Anton Ulrich, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg

*4 Oct. 1633 Hitzacker an der Elbe, †27 Mar. 1714 Salzdahlum near Wolfenbüttel, German duke and author of novels

 

 

Antonius Ulricus, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg, Hertzogs Augusti des jüngern Sohn, war zu Hizacker den 4. Oct. an. 1633. gebohren. Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg by Hyacinte Rigaud c. 1700, Museum, Braunschweig Sein Hofmeister, Friedrich von Kramm, und Informator, Justus Georgius Schottelius, unterrichteten ihn in allen Wissenschafften so fleißig und wohl, daß er einer der gelehrtesten Fürsten von gantz Europa worden. In seinem 10ten Jahr ward er zum Coadjutor des Stiffts Halberstadt erwehlet, bekam aber zu seiner Befriedigung durch den Münsterischen Frieden ein Canonicat davor, und hernach auch die Decanat-Stadthalterey zu Straßburg, unter denen evangelischen Canonicis daselbst, welche er aber Hertzog Friedrichen von Meckenburg überließ, und seinem Bruder Hertzog Ferdinand Albrechten ein Canonicat in diesem Stifft verschaffte, wiewohl die Frantzosen hernach alles eingezogen, und bey dem Ryßwicker Frieden von keiner Restitution hören wollen, unter dem eitlen Vorwand, daß es mit der Luthrischen Religion stritte, ein Canonicat zu haben, oder dergleichen Einkünffte zu geniessen. Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg by Balthasar PermoserAnno 1650. besuchte er die Universität zu Helmstädt, und verwaltete bey einer Theologischen Promotion das Pro-Cancellariat. Darauf reisete er in Ober-Deutschland, Holland, Franckreich und Italien, da er dann überall mit sonderbaren Ehr- und Freundschaffts-Bezeugungen aufgenommen wurde. Nach seiner Wiederkunfft vermählte er sich an. 1656. den 17. Aug. mit der ihm schon|<690> vor der Abreise verlobten Printzeßin Elisabeth Juliana, einer Tochter Hertzogs Friedrichs von Hollstein-Norburg. Sein Vater sog ihn gar zeitlich mit zu denen Staats-Berathschlagungen, und ließ bey seinem hohen Alter ihn öffters in Regierungs-Geschäfften seine Stelle vertreten. Nach des Vaters Absterben bekam er die Ämter Schöningen, Jerxheim, Voigtshalen und Calvörde, und hatte seinen Sitz zu Wolffenbüttel. Sobald aber sein ältester Bruder, Hertzog Rudolph August, die Regierung angetreten, erwehlte ihn derselbe zu seinem Stadthalter, da er denn bey damahligem zerrüttetem Zustande des Reichs bey Kriegs- und Friedens-Angelegenheiten allemahl heilsame Rathschläge ertheilet, bey der Exsecution wider die Cron Schweden in dem Hertzogthum Bremen, und bey der Belagerung von Stade viel Klugheit und Verstand blicken lassen, und dadurch diese verworrenen Händel glücklich endigen helffen. An. 1685. nahm ihn gedachter Hertzog Rudolph August in die gemeinschafftliche Regierung an, überließ ihm auch die Regiments-Geschäffte fast gantz allein, so, daß Anton Ulrich das meiste ohne des ältern Bruders Vorbewust und Willlen handelte, worauf eine Müntze mit der merckwürdigen Auffschrifft gepräget ward: DVLCe est fratres habItare In VnVM; bis endlich derselbe durch die an. 1702. enstandene Frantzösische