.

Die Unterredung würde vielleicht noch verdrüßlicher gewesen seyn, wenn solche Tyrsates Visite nicht verstöhret: Denn da muste Stellania sich ver-|<241>stellen, und ihm eine solche Höflichkeit erzeigen, mit welcher er ihr begegnete; Und alles, was sie Asterien allein, wegen der heimlichen Abfahrt, vor übel ausgedeutet, wurde in Tyrsates Gegenwart vor einen Schertz ausgelegt.

Asterie hatte nun zwar keine Eltern mehr, durch deren Mißfallen ihre Heyraht mit Tyrsates konte hintertrieben werden; Es war aber ihr Groß-Vater noch im Leben, von welchem sie eine sehr wichtige Erbschaft zu hoffen; Und zu diesem begab sich Stellania mehr aus Verdruß, daß ihr Absehen mit dem Major fehl geschlagen, als daß sie was rechtschaffen wider Tyrsates einzuwenden, und schwärtzte diesen Cavalier daselbst mit tausend Lastern an, davon ihm wohl niemahls geträumet.

Asterie fuhr nach ihrer Gewohnheit den andern Tag gleichfalls hin; Und so sehr sie dieser Alte sonst geliebet, so sehr fand sie sein Hertz von ihr abgewandt, da er ihr vorwarff, wie sie ohne seinem Consens sich mit einem Cavalier versprochen, der unter vielen andern Untugenden durch eines andern Ermordung sich den Weg zu einer Heyraht bahnen wollen.

Asterie merckte, wer sie so fälschlich angegeben, und entschuldigte sich nicht allein auf das beste, sondern, um des Alten Gunst erst völlig wieder zu gewinnen, schmeichelte sie ihm mit allem dem, was er verlangte, und versicherte, daß nicht nur noch kein würckliches Versprechen unter ihnen vorgangen, sondern sie auch|<242> ohne seinen Consens nimmermehr heyrahten wolle.

Damit war der Alte vollkommen wieder ausgesöhnet: Er bezeugte seine Liebe gegen Asterien mit vielen Worten und vornehmlich mit der Vertröstung, nach seinem Tode die eintzige Erbin aller seiner Güter zu bleiben.

Asterie eröffnete ihrem geliebten Tyrsates alles aufrichtig, und ehe er sich beklagen konte, gab sie ihm den Trost: Daß sie ihn nicht allein ewig lieben werde, sondern hoffe auch des Alten Gemüht nach und nach zu ihrem Vergnügen zu gewinnen, wozu er durch seine geschickte Aufführung das Seinige werde beytragen, und die Verleumdungen Stellaniens zu nichte machen helfen.

Tyrsates umarmte sie recht zärtlich davor, und ihre Liebe und die Bestätigung derselben war alle Augenblicke so schön und neu, als ob sie alle Augenblick erst angefangen. Im übrigen musten sie die Zeit zu ihrem Glück rahten lassen, und waren vergnügt genug, da ihnen fast eine tägliche Conversation nicht gehindert wurde.

Wie er dergestalt ruhig wider nach Hause kam, fand er einen Brief von Selandern, welchen er aus hertzlicher Freundschaft küßte, und nach Eröffnung folgenden Innhalt erblickte:|<243>



Allerliebster Freund.

