Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen Pierre Marteaus Verlagshaus

Die klagende Kautebach
bey dem Grabe des seelig verstorbenen Herrn Adolph Böckings
(Frankfurt a. M.: J. L. Eichenbergs Wittwe, 1770)

 

link Text
link Anmerkung zur Kautenbacher Gewerkschaft und zu Adolph Böcking (H. Peter Brandt und Hans Eugen Bühler)
link Begleitwort zum Text der Trauerode (Olaf Simons)

 

 

H. Peter Brandt und Hans Eugen Bühler
Anmerkung zur Kautenbacher Gewerkschaft
und zu Adolph Böcking

 

Joh. Adolf Böcking war eine der markantesten Unternehmerpersönlichkeiten des 18. Jahrhunderts an der Mittelmosel. Er entstammte einem alten Hammerschmiedegeschlecht der mittleren Nahe, aus dem zahlreiche Kaufleute und lutherische Geistliche im Nahe-Hunsrück-Moselraum hervorgingen. Er hatte am 19.8.1695 im hintersponheimischen Moselort Winnigen das Licht der Welt erblickt; 1725 ehelichte er eine Frau aus (Bad) Ems und wurde schließlich zu einem höchst einflussreichen und wohlhabenden Kauf- und Handelsmann zu Trarbach. Hier bekleidete er zugleich - ebenso wie später sein Sohn und Enkel - das einträgliche (Ehren-) Amt eines hintersponheimischen Landkassierers, eine Funktion, die man in etwa mit der eines Steuerpächters vergleichen kann. Im Jahre 1746 finanzierte er für Joh. Nicolaus Stumm und Franz König den Erwerb der Enkircher Hütte, bevor er 1752 selbst mit der Erlangung vorgenannter Konzession in den Bergbau im Amt Trarbach und dem angrenzenden Kröver Reich einstieg.

Mit Erbbestandsbrief vom 20. August 1752 übernahm die Gewerkschaft des Adolph Böcking (1695 - 1770) aus Trarbach die im Amt Trarbach und im Kröver Reich liegenden Bergwerke für eine Zeit von 30 Jahren. Seiner Gewerkschaft gehörten mit an seine Söhne Johann Richard und Dr. med. Carl Böcking, ferner seine beiden Töchter Catharina Magdalena und Theresia, sowie eine Reihe von bekannten Mitgliedern der Familien Langer, Kaufleute und Bankiers zu Trarbach, Kroeber, Koch und Heusner.

 

Gewerken des Bergwerks Kautenbach (St. Dorothee) aus dem Jahre 1762

  Gewerke Stämme Kuxen
1 Sponheim. Gemeinsherrschaft 1 -
2
3
4
 
Cassierer Böcking (d.i. Joh. Adolf Böcking) [1695 - 1770]
Herr Doktor [med. Carl ]Böcking [1732 - 1762, Sohn von Nr.2]
Von Franz Jacob Langers sel Witwe erworben
5
1
1
Summe 7
0.5
2.75
 
Summe 3.25
5 Richard Böcking [1726 - 1773, Sohn von Nr.2] 3 -
6 Jacob Böcking [1734 - 1798, Sohn von Nr.2] 1 -
6 Mathias Ofermann [verh. mit Maria Jacobina Böcking, Tochter von Nr.2] 1  
7 Magdalena [Catharina] Böcking [Tochter von Nr.2] 1  
8 Theresia Böcking [ Tochter von Nr.2] 1  
9 Frau Langners Carl sel Erben 1 1
10 Frau Truchses Koch 1 1
11 Frau Secretarius Nartius 2 2
12 Frau Rentmeister Heusner 1 1
13 Christian Carl Koch 1 1
14 Elias Langer 1 0.5
15 Rath Heusner 3 3
15 Cammerrath Kroeber 2 2
17 Ludolph Senior [1691 - 1767]   0.25
18 Sämtliche Gewerkschaft 1 1

 

Von den insgesamt 32 Stämmen hält die Familie Böckung somit mehr als 14 Anteile, der Rest entfällt auf Trarbacher Kaufleute und auf Beamtenfamilien.

