The Novel
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Image: © Staatsbibliothek Berlin
Der| Römischen| Octavia| Fünffter Theil.| [vignette]| Braunschweig/| Gedruckt und verlegt durch Johann Georg Zilligern| Hochfürstl. privil. Hof-Buchdrucker.
Kupfertitel mit Reiterstandbild: "Vitellivs"/ Titel [1]/ Leerseite [2]/ Text mit 10 Kupfern [3-1271]/ Leerseite [1272].
{1: Yu 6151} {DUL Durham, N.C.: Jantz 385} {7: 8o Fab.Rom.VI 2187} {UB Greifswald: Bm 539} {15: L.germ.E 1142} {BL London: 12547.dd.18} {RB Lüneburg DL 105} {4: XVI C 617} {YUL New Haven, Conn.: Faber du Faur 839 (Microfilm Reel 225)} {GN Nürnberg: 8o L 1101 cmf} {45: Spr.XIII 3 a 25} {BU Poznan: SD 8429 I} {StB Stralsund: G 52e} {23: Lo 75.5} {23: Lo 75.7} {23: Lo 75,7a} {23: Lo 75.7b} {23: Xb 2246:5} {SA Wolfenbüttel: LB 2806} {SA Wolfenbüttel: M 1350}
G. Dünnhaupt (1980) 17.Vb; (1990), 19.V.3 - M. Bircher (1982), B 211 - HKA I (1993), pp. CXVIf.
Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (1633-1714)
Fünfter Band der zweiten Fassung (B) der "Römischen Octavia". verzeichnet im Ostermesskatalog von 1713. Cf. zur vollständigen Publikationsgeschichte: Octavia römische Geschichte, [vol. 1] (Nürnberg: J. Hoffmann, 1677).
Etwa die Hälfte des Texts des sechsten Bandes der ersten Fassung ist in der zweiten Fassung in den fünften Band integriert.
Enthält mehrere wahrscheinlich autorfremde Gedichte, die jedoch nicht sicher zugeschrieben werden können.
Diverse Überarbeitungen gegenüber der ersten Fassung. Neu hinzugekommen sind folgende abgeschlossene Geschichten:
"Die Geschichte des Corillus", pp. 15-54
"Des Vatinius Gesandschafft", pp. 57-67
"Begebenheit der Apasia", pp. 857-860
Cf. zu einer Kurzeinführung und knappen Entstehungsgeschichte des Romans: Octavia römische Geschichte, [vol. 1] (Nürnberg: J. Hoffmann, 1677).
Enthält auf den pp. 15-54 mit der "Geschichte des Corillus" eine autobiographische Schlüsselerzählung. Vor der Niederschrift, die etwa im Jahr 1712 erfolgt sein muss, ist von Anton Ulrich bereits angedeutet worden, dass er plane, seine eigene Geschichte im Roman zu verarbeiten. Am 16. Januar 1712 schreibt er an den Theologen Johann Fabricius:
Meinen lebenslauff einer poetischen feder anzuvertrauen erforderet nicht allein viel mühe, sondern auch große bedenckzeit, ob es consultum sein, dan die wichtigsten avanturen so beschaffen, das Sie sich besser in die Octavia als in ein carmen schicken. [SA Wolfenbüttel: 1 Alt 22 no297]
Auch eine provisorische Personenliste von Anton Ulrichs eigener Hand und ein zeitgenössischer Schlüssel von Anton Ulrichs letztem Sekretär Alberti existieren noch (Personenliste in SA Wolfenbüttel, 1 Alt 22 no303, Blatt 6, und der Schlüssel Albertis in SA Wolfenbüttel 1 Alt 22 no303, Blatt 21). Wenn man einen weiteren, dreißig Jahre später aufgestellten Schlüssel von Georg von Praun (SA Wolfenbüttel 1 Alt 22 no303, Blatt 22) noch als zeitgenössisches Rezeptionszeugnis anerkennt, so kann in diesem Falle die Kette Autorintention-Text-Rezeption als lückenlos nachgewiesen gelten. Ein gewisses Problem stellt allerdings der Text selbst dar:
Eingeleitet wird die "Geschichte des Corillus", deren Erzähler Corillus selbst ist, mit einem fettgedruckten Motto: "Das gezeigte aber nie erreichte Glück." Die darauf folgende Erzählung von der wechselvollen politischen Laufbahn des Corillus wird immer wieder von kurzen Resümees unterbrochen, in denen das Erzählte mit dem vorangestellten Motto in Bezug gesetzt und erläutert wird. Die Erzählung ist also von einer emblematischen Struktur geprägt – mit dem Motto als Inscriptio, der Erzählung als Pictura und den Resümees als Subscriptio. Bei einer solchen Exempelerzählung stellt sich aber die Frage, inwieweit der Text noch in erster Linie auf eine Darstellung des Einzelfalls zielt oder inwieweit es sich nicht eher um eine an einen geschichtlichen Einzelfall angehängte Variation des Topos von der Unbeständigkeit der Fortuna handelt.