MEin Verhängnis hat mich auf sonderbahre Manier durch unterschiedliche Oerter nach Leipzig geführt, wo die schöne Stadt, das galante und kluge Frauenzimmer, und die geschickte Conversation einiger Musen daselbst meinen aus Venedig überall mitgenommenen Verdruß, wo nicht gäntzlich doch einigermassen zu lindern fähig sind. In Salaugusta bin ich nicht gewesen, habe aber wohl so viel erfahren, daß Castrato endlich geheyrahtet, und aus Unbedachtsamkeit eine Frau gewehlet, deren feuriger und sein kalter Humeur sich nicht zusammen schicken, daher sie wollen von ihm geschieden seyn; Und da dieses nicht angangen, nimmt sie sich nunmehro die Freyheit, ihn nach ihrem Belieben zu krönen. Fräulein Fulvien hat aber das Glück nicht einmahl werden wollen, einen höltzernen Mann zu bekommen, und dadurch ist ihre Lebens-Art so gemein worden, daß sie erstl. Cavalieren, hernach geringern Hof-Bedienten, und endlich gar niemanden mehr als dem Zuchtmeister in Elbipolis gefallen können, der sich von ihren An-|<244>verwandten bereden lassen, ihr auf lebenslang Quartier zu gönnen. Mit der vordem überflüssig berühmten Keuschheit Causabona hingegen passiren sehr saubere Historien, und der man sonsten als einer neuen keuschen Diana fast Tempel bauen, und eine Abgötterey unter den Menschen ihrer Tugend wegen anrichten wollen, die ist nunmehro wegen des Ruhms, die größte H - - - zu seyn, dergestalt eyfersüchtig, daß, wo auf der Welt eine grössere als sie zu finden, sie solcher die Augen auskratzen würde, wenn sie auch hundert Meilen darnach reisen solte. Mein liebster Freund wird nun auch von meiner alten Amour, Fräulein Inconstantien was wissen wollen? Die Gesetze der Freundschaft befehlen mir etwas, das, weil es mit schwerem Hertzen geschiehet, ich ausser dem gern überhoben: Dieses Fräulein, welches anfangs mehr als meine Seele geliebet, hat bey dem Verlust ihrer Tugend und ihres Glückes auf der Welt, auch den Himmel verliehren wollen, und suchet nach Verschwerung der Religion, die Ruhe des Gemühts in dem Kloster, wo ihr die verkaufte Freyheit und das Gewissen tägliche Foltern gewehret. Ich trage ein geqvältes Mitleiden mit ihr, und|<245> wenn anbey an Venedig gedencke, so hege das gröste mit mir selber, daß mein Verhängnis im Lieben allezeit grausam. Ich wolte wohl fragen, was eine Person bey ihnen mache; Allein mein Gemüht begnüget sich mit dem Wunsche, daß es ihr der Himmel möge wohl ergehen lassen, und verlanget weiter nichts zu hören. Nur nach diesem eintzigen sehne mich noch, ehe eine fest gestellte Reise nach Britannien antrete, Sie, wehrtester Tyrsates, noch einmahl zu sprechen. Ist Ihr Verlangen dem meinigen gleich, so werde einen Ort, ausser Venedig mir zu unserer Zusammenkunfft gefallen lassen, welchen Sie mir zu nennen belieben, und verharre in Erwartung Dero angenehmen Antwort

Ihr

Gantz ergebener  
Selander.



Die Freude über die erhaltene Nachricht von Selandern und die Hoffnung, ihn bald wieder zu sehen, war nach der Grösse der Freundschaft bey Tyrsates eingerichtet.|<246>

Er setzte sich demnach dem Augenblick nieder und verfertigte eine Antwort, darinnen er auf den Teutschen Gräntzen einen Ort benennte, wo er ihre Zusammenkunft am beqvemsten urtheilte.

Immittelst sah er aus Selanders Schreiben, wie die Liebe zu Arismenien noch viel bey ihm würcke; Und weil er sein Vergnügen bey Asterien in kurtzen vollkommen zu machen vermeinte, wünschte er sich nur so vermögend auch seines Liebsten Freundes Zufriedenheit zu befördern.

Wiewohl er nun hierzu wenige Hoffnung hatte, wolte er dennoch Arismenien den Brief von Selandern zeigen, und sehen, wie viel von der vorigem Zärtlichkeit bey ihr noch übrig; Dahero ließ er sich anmelden.

Doch seine Verwunderung war nicht gering, da er vernehmen muste, wie sie nicht mehr in Venedig, sondern von allen guten Freunden Abschied genommen, und gäntzlich da weggezogen.

Tyrsates hatte sich gleichfals unter ihre gute Freunde gerechnet, und befremdete ihn also, daß er nichts davon, noch weniger von der Ursach ihrer Entfernung wisse: Weil nun Asterie in einer Bekandtschaft mit ihr gelebt, und Frauenzimmer von einander zu weilen eher, als Manns-Personen was erfahren, hoffte er da sein Verlangen zu befriedigen.