Händel genöthiged ward, der Regierung mit mehrerm Ernst als vorhin, sich anzunehmen. Anno 1693. empfieng Anton Ulrich von Christiano V. in Dännemarck den Elephanten Orden. Anno 1702. hatte er nebst seinem Bruder, welcher gleichwie er gegen die neu-errichtete 9te Chur-Würde viel Wider-Willen bezeigt, durch die ungewöhnlich starcke, und zwar zum Theil mit Frantzösischem Geld unternommene Werbungen, auch auf andere Weise sich verdächtig gemacht, als ob er nicht allein wider gedachte 9te Chur die Frantzösische Garantie gesucht, und mit verschiedenen Deutschen Fürsten und der Cron Frankreich, zum Nachtheil dererjenigen Reichs-Stände, so sich in den Spanischen Succeßions-Krieg mengen würden, einen Neutralitäts-Tractat errichtet, sondern auch vorgehabt, wenn die Zellische Völcker dem Kayser zu Hülffe marschiret seyn würden, sich dieser Länder zu bemächtigen; weswegen dann die Höfe Zell und Hannover, weilen die gütlichen Vorstellungen nichts verfangen wollen, die Kayserlichen Befehle auch ohne Würckung geblieben, im Mart. an. 1702. ihre Völcker, welche Anton Ulrichen auf seiner Reise von Wolffenbüttel nach Braunschweig bey nahe gefangen bekommen, in das Wolffenbüttelische einrücken, die darinnen liegende Cavallerie aufheben, Peina und Goßlar besetzen, auch Braunschweig und Wolffenbüttel enge einschliessen liessen, worauf Hertzog Anton Ulrichen, der seinen Bruder gar von der Landes-Regierung zu verdringen soll gesucht haben, durch Kayserlichen Befehl sein Theil an der Regierung genommen, und Hertog Rudolpho Augusto, welcher gleichwohl solches anzunehmen sich weigerte, allein aufgetragen ward. Ob man nun gleich Wolffenbüttelischer Seits seine Aufführung zu rechtfertigen suchte, und den gütlichen Vergleich sehr schwer machte; so ward doch endlich im April zwischen Hannover und Zell, und zwischen Rudolpho Augusto, dem sein Brunder die wahrhafften Absichten der Kriegs-Rüstung nicht entdeckt gehabt, ein Tractat geschlossen, welchen Anton Ulrich, der sich indessen an den Go|<691>thaischen Hof begeben, Anfangs nicht eingehen wollen, hernach aber doch durch ein Schreiben an den Kayser genehm hielt, und unterzeichnete. Anno 1704. trat er nach seines Bruders Tode die Regierung derer Braunschweig-Wolffenbüttelischen Lande allein an, und brachte es an. 1706. so weit, daß die bisher in denen Braunschweigischen Häusern wegen des Seniorats und des daran hangenden Vorsitzes, auch Concurrentz bey Reichs-Deputationen obgeschwebte Mißhelligkeiten in der Güte verglichen, und ihm zu einiger Befriedigung wegen des Lauenburgischen Antheils das Amt Kampen nebst noch 3. Dörffern, von dem Amt Giffhorn abgetreten wurden. Anno 1710. nahm er, in der Absicht, als man meynet, eine vornehme geistliche Würde dereinst im Römischen Reiche zu erlangen, zu Bamberg die Catholische Religion an, zu der er sich schon eine Zeit vorher gantz in geheim bekennet, und den Pabst, welchem er davon Nachricht gegeben, selbst ersucht hatte, daß solches noch eine Weile verschwiegen bleiben möchte; doch ertheilte er seinen Unterthanen eine Religions-Versicherung, des Innhalts, daß