lineThe Novel

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[Hunold, Christian Friedrich =] Menantes,
Satyrischer Roman (Hamburg: B. Wedel, 1706).

[Christian Friedrich Hunold =] Menantes, Satyrischer Roman (Hamburg: B. Wedel [1706]).

Satyri-|rischer| ROMAN,| In| Unterschiedlichen, lustigen, lä-|cherlichen und galanten| Liebes-Begebenheiten.| von| Menantes.| [Linie]| HAMBURG,| [Linie]| Verlegts Benjamin Wedel.| 1706

Description

frontisp./ black and red title page/ p.[iii-xiv] Vorrede/ p.[1]-256.

Author

Hunold, Christian Friedrich (1681-1721).link

Bibliographical Reference

Weber/ Mithal (1983), p.229. G. Dünnhaupt (1990-93), p.2197: 13.1.

Shelf-markslink

{18: A/49879} {18: SCa IX 62} {15: Lit. germ. E 5212}.

History of Publication

Nach dem Skandal der Erstfassung, A, muß Hunold Hamburg verlassen. Eine entschärfte zweite Fassung, B, die zudem seine eigenen Geschichten fortentwickelt, bringt er mit einer Erweiterung auf zwei Bände 1710 bei Brummer in Stade heraus, die Ausgabe erscheint 1718 ein zweites Mal, was Wedel, den Erstverleger 1719 motivierte, erneut den Originaltext aufzulegen - mit einer Erweiterung "Lindenfeldische Fama" die Siegmund Corvinus (1677-1746) (Amaranthes) zugeordnet wird - cf. G. Dünnhaupt (1990-93), p.2197.

A. 1.a linkSatyrischer Roman (Hamburg: B. Wedel, 1706). Reprint: ed. H. Wagener (Bern/ Frankfurt a.M., 1973).
B. 1-2.a [...] (Stade: H. Brummer, 1710).link
1-2.b [...] (Stade: H. Brummer, 1718).link
A. 1.b [...] die zweite unveränderte Edition. Nebst einen Anhang, genannt: Die Lindenfeldische Fama (Hamburg: B. Wedel, 1719).link
1.c [...] (Franckfurt/ Leipzig: C. Chr. Immig, 1726).link (Frankfurt a.M.: Minerva, 1971).
1.d [...] (1732).
1.e [Html edition, at Marteau.]link
Remarks

Cf. ed. (Stade: H. Brummer, 1710).link

 

Excerpt (Olaf Simons, 1995)

Der Roman lebt von überraschenden Wendungen, von Momenten, da der Leser ersteinmal das falsche unterstellt. Der Anfang: "Tyrsates, der auf Abentheur im Lande herum zog...", kommt in das Land um Salaugusta (an der Meißnischen Grenze, dort, wo Saale und Elbe zusammenfließen <p.1>), trifft Baron Selander von Amalienburg <p.15>, der gerade am Fluß sitzt und weint, ob der Schuld am Tode seiner Geliebten. Tragik scheint angekündigt, doch nach der einfühlsmanen Adresse schiebt der Angesprochene alle Trauer beiseite und zeigt sich aufgeräumt. Zu einer Erklärung kommt es noch nicht. Aus einem Gebüsch schreit eine Junge Dame um Hilfe. Mit dem Diener des Tyrsates (von dessen Anwesenheit bis hierhin noch nichts zu bemerken war (und der auch fortan wieder in Unerwähnbarkeit versinkt)), eilt man an den Ort, an dem man, nach den Wortwechseln zu urteilen, Zeuge einer Vergewaltigung werden wird - man tut mithin sein Bestes, Fulvien von Castrato zu befreien. Der junge Mann erweist sich allerdings als einer von ganz und gar akzeptabler Conduite. Fulvia, 19, wollte, ihre Jungfernschaft einbüßen, es war der Herr der dem Ansinnen widerstand (daß er es tat scheint Menantes zu irritieren, wieso sonst der Name Castrato?) Fulvia eilt davon, ihre Lust an der stadtbekannten Causabona zu befriedigen. Wieder ein neues Rätsel, denn Causabona gilt in der ganzen Stadt als Dame von Tugend - jeder Heirat abgeneigt. Wieder ist ein Geheimnis zu lüften, die drei Herren lüften es auf die ihnen eigentümliche Art und ertappen Causabona in einem Gartenhäuschen, alldort mit Fulvien beschäftigt. Die hinzutretenden Herren ergehen sich in Anspielungen ob dessen, was sie gerade gesehen haben und ruinieren in den folgenden Tagen alles, was von Causabonas Ruf zu ruinieren ist.