Einer der Söhne von Johann Adolph Böcking, Joh. Richard Böcking (1726-1773), war seit 1753 mit Christina Elisabeth Eleonore Hauth (1736-1785) (das "schöne Lorchen" gen.) verheiratet, welche eine Schwester des berühmten pfalz-zweibrückischen Baumeisters Christian Ludwig Hauth (1726-1806) war, der das stattliche Böcking´sche Haus in Trarbach errichtete, in dem sich heute das Mittelmoselmuseum befindet.

Die Hauptgrube, die an Böcking verliehen wurde, war das Bergwerk "Dorotheenberg", das inmitten des heutigen Ortes Kautenbach lag. Diese Grube war ein Kupfererzbergwerk mit geringen Anteilen an Blei-Zink-Erzen. Böcking ließ seine Erze auf der alten Schmelze in Allenbach verhütten, die fortan auch im Allenbacher Kirchenbuch bei Amtshandlungen der Schmelzer den Namen "Kautenbacher Schmelze" führte.

Adolph Böcking starb am 2. Januar 1770. Die Kautenbacher Gewerkschaft ließ anläßlich seines Todes einen Nachruf drucken, der in einem nicht erfaßten und nicht paginierten Aktenbestand im Mittelmosel-Museum lagert.

 

Olaf Simons
Begleitwort zum Text der Trauerode

Zwar findet die Beerdigung an einem Januartag in einem klimatisch wenig begünstigten Landstrich statt, doch klagen die Trauernden im Gedicht, das sie zu diesem Anlaß in Auftrag gaben, über die Hitze, der sie nun schutzlos ausgeliefert sind, nun da mit dem Verstorbenen die Ulme fiel, die ihnen so heilsamen Schatten gab.[1] Das Gedicht evoziert mit dem Anklang an den antiken Topos vom locus amoenus den Mittelmeerraum der griechischen und römischen Dichtung,[2] und führt ein zweites Mal in die Ferne und Vergangenheit mit der Schlußstrophe, in der dem Verstorbenen eine Cypresse zukommt - seit der Antike steht sie für Trauer und Beerdigungen.[3] Der Dahingeschiedene erreichte das stolze Alter von 75 Jahren. Im Begräbnisgedicht ist kein Raum für irgendeine Eigenwilligkeit, an die man sich erinnern wird, nichteinmal für die Angabe seines Alters. Es spricht von einem "Vater, der viel Kinder zehlet" und überraschend früh aus dem Leben schied. Seine Aufgabe wäre es gewesen, seine Nachkommen zu versorgen, mittellos scheinen sie dazustehen. "Drum weinen die Waysen im düsteren Grunde, und klagen mit Thränen, mit Hertzen und Munde." Die Söhne des Verstorbenen sind mittlerweile selbst gestandene Männer, die als Hauptaktionäre das lokale Berbau-Unternehmen, das der Verstorbene führte, längst übernommen haben. Entrückung des Verstorbenen und der Versuch, ein letztes Mal, doch nun dauerhaft, Nähe zu ihm herzustellen, bestimmen das Gedicht. Mit großen Lettern wird er in manchen Strophen veir und fünf Mal angesprochen, stets als "Du", was nicht für Intimität steht, sondern für die Entrückung in den Raum der christlichen Heiligen, antiken Gottheiten und ewigen Vorbilder. Man kann, um die Konventionalität der Fügungen zu demonstrieren, die Trauerode für Christiane Eberhardine, die Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen zitieren, die 1727 Johann Christoph Gottsched verfaßte und Johann Sebastian Bach (BWV 198) vertonte.

 
Dein Sachsen, dein bestürztes Meißen
Erstarrt bei deiner Königsgruft;
Das Auge tränt, die Zunge ruft:
Mein Schmerz kann unbeschreiblich heißen!
Hier klagt August und Prinz und Land,
Der Adel ächzt, der Bürger trauert,
Wie hat dich nicht das Volk bedauert,
Sobald es deinen Fall empfand!link
 