er, ungeachtet der Religions-Änderung vor seine Person, weder in geistlichen noch weltlichen Dingen einige Neuerungen anfangen oder gestatten wolte, ob er gleich bald hernach denen Catholischen erlaubte, eine Kirche in Braunschweig aufzubauen. Er verlangte hiernechst von Pabst Clemente XI. die Erlaubniß, das Heil. Nachtmahl unter beyderley Gestalt zu geniessen, konte aber solches nicht erhalten, und starb endlich den 27. Mart. an. 1714. zu Saltzthal mit grosser Standhafftigkeit im 81. Jahre seines Alters, und ward darauf in aller Stille, selbst eigener Verordnung nach, zu Wolffenbüttel beygesetzt. Er war ein verständiger, freundlicher, leutseliger und sehr gelehrter Herr, der ein herrliches Gedächtniß, und in Sprachen, Wissenschafften, und in denen Geschichten, sonderl. in denen Deutschen, grosse Erfahrung besaß, wovon, gleichwie auch von seiner Stärcke in der deutschen Schreib-Art vornehmlich 2. von ihm verfertigte Romanen, die Aramena und die Römische Octavialink genannt, zeugen können, von welcher letztern an. 1712. die andere Auflage,link die er selbst vermehrt und anders eingerichtet hat, heraus gekommen, wiewohl der Schluß davon annoch im MS. zu Braunschweig verwahret wird. Nächst diesen hat er auch in der Deutschen Dicht-Kunst sich wohl geübet, verschiedene geistreiche Evangelische Lieder selbst verfertiget, auch ein geistliches Gesang-Buch unter dem Titel: Christ-Fürstl. Davids Harffen-Spiel in 8vo. zu Nürnberg 1667 zum Druck befördert. So war er auch ein grosser Freund und Beförderer derer Wissenschafften und Gelehrten, indem er die von Hertzog Augusto angelegte Bibliothec zu Wolffenbüttel nicht nur ansehnlich vermehrt, sondern auch an. 1687. eine Ritter-Academie daselbst angeordnet, die nachher aus gewissen Ursachen wieder eingegangen, und sonderlich das prächtige, schöne Hauß zu Saltzthal bey Wolffenbüttel erbauet. Obgedachte seine Gemahlin, Elisabath Christiana [korr. Elisabth Juliane], welche an. 1704. gestorben, hat ihm 13. Kinder gebohren, unter denen folgende 3. Söhne zu mercken, 1) Aug. Fridericus, ein Printz von grosser Hoffnung, so an. 1657. den 24. Aug. zur Welt gekommen, zu Straßburg studirt, Italien und Frankreich durchreiset, A. 1675. ein Kayserlich Regiment erhalten, sich in|<692> selbigem Jahre mit Sophie Dorotheen, Hertzog Georg Wilhelms zu Zell Tochter, und nachmahliger Gemahlin des Königs Georgii I. von Groß-Britannien, verlobt, das Jahr darauf aber in denen Aprochen vor Philippsburg durch einen Musqueten-Schuß tödlich verwundet worden, und wenig Tage hernach zu Speyer gestorben ist. 2) Augustus Wilhelmus, und 3) Ludovicus Rudolphus, von denen, wie auch übrigen Kindern Hertzogs Anton Ulrichs, unter dem Artickel Braunschweig gehandelt werden wird. Rethmeyer Braunschw. Chron. P.III. Rincks Leben Leopoldi. Lünigs Reichs-Cantzley T.V. Ejusd. R.A.P.Spec. Clementis XI. Orationes Consist. Ejusd. Epist. T.II. Europ. Fama T.I. Buqvoi la belle mort d'Antoine Ulric Duc de Brunsvic. Neumeister. de Poetis German. p.8. Müllers Chur-Sächß. Annal. p.424.539. Cairitzens neu angelegter Palm-Wald VII.4.§.10.&12 p.419.420.