<p.25> Eine Debatte wird eingeschoben, die man als programmatische nehmen möchte: These ist, daß die tugendhaften Damen sich nur mit dem Anschein der Tugend schmücken um dahinter umso ungenierter agieren zu können. Jetzt endlich wird des Selander Geschichte erzählt <p.26>; seine Dame starb nur moralisch, sie hatte ihn, Selander zwar erhört, doch es gleichwohl mit einem anderen getan - eine Angelegenheit, ob derer Selander, der die Dame samt Amant ertappt hatte, dem Nebenbuhler das Gesicht zerschnitten hatte. Er macht sich allenfalls Vorwüfe, diesen Fehltritt der Geliebten, und damit ihren moralischen Tod, nicht verhindert zu haben.

Die drei Herren haben einander ihre Geschichten anzuvertrauen, und sie haben keine Skrupel, die Unmoral der Damenwelt dieser selbst vorzuhalten. Dabatten zur Untugend der Frauen zwischen Tyrsates und Selander <p.35-39>).

<p.p.39-48:> Tyrsates schiebt (Verteidiger des Frauenzimmers, obwohl er fernerhin aber mehr als Selander dessen Verächter ist) eine Geschichte nach: Ein Kaufmann zu Lindenfeld betrügt seine Frau und diese daraufhin ihn. Ein aufmerksamer und an der Kaufmannsgattin nicht uninteressierter Student bringt sich in die Bekanntschaft des Paares und erpreßt auf einem kleinen Fest öffentlich die Dame des Hauses (er beginnt, ihr den Seitensprung aus der Hand zu lesen), sie signalisiert, daß der Student ihren heimlichen Galan einmal vertreten dürfe. Der mißtrauisch gewordene Kaufmann entdeckt das Stelldichein jagt den Studenten davon und droht, seiner Frau, sie zu vernichten. Ihr bleibt es, sich zu einem Kollegen ihres Mannes zu retten und diesem zu offenbaren, daß ihr Mann nicht tugendhafter ist als sie selbst; Umstände, unter denen der Gatte darauf verzichtet, seine Frau öffentlich bloß zu stellen. Das Paar lebt fortan glücklich zusamen.

<p.48-64> Selander und Tyrsates fahren nach Lindenfeld (Leipzig) und quartieren sich in einem Gasthof ein. Es gibt dort drei Gruppen: Studenten aus Jenona (Jena), sie rauchen, trinken und sitzen gesellig beeinander; Studenten aus Lindenfeld, sie pudern und schminken sich, und lernen die Komplimente aus Talanders Romanen auswendig, um sie beim Frauenzimmer anbringen zu können. Drittens gibt es die Diener der letzteren, sie sind die Affen ihrer Herren. Das Frauenzimmer in Lindenfeld ist wenig elegant, ergibt sich in platten Redensarten, und im Gasthof fällt Selander dann in die Hände der Tochter des Hauses, die ihn für einen der eitlen Studenten hält und (bei seinem Durchfall) ins Bett schleppt. Er hinterläßt ihr eine Unreinigkeit und fällt nachmals auf dem Weg zum Klo noch einem Studenten aus Jena in die Hände, der die Magd des Hauses sucht.

<p.64-6> Kurzfristige Rückkehr nach Salaugusta (Weißenfels). Causabona, deren Ruf sich nicht mehr reparieren läßt, hat sich einem miesem Offizier verheiratet. Fulvia wird von niemandem geheiratet und zur alten Jungfer. Castrato bringt unters Volk, was zwischen Causabona und Fulvia gewesen ist.

<p.66-> Selander und Tyrsates gehen nach Venedig (Hamburg). Ortswechsel sind permanent möglich, Vorplanungen unnötig. Der Autor übergeht in Einverständnis mit seinem Leser alle langweiligen Fakten <p.66>. Man besucht die Oper. Dort ist man zuerst ob der Kunst der Musik und der "Actiones" erstaunt, dann aber irritiert, daß Zugaben auch bei schlechteren Darbietungen verlangt werden - und erfährt, daß die Beliebtheit der "Theatralischen Göttinnen" oder "Opern-Personen" die Gunst des Publikums bestimmt. Die "Opern-Frauenzimmer" sind fortan der Gegenstand des Interesses - Tyrsates und Selander gehen diesem mit unterschiedlichen Strategien nach. Selander verliebt sich erfolgreich in Arismenia, eine ranke, Große und gerät in all die Kämpfe von erlaubter Nähe und überraschender Zurückweisung, Tyrsates geht nur zum Scherz auf die Angebote der Damen ein und decouvriert deren Unkeuschheit, indem er sich nicht in die Rolle des Verführers begibt - er läßt sich umgarnen und tut dann in den entscheidenden Momenten zur Qual der Damen gar nichts, auf daß dieses selbst ihrere Verworfenheit an den Tag legen müssen, wenn sie irgendetwas wollen - Strafe genug ist, daß er sie selbst bei dieser ihnen abverlangten Aktivität nicht erhört.