Der, respektive die, Tote wird in beiden Trauer-Oden eingangs von den am Grabe Versammelten mit Tränen bedacht - im Falle des Bergwerksführers von seinen Kindern, die synonym für die Belegschaft des Unternehmens stehen werden; bei der Landesfürstin flossen dem höheren Rang entsprechend die Tränen aller Stände. Die Fürstin tat sich in der Kunst hervor, sie wurde zum Vorbild aller Frauen und zur Pflegerin des Glaubens. Der Bergmann half, bescheidener, insbesondere den Mangel Leidenden. Beide hinterlassen sie eine schmerzliche Lücke, die uns jedoch im selben Punkt Hoffnung läßt - sie gewannen gerade mit dem, was uns nun fehlen wird, von Gott das ewige Leben. Das irdische Leben setzt der Verstorbene nun mit ganz anderer Berechtigung fort - ein Moment der Verklärung, das mit einer kunstvollen Metapher hergestellt wird: Die Frau, die zum Vorbild für Königinnen taugte, wird nun, da sie dem himmlischen Thron gegenübertritt, gekrönt von einem Glanz, der jeden Ornat entbehrlich macht. Weltliche Kronen und Schätze verdienen aus dieser Perspektive nur noch Spott.

 
Was Wunder ists? Du bist es wert,
Du Fürbild aller Königinnen!
Du mußtest allen Schmuck gewinnen,
Der deine Scheitel itzt verklärt.
Nun trägst du vor des Lammes Throne
Anstatt des Purpurs Eitelkeit
Ein perlenreines Unschuldskleid
Und spottest der verlaßnen Krone.link
 

Verhältnismäßig komplex - die Strophen des gesamten Gedichtes blieben eher monoton und in ihrer Ausführung rasch hergestellte Handwerkskunst - ist die Metapher der Verklärung, die auch hier im Zentrum der Ode steht, im Fall des Bergwerksführers gestaltet:

 
       Nun ist der Stollen Deiner Zeiten,
       Durchschlägig mit dem Gang gemacht.
       Nun ziehest Du die güldne Beuten,
       Die Dir der Berg-Fürst zugedacht.
Nun bist Du der irdischen Grube entgangen
Nun wirst Du in Zion mit Freuden empfangen.link
 

Für den Toten geht der Weg zwar augenscheinlich in die irdische Grube, doch taugt das Bild vom Stollendurchschlag im selben Moment für ein Gleichnis des Übertritts. Der Gang eines Stollens wird soweit vorgetrieben, daß es zu einem Durchschlag in ein benachbartes Bergwerk kommt. Mitten in der irrdischen Grube gelingt dem Bergmann der Weg von der einen in die andere Welt - die Verheißung "moriendo renascor" vom Anfang, im Sterben werde ich wiedergeboren, bewahrheitet sich hier. Statt des mythischen Bergfürsten, der in den Sagen den Bergmann belohnte, bietet nun Gott im Lande Zion dem Dahingeschiedenen eine "güldene Beute". Es bleibt unklar, wie der Dichter auf die handwerklichen Hintergründe der ausgewählten Metapher kam. Er wird sich vermutlich im regionalen Umfeld befunden haben, ein Beamter oder Pfarrer, der mit dergleichen Auftragsarbeiten ein Nebengeschäft machte.

Casuallyrik, bestellt zu Hochzeiten, Jubiläen, zu Geburtstagen hoher Würdenträger oder angesehener Persönlichkeiten und eben zu Trauerfällen hatte strenge Traditionen und einen festen Ort im Leben, auch wenn die Produktion sich seit Beginn des 18. Jahrhunderts unter zunehmendem Legitimationsdruck gegenüber der Poesie befand, die gegenwärtig zu anspruchsvoller Literatur avancierte. Den berufsmäßigen Dichtern blieb für die Ausarbeitung in aller Regel kaum Zeit. (im Falle Simon Dachs sind wir etwas näher über die Arbeitsweisen eines solchen Poeten informiert, er stellte bis zu mehrere Auftragsschriften pro Woche her, zuweilen mehrere an einem Tag.[4]) Die Zeit eilte insbesondere bei den Beerdigungsgedichten, die bis zur Beisetzung gedruckt sein mußten. Auffallen sollte das Gedicht zudem nicht durch einen sich inszenierenden Künstler, sondern dadurch, daß es alles barg, was ein solches Gedicht formvollendet bergen mußte, das vereinfachte die Produktion.