Dieser Schönen war zwar selber nichts davon bekandt; Sie erkundigte sich aber bey einer vertrauten|<247> Freundin von Arismenien, und erhielt so viel Nachricht: Daß Arismenia mit dem obengedachten Obristen, zwischen welchen und ihr die Leute eine Liebe geurtheilet, von Jugend auf auferzogen worden, da sich denn in dem stetigem Umgang eine solche Freundschaft unter ihnen entzündet, daß sie hernach einander allezeit gern leiden mögen. In der süssesten, und, wie die vertraute Freundin versichert, honnetsten Eintracht wären sie einmahl veranlasset worden, daß, ob sie einander gleich nicht heyrahten würden, worzu sich der Obrist aus geheimer Ursachen unvermögend befunden, sie einander dennoch eine ewige Freundschaft schencken wolten, und solches hätten sie mit dem theursten Eyd bekräftiget. Solche Freundschaft habe nun bis auf die Bekandtschaft Selanders gedauret, und die eintzige Raison, warum Arismenia in keine Heyraht mit diesem ihr sonst höchstangenehmen Cavalier willigen wollen, sey gewesen, ihn und sich nicht durch eine immerwehrende Eyfersucht zu kräncken, nachdem ihm einmahl ein Verdacht wegen der Conversation mit diesem Officier beygebracht worden. Sie habe dahero die höchste Marter ausgestanden, nachdem sie nach ihrem Gemüht|<248> vor unmöglich gesehen, ihm die Umstände dieser Sache zu vertrauen und vielleicht keinen Glauben zu finden, deswegen sie lieber allein als mit einem so edlen Cavalier unglücklich seyn wollen. Nachdem aber der Obrist in Venedig kommen, und von seinen Bekandten mehr als von Arismenien selber erfahren, in welcher Bekandtschaft sie mit Selandern gelebet, und wie seinetwegen eine Heyraht zurück gangen, habe ihn, als einen Tugendhaften Cavalier nicht wenig gerühret, daß er die Hinderung an einem so edlen als vergnügten Stand seyn solle, da er sie selber niemahls in solchen setzen könne. Dieser aufrichtige Schmertzen und die Vorstellung, Arismenia werde an ihrem Renomme, dadurch gekräncket werden, habe ihn bewogen, ihr die Tugend seiner Freundschaft auf eine besondere Art zu bezeugen; Daher er sie so lange ersucht, bis sie ihm theuer versprochen, eine Bitte nicht abzuschlagen. Worauf er sie des Eydes der Beständigkeit ihrer Freundschaft erlassen, und ein gleiches gefodert: Und da sie damit zufrieden gewesen, ihr ein ewiges Adjeu gesagt, sey damit zu Felde gangen, und in einer scharffen Action erschossen worden. Die Betrübnis über|<249> eines so guten Freundes Tod, und die Trennung zwischen ihr und Selandern, wären bey ihr sattsame Bewegungs Gründe gewesen, Ihre übrige Lebens-Zeit der Einsamkeit zu widmen; Von welchem Entschluß sie niemand abbringen können, und sie ihre besten Freunde mit der Versicherung hinterlassen: Wo sie einen beqvemen Platz auf dem Lande zu ihrer beständigen Wohnung angetroffen, davon schriftliche Nachricht zu geben; Wisse also noch niemand, wo ihr Auffenthalt.

Uber dieser Erzehlung blieb Tyrsates eine gute Weile in Gedancken, und wuste endlich nichts anders zu sagen, als daß er dieser beyder Verliebten Unglück beklage. Trug aber anbey Bedencken, ob er Selandern was davon eröffnen wolle, weil es vielleicht hernach zu seiner grössern Marter dienen dörfte, wenn er Arismenien nirgends wo antreffen könne.

Inzwischen arbeitete er an seinen eigenen Vergnügen, und Asterie bemühte sich auf alle ersinnliche Weise, den alten Groß-Vater zu einem Ja-Wort zu bewegen; Allein Stellaniens erzürntes Gemüht auf Tyrsates, wegen der Sache mit dem Major, hintertrieb es dergestalt, daß es eine Unmöglichkeit schien, bey Lebzeiten des Alten zu ihrem gewünschten Entzweck zu gelangen.

Weil er nun aller Muhtmassung nach nicht lange mehr in dieser Welt seyn konte, verband die Liebe|<250> dieses galante Paar in geheim, und traute sie durch die Hand eines verschwiegenen Priesters, bis ihre Angelegenheiten es verstatten würden, ihren bißhero geführten Ehestand der Welt bekandt zu machen.

Hierauf nahte die Zeit heran, in welcher Tyrsates seinen wehrten Freund an einem gewissen Ort beschieden; Daher begab er sich dahin.

Unterweges begegnete ihm ein Officier, der dem Ansehen nach was zu bedeuten, und führte Calpurnien als seine Gemahlin mit ins Feld. Die Gelegenheit gab es, daß sie Tyrsates sprechen konte, und also wünschte er ihr vielmahls Glück, und hatte bey sich allerhand lustige Gedancken.