Selanders Liebesgeschichte nimmt fortan den Hauptteil des Romans ein, Tyrsates liefert nur kleine Episoden hinzu. Erst nachdem Selanders Geschick abgehandelt ist, kommt eine Tyrsates-Liebe dazu - es gibt plötzlich all die romantypischen Verwicklungen dann kann jedoch zum Glück aller Beteiligten geheiratet werden.

Der Roman kippt unter diesen Handlungsnotwendigkeiten um: von der satyrischen Entlarvung bleibt am Ende wenig übrig. Selanders Frau erhört ihn nicht, doch der Konflikt ist ganz anders gelagert, als wir vermuten müssen. Arismenie gibt Selander den Korb, ob eines anderen - worauf Selander verzweifelt und heimwärts zieht. Es scheint sich zu bestätigen, daß alle Frauen in der Liebe wenig tugendhaft sind - das trifft umso härter, da wir Selander und Arismenien die Zeugnisse der tiefsten Liebe und Übereinstimmung der Gemüter verdanken. Selander könnte sich rächen und seine Dame öffentlich entblößen, er zieht jedoch niedergeschlagen heim. Tyrsates Geschichte erfährt eben einen solchen Knick. Seine Dame wird entführt, und man könnte vermuten, daß er auch hier mit Zynismus reagierte, stattdessen jedoch setzt die Rückeroberung ein, eine Aktion bei der Tyrsates in die Gefangenschaft von Seeräubern gerät und nachher - unabsichtlich - den Nebenbuhler in ebensolche Gefangenschaft bringt. Da sein eigenes Glück an dieser Stelle gemancht ist, kann er sich dem seines Freundes zuwenden. Arismenie lebt in Abwesenheit Selanders nicht glücklich, und es zeigt sich, daß sie aus einem fast empfindsamen Konflikt heraus sich überhaupt nur von ihm getrennt hatte. Einem Jugendfreund hatte sie ewige Freundschaft geschworen, eine Liebe, die keine fleischliche Seite kannte, und nun befürchtet, daß Selander bei einer solchen Verpflichtung ihrerseits niemals glücklich geworden wäre. Dann aber hatte dieser Jugendreund ihr die vollkommene Freiheit geschenkt, war in den Krieg gezogen, gefallen und hatte sie unglücklich zurückgelassen. In einer fast surrealen Szene finden am Ende Selander und Arismenie einander - sie ist so gut wie vollkommen zerstört und das Glück wird gerade noch in der rechten Minute wiederhergestellt - eine schmerzhaft rührende Szene. Sollte demnach die Moral der Geschichte darin bestehen, daß man keine Frau kriegt, wenn man sich auf den einfachsten moralischen Standpunkt zurückzieht?

Zudem gibt es diverse Einschübe. Da besucht Selander einen Friedhof und schreibt seiner Arismenie einen Brief von der Vergänglichkeit der schlechten Liebe - auf dem Friedhof gemahnen diverse Tafeln an die Schicksale von Liebespaaren, die nicht aus dem einzig guten Grund: Übereistimmung der Gemüter geheiratet haben. Wie paßt dieses Memento Mori? Zumal es am Ende mit der weltlichen Liebe vereinbar wird? Eingeschoben ist auch ein intimes Tagebuch einer der Damen, die es auf Tyrsaten abgesehen haben, es hat Tag auf Tag verzeichnet, welchen Galan die Dame erhörte, was sie bekam und wann sie Kopschmerzen litt (d.h. wegen ihrer Regel nicht einsatzfähig war).

Die Skandale sind nicht mehr einsehbar, die Machart jedoch nach wie vor von großer emotionaler Bandbreite und zudem hohem fiktionalen Bewußtsein. Eine der interessantesten Stellen dazu p.138, fällt nachdem wir uns die ganze Zeit daran nicht störten, daß die Leute Venedigs mit Kutschen ausfahren - der Erzähler dazu: "und man sich einbilden muß, daß man damahls in Venedig mit Carossen überall herum gefahren..."

Was die Zeit anbetrifft - sie ist, ohne daß es eine weitere Rolle spielte ins Jahr 1580 verlegt - jedenfalls ist auf jenes Jahr das intime Tagebuch datiert, daß sich p.207 ff. abgedruckt findet.

o.s.