Großes vollständiges Universal-Lexicon, 2 (Halle: J. H. Zedler, 1732), Sp.689-692.link
 
Painting: Potrait by Hyacinte Rigaud c. 1700, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
Sculpture Potrait by Balthasar Permoser, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig

 

Stephan Kraft,
Bibliography
 
Printed Works by Anton Ulrich

Poems

Christfürstliches Davids-Harpfen-Spiel (1667).

 
Plays

Frühlings-Ballet (1656).

Aufzug der Bauern und Bäuerinnen (1657). [Authorship disputed.]

Amelinde, Singspiel (1657).

Regier-Kunst-Schatten, Singspiel (1658).

Ballet des Tages (1659).

Andromeda, Singspiel (1659).

Orpheus, Singspiel (1659).

Ballet der Natur (1660).

Masquerade der Hercinie (1661).

Iphigenia, Singspiel (1661).

Des Trojanischen Paridis Urtheil, Singspiel (1662?) . [Authorship disputed.]

Jacobs Heyrath, Singspiel (1662). [Authorship disputed.]

Ballet der Gestirne (1663).

Ballet der Diana (1663).

Selimena, Singspiel (1663).

Daniel, Singspiel (1663).

Die verstörte Irmenseul, Schauspiel (ca. 1670).

 
Novels

Die durchleuchtige Syrerinn Aramena. 5 vols. (1669-1673).

Die Römische Octavia.
1st edition. 6 vols. (1677-1707).link
2nd edition. 7 vols. (1712-1714, 1762).link

 

Literature on Anton Ulrich
 
Cf. also the comprehensive bibliography on Anton Ulrich's Römische Octavia.link

Bender, Wolfgang: Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Biographie und Bibliographie zu seinem 250. Todestag. Philobiblon 8 (1964), pp. 166-187.

Bender, Wolfgang: Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg. In: Deutsche Dichter: Leben und Werk deutschsprachiger Autoren. Hg. von Gunter E. Grimm und Frank Rainer Max. Band 2. Stuttgart 1988, pp. 331-340.

Berns, Jörg Jochen: 'Princeps Poetarum et Poeta Principum' - Das Dichtertum Anton Ulrichs als Exempel absolutistischer Rollennorm und Rollenbrechung. In: Monarchus Poeta. Studien zum Leben und Werk Anton Ulrichs von Braunschweig-Lüneburg. Hg. von Jean-Marie Valentin. Amsterdam 1985 (= Chloe, Beihefte zum Daphnis, 4), pp. 3-29.

Herzog Anton Ulrich von Braunschweig. Leben und Regieren mit der Kunst. Zum 350. Geburtstag am 4. Oktober 1983. Katalog zur Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum vom 25. August - 30. Oktober 1983. Hg. von Rüdiger Klessmann. Braunschweig 1983.

Mazingue, Étienne: Anton Ulrich Duc de Braunschweig-Wolfenbuettel (1633-1714). Un Prince Romancier au XVIIéme Siècle. 2 Bände. Lille 1974. [Unter demselben Titel erneut veröffentlicht in Bern, Frankfurt/Main und Las Vegas 1978 (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 257/1-2).]

Monarchus Poeta. Studien zum Leben und Werk Anton Ulrichs von Braunschweig-Lüneburg. Hg. von Jean-Marie Valentin. Amsterdam 1985 (= Chloe, Beihefte zum Daphnis, 4).

Müller, Jörg Jochen: Fürstenerziehung im 17. Jahrhundert. Am Beispiel Herzog Anton Ulrichs von Braunschweig und Lüneburg. In: Stadt-Schule-Universität-Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert. Hg. von Albrecht Schöne. Vorlagen und Diskussionen eines Barock-Symposions der Deutschen Forschungsgemeinschaft. München 1976 (= Germanistische Symposien-Berichtsbände, 1), pp. 243-260.

Pleschinski, Hans: Der Holzvulkan. Bericht einer Biographie. Braunschweig 1995. [Die Erstausgabe erschien 1986 in Zürich.]

Schnath, Georg: Die Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674-1714. 3 Bde. Hildesheim 1938-1978.

Sonnenburg, Ferdinand: Herzog Anton Ulrich als Dichter. Berlin 1895.

Spahr, Blake Lee: Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg. In: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk. Hg. von Harald Steinhagen und Benno von Wiese. Berlin 1984, pp. 597-614.

© 6 Apr. 2004