Inhaltlich spiegelt die Episode in erster Linie den Konflikt Anton Ulrichs mit seinem Bruder Rudolf August wider. Auch bei ihren Repräsentanten im Roman, Corillus und Gestriblindus, ist es so, dass der ältere Sohn den Thron erbt, sich jedoch als ein schwacher Herrscher erweist, während der jüngere – und wesentlich ehrgeizigere – in seiner machtlosen Position darauf angewiesen ist, seine Einflussmöglichkeiten über die Person des Bruders zu suchen:
Weilen nun Gestriblindus gewohnet war, sich regieren zu lassen, und von sich selbst niemahlen was wichtiges schließen konte, auch dabey ein Mißtrauen auf alle seine Bedienten anhube zu werffen, deren Einrath er sonderlich sich befliße, sich niemahlen zu bedienen, so heilsam und gut derselbe auch immer seyn mochte, als kame mir das sehr zu statten, mich bey ihme in gutem Vertrauen zu erhalten, da die Einschläge, die ich ihm gabe, allemahl wol glückten, und daher die Zuversicht je mehr und mehr fester machte. [p. 37]
Die Entwicklung der Beziehung zwischen Anton Ulrich und Rudolf August wird in der "Geschichte des Corillus" - wenn auch sehr gerafft – nachgezeichnet: Es wird berichtet, wie Corillus politisch zuerst am Rande steht, wie Gestriblindus den jüngeren Bruder später zum Mitregenten einsetzt und zum Erben bestimmt und auch wie Corillus aufgrund von höfischen Intrigen und Machtkämpfen zwischen den Staaten eine Zeitlang ins Exil gehen muss.
Neben diese historisch problemlos nachvollziehbare Grobstruktur tritt jedoch eine ganze Reihe von kleineren, rein fiktionalen Elementen. So wird etwa an einer Stelle praktisch die gesamte Familie von Corillus durch eine Pestepidemie hinweggerafft, und an einer anderen Stelle wird von einer vorgetäuschten Schwangerschaft der Ehefrau des Gestriblindus berichtet. Dieser war bisher ohne männlichen Erben, und die Geburt eines Sohnes hätte Corillus um die Nachfolge des Bruders gebracht.
Auch im Haupterzählstrang gibt es an einer Stelle einen deutlichen Bruch: In der geschichtlichen Realität übernimmt Anton Ulrich 1704 schließlich das Erbe des verstorbenen Bruders und wird alleiniger Herzog. Dagegen zieht sich Corillus bald nach seiner vom Bruder Gestriblindus gewünschten Rückkehr aus dem Exil endgültig freiwillig aus der Politik zurück. Er geht nach Rom und bekehrt sich zum christlichen Glauben – als jemand, der mit der unbeständigen politischen Welt seinen Frieden gemacht hat:
So unbeständig mir Lebens-Zeit sich mein Glück gezeiget, so beständig muß es nun wieder seinen Willen seyn, was meinen angenommenen Glauben betrifft [...] und wüßte ich nicht, was mir mehr weltliches begegnen solte, so des Glückes Unbestand mir erweisen könte, wann es nicht meiner lieben Hispulla Absterben wäre, so ich nicht würde zu verschmerzen wissen. [p. 54]
Dieses fast schon pikareske Motiv der Weltentsagung nach der durch eigenes Erleben gewonnenen Erkenntnis ihrer Unbeständigkeit trifft für Anton Ulrich – wenn überhaupt – nur für die kurze Zeit nach seiner durch die Vettern aus Hannover und Celle erzwungenen Entfernung aus der Politik im Jahre 1702 zu. Zu diesem Zeitpunkt nimmt Anton Ulrich auch die Arbeit am vierten Band der "Römischen Octavia" wieder auf, der zuvor über 20 Jahre lang unvollendet geblieben war. Der Rückzugsort Rom in der "Geschichte des Corillus" wird von Mazingue dann auch folgerichtig in der Übertragung auf die Person Anton Ulrich als eine Art innere Emigration in den Roman, in die "Römische Octavia", gelesen:
La Rome de Corillus, c’est pour Anton Ulrich l’œuvre littéraire, à laquelle il travaillera jusqu’à sa mort. [Mazingue, 1978, p. 615.]
Die politische Autobiographie Anton Ulrichs endet also etwa im Jahre 1702 an einem außergewöhnlichen Zeitpunkt seiner Laufbahn, obwohl sie erst 1712 geschrieben worden ist und die Zeit nach 1704 – die Zeit seiner Alleinherrschaft in Wolfenbüttel – zu den glücklichsten Jahren Anton Ulrichs gehörte.