Für den Druck nutzte man im vorliegenden Fall die Dienste eines angesehenen Unternehmens in Frankfurt. Für die Verlage, die in der Regel noch immer gleichzeitig als Druckerei arbeiteten, lag in der Produktion von Auftragsgedichten ein wichtiges Zusatzgeschäft. Man trug hier kein verlegerisches Risiko. Die Zeilen wurden in Folio oder Quart gesetzt (das größere, teurere Folio-Format, kennzeichnete, wie im vorliegenden Fall, den finanziell besser situierten Besteller). Kupfervignetten kamen je nach Anspruch des Bestellers aus dem Vorrat an Druckstöcken hinzu. Die 100 bis 150 Exemplare, die normalerweise angefertigt wurden, gingen sofort in Arbeit. Der Auftraggeber zahlte direkt. In seltenen Fällen profilierte sich ein Poet, indem er auf eigenes Risiko ein Gedicht schrieb und auf Bezahlung bei den Geschmeichelten hoffte. In der Regel bezahlten die Trauernden, die wie im vorliegenden Fall mit dem Gedicht nicht zu letzt für sich selbst warben. Ihre Trauer stand als mustergültige im Raum, ihr Glaube manifestierte sich im Gedicht, im vorliegenden Fall gab das Unternehmen seine eigene geschäftliche Kontinuität mit der Bitte um den weiteren Segen für die Unternehmung kund:

 
       Laß Ew’ger deiner Güte Seegen
       Den Böckings Stamm noch fort erfreun;
       Tränck Ihn mit Deinem Gnaden-Regen,
       Zu vieler Menschen Wohlgedeyhn.
Ja schützend Vatter! Mit mächtigem Schutze
Dein Werckzeug der Güte, dem Feinde zum Trutze.link
 

Der Verlag, den zu Beginn des Jahres 1770 noch Johann Ludwig Eichenbergs Witwe führte, residierte mit der Druckerei und der Schriftgießerei im Amtshaus des Triererischen Hofes neben dem Gasthof "zum Wilden Mann" in der Vogelgesanggasse gegenüber der Lederhalle, die zu Meßzeiten Umschlag der Lederwarenanbieter war. Die Inhaberin heiratete selben Jahres den Waldeckschen Hofrat Johann Konrad Deinet, der in der Folge bis 1797 das Unternehmen führte. Die Frankfurter Gelehrten Anzeigen gehörten seit 1736 zur reputablen Produktion des Hauses. Goethe sollte 1773 seinen Götz von Berlechingen im selben Unternehmen in den Druck bringen. Unter Deinets Korrespondenz mit den Intellektuellen der Nation sollte sich das Journal des Hauses zu einem der interessantesten literarischen Blätter Deutschlands entwickeln. Lessing setzte sich hier mit dem Hamburger Hauptpastor Goetze auseinander. Das Begräbnis-Gedicht für den Unternehmer aus Trarbach zeugt davon, daß das Haus nebenbei über ganz solide Einnahmequellen verfügte.[5]

  1. Die Ulme wurde für ihr dauerhaftes und hartes Holz geschätzt, Weinstöcke, sollten, so hieß es, am besten an Ulmenholz emporwachsen. Im Gartenbau diente die Ulme bei der Gestaltung kunstvoller Anlagen, um "Spatziergänge, Laubhütten, Portale und Pyramiden anzulegen, indem sie sich gut unter der Scheere halten läßt." Zahlreiche medizinische Anwendung vor alem in der Wundbehandlung kamen hinzu. Cf. Zedlers Universal-Lexicon Bd. 32 (1742), Sp.1773-75, unter dem Stichwort "Rüster".

  2. Cf. zu dieser Tradition Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (Bern: A. Francke, 1948).

  3. Zedlers Universal-Lexicon vermerkt zur Cypresse, Bd. 6 (1733), Sp.1944-45: "Einige halten davor, daß das Creutz Christi von diesem Holtz gemacht gewesen. Wenn bei denen Römern ein Reicher gestorben war, so steckte man einen Cypressen-Baum an die Hauß-Thüre, daher man sehen konte, daß eine Leiche darinnen war."

  4. Hierzu wie generell zur Produktion von Casuallyrik cf. Wulf Segebrecht, Das Gelegenheitsgedicht. Ein Beitrag zur Geschichte und Poetik der deutschen Lyrik (Stuttgart: Metzler, 1977), insbes. p.188-89.

  5. Zum Unternehmen Eichenberg: Fried Lübbecke, Fünfhundert Jahre Buch und Druck in Frankfurt am Main (Frankfurt a. M.: H. Cobet, 1948), p.94-95.