Er setzte damit seine Reise fort, und da er, weil ihm die Wege nicht recht bekandt, sich in einem Dorf verspätet, und allda ein Nacht-Quartier suchen muste, sahe er in dem Wirthshause noch eine weit artigere Begebenheit: Mademoiselle Caelia lag da im Wochen, und Monsieur Cyprianus war eben mit ihr vor dem Bett getrauet worden, daß, da der Priester heraus trat, Tyrsates hinein gieng.

Die Gratulations-Complimenten wurden demnach in höchster Solennität abgelegt, und die Herren Bauren, als die Hochzeit Gäste, machten sich trefflich lustig. Allein, sonder Schertz so war es keine unebene Parthey vor Caelien, indem ihr Liebster Cammer-Juncker an dem Modenischen Hofe worden, und schon etliche Karrossen unterweges waren, sie nach ausgehaltenem Kind-Bette abzuholen.

Bey so schönen Abendtheuren wurde der Weg mit wenigern Verdruß, daß er ihn vorher verfehlet,|<251> fortgesetzet, und der bestimmte Ort endlich erreichet, wo Tyrsates in dem benennten Gast Hof zwar nicht Selandern, aber seinen Diener fand, welcher ihn berichtet, daß sein Herr eine Stunde von hier auf das Land geritten, und Morgen wieder hier seyn werde.

So lieb als ihm eines solchen unvergleichlichen Freundes Gegenwart, so befremdete es ihn, daß er auf das Land geritten, indem er sich unmöglich einbilden konte, daß er da was bekandtes haben werde.

In so ungewissen Gedancken blieb er bis dem andern Mittag, da Selander wieder kam, und es unter ihnen an das angenehmste Umarmen gieng. Nach vielen gewechselten Reden sagte Selander: Ach warum haben sie mich hieher, als in eine so fatale Gegend beschieden?

Tyrsates wuste diese Frage nicht aufzulösen, und ehe er antwortete, fuhr Selander fort: Doch ich will reisen, und mein Unglück soll mich nicht abhalten.

Anbey schien er nicht wenig verwirrt; Dessen Ursach aber Tyrsates nicht unangenehm war, als er solche von Selandern also erfuhr:

Ein paar Stunden von dem Ort, wohin sie mich beschieden, seh ich ein Frauenzimmer in einer Wiesen spatzieren gehen, welche mir von einer so bekandten Statur und Kleidung vorkam, daß mich aus Neugierigkeit näherte. Ich stutzte aber unbeschreiblich, als Arismenia sich umwendete, um zu|<252> erfahren, wer auf sie zu reite; Sie sang mit einem lauten Geschrey auf das Grüne, und ich schien vor gewissen Empfindungen, die ich nicht beschreiben kan, auf meinem Pferde geschmiedet, so unbeweglich blieb ich sitzen, bis Arismenia sich ermunterte, und mir aus meinen Augen kam.