Dass die "Geschichte des Corillus" nicht bis zum Ende erzählt werden konnte, hängt wohl vor allem damit zusammen, dass in diesem Fall ein Personal für die Schlüsselerzählung gewählt worden ist, das bereits vorher im Roman eine wichtige Rolle gespielt hat und diese auch noch weiter spielen sollte. Corillus selbst taucht an verschiedenen Stellen des Romans als ein römischer Christ auf, ohne dabei jedoch zum engeren Kreis der handlungstragenden Personen zu gehören. Sein Bruder Gestriblindus hingegen – dessen Tod ja notwendige Voraussetzung für die Herrschaft von Corillus in Dacien gewesen wäre – spielt vor allem in den beiden letzten Bänden des Romans bei den Machtkämpfen in Kleinasien und auf dem Balkan eine wichtige Rolle. Die erste Erwähnung des Bruderzwists zwischen Corillus und Gestriblindus findet sich auch schon deutlich früher, nämlich in einer kurzen Szene im vierten Band der ersten Version der "Römischen Octavia" (pp. 678f. wieder abgedruckt im vierten Band der zweiten Fassung, pp. 577f.), einem Band, an dem Anton Ulrich genau in der Zeit seines kurzfristigen, erzwungenen Rückzugs aus der Politik im Jahre 1702 gearbeitet hat und in dem er Corillus auf zwei Seiten seine Geschichte und die seines Bruders in Grundzügen erzählen lässt. Die "Geschichte des Corillus" aus dem Jahre 1712/1713 kann also auch als ausgearbeitete Version dieser politischen Momentaufnahme aus dem Jahre 1702 gelesen werden. Eine Änderung der Grundstrukturen der Erzählung wäre an dieser späteren Stelle nicht mehr möglich gewesen, ohne die Gesamtarchitektur des Romans zu gefährden.
Vgl. auch den biograpischen Artikel zu Anton Ulrich in Zedlers "Universallexikon".
Vgl. zu dieser Schlüsselerzählung auch Munding (1974), pp. 206f., und Mazingue (1978), pp. 595-616, die jeweils auch ausführliche Schlüssel bieten. Vgl. weiterhin Kraft (1998), pp. 38-41.
Hingewiesen sei hier noch auf die Möglichkeit, auch das problematische Verhältnis der männlichen Hauptfigur Tyridates zu seinem Bruder Vologeses, das vor allem im Laufe der späteren Bände der "Römischen Octavia" immer wieder thematisiert wird, als eine Modellierung des Bruderkonflikts zwischen Anton Ulrich und Rudolf August zu lesen. Hierbei sind allerdings bis auf die grundsätzliche Personenkonstellation die konkreten Bezüge eher spärlich.
Für "Die Geschichte des Corillus" nach Mazingue (1978), pp. 597f. (ergänzt).
Braunschweig-Wolfenbüttel : Dacien
Braunschweig : Zarmizegethusa
Wolfenbüttel : Dinogetia
Rudolf August, Herzog : Gestriblindus
Christiane Elisabeth,
Seine Frau : Tyrisca
Dorothea, ihre
Tochter : Zargidara
Anton Ulrich, Bruder Rudolf
Augusts : Corillus
Fritz von Heimburg
? : Cenaris
Höpfner : Cardiceus
Imhof ? Schulenburg
? : Cotiso
von Steinberg : Batho
Bevern : Patridara
Ferdinand Albrecht I. : Wendelin
Ferdinand Albrecht II., sein
Sohn : Dorpaneus Anses
Lüneburg-Celle : Jazyger
Celle : Crema
Georg Wilhelm : Agarus
Eléonore d’Olbreuse, seine Frau : Hygris
Sophie Dorothea, ihre
Tochter : Jugunda
Hannover : Sarmaten
Ernst August : Bycus
Sophie, seine
Frau : Ereliva
Georg Ludwig, ihr
Sohn : Isenobardus
Sophie Charlotte, ihre
Tochter : Fritigildis
Preußen : Roxolaner
Friedrich Wilhelm : Gerrus
Friedrich I., sein
Sohn : Palaco
Halberstadt : Tyras
Hamburg : Nujodunum
Wien : Rom
Frankreich : Meden
Ludwig XIV. von Frankreich : Pacorus
Polen : Parthen
August der Starke : Tyridates
Türkei : Armenien
Mecklenburg : Thracien
Herzog von Mecklenburg : Rhescuporis
Holstein-Plön : Bastarner
Herzog von Plön : Faroaldus
Literatur, die sich speziell mit Partien aus dem fünften Band beschäftigt: Schreier-Hornung (1985). Cf. ausführliche Bibliographie: Octavia römische Geschichte, [vol. 1] (Nürnberg: J. Hoffmann, 1677). Vgl. auch die Literaturangaben zur Schlüsselerzählung.
© 6 Apr. 2004