Als in einem tieffen Schlaf bin ich hieher geritten, so sehr beschäftigten mich tausenderley Gedancken, bis endlich die Liebe über alle Uberlegungen so weit siegte, daß ich tausendmahl bereuete, sie nicht noch einmahl gesprochen zu haben. Ich plagte mich deswegen die gantze Nacht, und bey einer Person mich in übeln Credit zu setzen, der ich zum wenigsten eine höflichere Ergebenheit zeigen sollen, ließ mir so wenig Ruhe, daß mich den andern Tag wieder in die Gegend begab, wo eine so fatale Begegnung geschehen. Hier war aber keine Arismenia mehr zu finden, und meine ungedultige Sehnsucht nach einer Person, welche mir das Glück freywillig in die Arm liefern wollen, hoffte in einem nah gelegenen Ort zu befriedigen. Die Leute wusten mir keine andere Nachricht zu geben, als daß ein Adliches Gut allhier gelegen, auf welches eine Dame vor weniger|<253> Zeit gezogen, und müste ich mich da selber erkundigen, ob es die rechte wäre, oder nicht. Weil nun meinen Diener nicht bey mir hatte, so meldete mich selber an, und Arismeniens Bediente, die mich alsofort erkannten, schienen so erfreuet über meine Ankunft, daß sie mich nach dem Zimmer führten, sonder ihrer Frauen was davon zu sagen. Aus ihren Reden verstund ich so viel, daß meine Gegenwart Arismenien zu einer Linderung ihrer Betrübnis dienen würde, in welcher sie Zeithero nicht so sehr, als diese Nacht zu ersterben schien. Der erste Anblick dieser sonst angebeteten Person war mir fast tödtlich, indem sie auf einem Ruh-Bette lag, und so abgegrämt aussahe, daß die mir Liebenswürdigste und annehmlichste Dame kaum erkennen konte. O Himmel mein Selander! fieng sie überlaut an zu seufzen, und schien damit gantz ausser sich selber. Ich eilte auf sie zu, ich küßte ihre Hand, und redete so viel, als ich selber nicht mehr weiß. Ja, ich habe sie gesprochen, ich habe vor Ihr geseufzet, Sie hat vor mir geweinet, aber keines von beyden unterstund sich, den andern nach der Beschaffenheit des Zustandes oder der vorigen Liebe zu fragen. Ich kan nicht begreif-|<254>fen, wie so viele Stunden vorbey gestrichen, da wir mehrentheils einander als träumend angesehen! Zuweilen schiene sie mir viel zu sagen; Wenn ich aber mein Unglück in der Liebe beklagte, schwieg sie still, und ihre Thränen musten mir erklären, daß ich Ursache mich zu beklagen, und sie Anlaß sich zu qvälen habe. Endlich faßte mich so weit, daß, weil doch eine Unmöglichkeit verspührte, mein Vergnügen in einem andern Stande mit ihr zu finden, ich ihr unter Versprechung einer ewigen Freundschaft das Adjeu sagte. Sie versicherte mich, wie wohl mit ungemeinem Schmertzen ein gleiches unaufhörliches Andencken, und fragte nur noch, wo denn meine Reise itzo hingehen sollen, daß ich sie zu ihrem Unglück wieder antreffen müssen? Ich berichtete, wie ich nach Engelland zu gehen, und mich so weit von ihr zu entfernen gesonnen, daß wir einander nicht mehr kräncken wolten. Sie reisen denn wohl, waren ihre letzte Worte, denn darauf drang eine solche Wehmuht aus ihrem Hertzen und Augen, die sie weiter zu sprechen hinderte, und ich auszustehen incapabel war. Ich bin von ihr gegangen, als ein Mensch, dem der Verstand benommen; Und nun reise ich, aber|<255> mit tausend neuen Martern nach Engeland.

Tyrsates war über diese Anhörung recht zärtlich worden; Er umarmte dennoch Selandern, und fieng an: Ach wie lieb ist mir, daß sie wegen Arismenien so betrübt sind.

Hierauf ließ er ihn wegen seiner duncklen Worte nicht lange in Zweifel, sondern erzehlte, was er durch Asterien von einer vertrauten Freundin Arismeniens vernommen; Und damit überzeugte er ihn nicht allein dieser Schönen ihrer Treue und ihres vollkommen edlen Gemühts, sondern wie er sah, daß dieses Licht ihn von vielen bißhero verborgen gewesenen Sachen und allem Argwohn befreyet, so nöhtigte er ihn, sich zu Pferde zu setzen, und wieder mit ihm nach Arismeniens Schlosse zukehren.

Es geschah; Sie ritten dahin; Tyrsates meldete sich erstlich allein an; Und durch seine Klugheit richtete er so viel aus, daß Arismenia, die sich schon halb in ihren Schmertzen begraben, und die Welt und ihr Unglück in der Liebe in kurtzen zu verlassen vermeinet, nun wieder aufstehen konte, und Selandern die höchstangenehme Erlaubnis verstattete, zu ihr zu kommen.

Er warf sich zu ihren Füssen, und bat wegen alles, dadurch er unwissend wider sie gesündiget, um Vergebung. Sie entschuldigte ihn aber und sich selber auf das Liebreichste, und nicht so wohl diese beyde|<256> Verliebten, als Tyrsates brachte es so weit, daß in kurtzen der Priester geholet wurde, der ihre eheliche Treue und Liebe mit einem himmlischen Band befestigte.

Dergestalt reisete Selander durch eine so rare als Wunder-süsse Liebe in das schöne Enge-Land, und fand in dem angenehmen und geruhigen Land-Leben ein irdisches Paradies, und in Gesellschaft eines so annehmlich als tugendhaften Engels, alles, was die Conversation der galanten und edlen Welt schönes geben kan. Und sein eintziges Mißvergnügen, so ihm ehmals da begegnete, war, die Trennung zwischen ihnen und Tyrsates, und von dem allerliebsten Freunde ein zärtliches

Adjeu.

Ende.

 

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